COP27: Mit Vollgas in die Klimahölle?
7. November 2022Auf der COP27 herrscht Alarmstimmung: "Wir sind auf einem Highway in die Klimahölle und haben den Fuß auf dem Gaspedal", warnt UN-Generalsekretär António Guterres vor dem Plenum der 27. UN-Klimakonferenz. Und er ruft die Dutzenden Staats- und Regierungschefs in Scharm el Scheich zum Handeln auf: "Die Menschheit hat die Wahl: zusammenarbeiten oder untergehen." Entweder gebe es einen "Klimasolidaritätspakt oder einen kollektiven Selbstmordpakt".
Überschattet wird die Konferenz unter anderem vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den damit zusammenhängenden Energie- und Ernährungskrisen. Guterres betonte, dass die Erderhitzung jedoch viel größere Dimensionen habe. Der Klimawandel sei "auf einer anderen Zeitachse" und habe "ein anderes Ausmaß".
"USA und China haben eine besondere Verantwortung"
Der portugiesische UN-Chef stellt fest, dass trotz jahrzehntelanger Klimagespräche zu wenige Fortschritte gemacht wurden, um den Planeten vor einer übermäßigen Erwärmung zu retten. Die Länder handelten zu langsam oder nur widerwillig. "Die Treibhausgasemissionen steigen weiter. Die globalen Temperaturen steigen weiter. Und unser Planet nähert sich schnell den Wendepunkten, die das Klimachaos unumkehrbar machen werden", sagt Guterres.
Er fordert deshalb einen Pakt zwischen den reichsten und ärmsten Ländern der Erde, um den Übergang von fossilen Brennstoffen zu klimafreundlichen Energien zu beschleunigen. Auch müsse sichergestellt werden, dass ärmere Länder ihre Emissionen reduzieren und mit den unvermeidlichen Auswirkungen der bereits eingetretenen Erderwärmung fertig werden können. "Die beiden größten Volkswirtschaften - die USA und China - haben eine besondere Verantwortung, sich gemeinsam dafür einzusetzen, dass dieser Pakt Wirklichkeit wird."
"In Wohlstand leben, ohne dem Klima zu schaden"
Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist für den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz "nicht nur ein Gebot vorausschauender Klima-, Wirtschafts- und Umweltpolitik. Sondern auch ein sicherheitspolitischer Imperativ". Weniger Dürren und Überschwemmungen, weniger Ressourcenkonflikte, weniger Hunger und Missernten bedeuteten "mehr Sicherheit und Wohlstand für alle".
Scholz definierte vier Ziele für die Klimapolitik: Ein "ein robustes Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung". Mehr Unterstützung für die Staaten, die von den Folgen des Klimawandels am härtesten betroffen sind. Einhaltung der nationalen Klimaziele, wonach Deutschland als eines ersten Industrieländer bis 2045 klimaneutral werden will. Und die technologische Partnerschaft bei der Entwicklung von Windkraft, Solarenergie und grünem Wasserstoff.
Klimaverpflichtungen nicht Russlands Drohungen opfern
Der französische Präsident Emmanuel Macron will den Klimaschutz trotz des russischen Kriegs gegen die Ukraine nicht vernachlässigen. "Wir werden unsere Klimaverpflichtungen nicht Russlands Energiedrohung opfern", sagte Macron bei der COP27. Die vielen aufeinanderfolgenden Krisen könnten dazu führen, dass viele nachgeben und sagen: "Wir haben andere Prioritäten, das Klima kann warten." Der Klimanotstand finde aber heute statt und nicht erst morgen. Was auf der Klimakonferenz im vergangenen Jahr in Glasgow gesagt worden sei, bleibe gültig - auch wenn die Welt durch den Krieg in der Ukraine nicht mehr dieselbe sei.
Afrikaner fordern Ende der Verzögerungstaktiken
Kenias Präsident William Ruto hat auf der Konferenz ein Ende der "Verzögerungstaktiken" bei der Umsetzung der Klimaziele gefordert. Die sich über viele Jahre hinziehenden, langwierigen Klimaverhandlungen seien «einfach grausam und ungerecht", sagte Ruto, der auch Sprecher für die afrikanische Verhandlungsgruppe ist, auf dem Gipfel in Scharm el Scheich. "Wir können es uns nicht leisten, mehr Zeit damit zu verbringen, die wirklichen Probleme zu umgehen", während Klimakatastrophen in Afrika bereits Menschenleben und Lebensgrundlagen auslöschten. "Der Klimawandel bedroht direkt das Leben, die Gesundheit und die Zukunft unserer Völker."
UN-Kommissar warnt vor Klimaflucht
Seit der industriellen Revolution hat sich die Erde bereits um fast 1,2 Grad erwärmt, schon jetzt nehmen klimabedingte Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Dürren deutlich zu. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi appelliert an den Gipfel, eine "katastrophale Zukunft für Millionen Vertriebene" abzuwenden. Die Staats- und Regierungschefs müssten die Länder an der Front der Klimakrise dafür ausrüsten, sich auf Extremwetter vorzubereiten und die Auswirkungen des Klimanotstands zu mindern.
Mehr als 70 Prozent der Flüchtlinge und Vertriebenen weltweit stammen nach Angaben der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) aus Ländern, die den Folgen des Klimawandels besonders ausgesetzt sind. Dazu zählen Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, Syrien und Jemen.
rb/qu (AFP, AP, dpa, KNA, Reuters)