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Corona, Chipkrise und gestörte Lieferketten

Klaus Ulrich
20. Dezember 2021

Die Corona-Pandemie wirbelt die Automärkte durcheinander. Produktionsausfälle durch Lockdowns und Materialsorgen führen zu Verwerfungen. Hält die Krise auch im nächsten Jahr an?

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Symbolbild Deutsche Neuwagen | Ruhrgebiet
Bild: Jochen Tack/picture alliance

Nach mehr als drei Jahrzehnten, in denen Überkapazitäten die Autobranche geprägt haben, hat sich durch die Corona-Pandemie  der Wind gedreht. Es fehlen Halbleiter, Lieferketten sind gestört, die Rohstoffpreise steigen. Die Produktion lahmt, Autokäufer müssen auf Rabatte verzichten und lange auf bestellte Fahrzeuge warten.

"Eine umfassende Erholung dürfte erst im Jahr 2023 um sich greifen", meint der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR) in einer aktuellen Studie.

Wurden im Vorkrisenjahr 2019 in Deutschland noch 3,6 Millionen PKW verkauft, brach der Markt 2020 auf 2,9 Millionen Verkäufe ein. 2021 werden es nach der CAR-Hochrechnung nur noch 2,69 Millionen sein.

Infografik Wachstum in den Automärkten 2021 DE

Dudenhöffer prognostiziert für 2022 zwar eine Steigerung der Autoverkäufe auf 3,01 Millionen Fahrzeuge. Im ersten Halbjahr 2022 sei bei den deutschen Autobauern aber immer noch mit Engpässen bei Halbleitern zu rechnen. Neue COVID-Wellen mit Omikron-Varianten könnten nicht ausgeschlossen werden.

Mit einer am Vorkrisenniveau gemessenen Erholung des Automarkts in Deutschland rechnet Dudenhöffer sogar erst in der zweiten Jahreshälfte 2023. Dann löse sich der Angebotsstau. Außerdem erreiche der PKW-Bestand in Deutschland nach Aussagen des Experten zu diesem Zeitpunkt ein hohes Durchschnittsalter von mehr als zehn Jahren, was eine Verjüngung des Bestandes durch mehr Neuwagenverkäufe erwarten lasse. Elektroautos trieben die Erneuerungswelle an.

Indien erstmals vor Deutschland

Auch auf dieses Phänomen weist Dudenhöffer hin: Nach dem Corona-Jahr 2020 dämpften Produktionsausfälle in Deutschlands sonst so starker Autoindustrie das Wachstum im ersten Halbjahr 2021. Wichtige Märkte wie die USA, Russland und Brasilien legten im gleichen Zeitraum dagegen zu. "Eine Konsequenz ist die Verschiebung der Schwerpunkte im Weltmarkt. Im Jahr 2021 werden in Indien erstmals mehr Autos verkauft als in Deutschland", so der Experte. Auch 2022 werde Indien knapp vor Deutschland liegen.

Indien Bangalore Verkehr Straßenverkehr
Autoverkehr in Indien - Straßenszene in BangaloreBild: Imago/G. Hellioer

Die Analyse und Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigten, dass in Indien mit großen Wachstumsraten im Automarkt gerechnet werden könne. Unter den früheren BRIC-Ländern (Brasilien-Russland-Indien-China) schaffe es Indien mit seiner Industrialisierung, sich hinter China als Wachstumsregion zu positionieren. In Brasilien und Russland seien auch 2022 keine erkennbaren Wachstumssprünge zu erwarten.

Langsame Erholung am Automarkt

Im Vor-Pandemiejahr 2019 verzeichnete der Weltautomarkt noch rund 80 Millionen verkaufte Neufahrzeuge. 2020 sank die Zahl um mehr als 14 Prozent auf 68,6 Millionen. 2021 folgt laut den CAR-Prognosen ein geringer Anstieg auf 70,5 Millionen, 2022 dann ein kleiner Sprung auf 75,2. Auch 2023 werde mit 78,8 Millionen Neuverkäufen das Vorkrisenniveau nicht erreicht. Erst um das Jahr 2025 kehre man zu alten Höchstwerten zurück.

Deutschland | Autobranche | Doppelter Stresstest 2021
Elektromobilität soll zum großen Trend werdenBild: Sven Hoppe/dap/picture alliance

"Die Erholung aus der Pandemie braucht Zeit", zieht Dudenhöffer ein vorsichtiges Fazit seiner Berechnungen. Wertschöpfungsketten müssten neu geordnet und zusätzliche Kapazitäten in der Halbleiterproduktion aufgebaut werden. Nicht alles, was an Verkäufen durch die Pandemie ausgefallen sei, könne bis zum Jahr 2023 aufgeholt werden. "Aber die Alterung der Fahrzeugbestände in den gesättigten Märkten lässt längerfristiges Wachstum des Weltautomarkts erwarten", so der Experte.

Trotz Krise auch Lichtblicke für die Autohersteller

Für die Autoindustrie gab es in der Krise trotz aller Probleme jedoch auch Lichtblicke. Nach Untersuchungen des Analyseunternehmens EY erzielten die 16 weltgrößten Autohersteller im dritten Quartal 2021 einen operativen Gewinn von rund 23 Milliarden Euro - ein Anstieg von elf Prozent auf ein neues Rekordniveau.

Deutschland | Innenraum S-Klasse von Mercedes-Benz
Teure, margenstarke Fahrzeuge bevorzugt ausgeliefert - neue Mercedes S-KlasseBild: Silas Stein/dpa/picture alliance

Zwar sei der PKW-Absatz um 16 Prozent gefallen (nach Schätzungen von Analysten konnten durch den Chipmangel rund elf Millionen Autos nicht gebaut werden), 13 Hersteller verkauften weniger Autos als im Vorjahreszeitraum. Alle 16 Unternehmen schafften nur noch einen Gesamtumsatz von 371 Milliarden Euro, das war ein Rückgang um 1,6 Prozent. Dennoch legte der Gewinn deutlich zu, weil die knappen Chips in teure und margenstarke Fahrzeugmodelle eingebaut wurden, die dann vorrangig der Kundschaft zur Verfügung standen. Außerdem gab es kaum Rabattaktionen, weil die Nachfrage das Angebot überstieg. Auch konnten die meisten untersuchten Firmen im Verlauf des Jahres ihren Börsenwert steigern - allen voran der US-amerikanische Elektroautobauer Tesla.

Allerdings glaubt auch EY, dass weitere Engpässe zu befürchten sind. "Die stark steigenden Infektionszahlen in einigen Ländern und harte Gegenmaßnahmen könnten erneut zu größeren Verwerfungen, weiteren Produktionsausfällen und Logistikstörungen führen", hieß es bei der Vorstellung der Untersuchung. Überdurchschnittlich betroffen sei China. Im weltgrößten Automarkt der Welt schrumpfte der Absatz im dritten Quartal 2021 um 26 Prozent.