Corona-Impfung für Kinder kommt
21. Oktober 2021Die Frage, ob Kinder gegen das Coronavirus geimpft werden sollten, stellte sich für die zehnjährige Maja überhaupt nicht. Sie war froh, unter den weltweit ersten Youngstern zu sein, die den Impfstoff von BioNTech-Pfizer bekommen haben. "Das erste, was ich wahrscheinlich machen werde", freut sie sich, "ist alle meine Freundinnen zum Übernachten einzuladen. Das wird eine Riesen-Party!"
Maja hatte an einer Studie in den USA teilgenommen, die jetzt den Weg für die Zulassung des mRNA-Impfstoffes von BioNTech-Pfizer für unter 12-Jährige ebnen könnte. Die Zulassungsbehörde FDA, die Food and Drug Administration, wird an diesem Dienstag (26. Oktober) die Studienergebnisse erörtern und möglicherweise eine Notzulassung für den Impfstoff erteilen.
Studie zeigt gute Wirksamkeit
2268 Kinder zwischen fünf und elf Jahren hatten den Impfstoff erhalten und etwa gleichviele ein Placebo. Der Hersteller BioNTech-Pfizer war nach der Studie zuversichtlich, dass der Impfstoff in einer angepassten Dosierung für diese Altersgruppe sicher und wirksam ist. Die Kinder bekommen nur etwa ein Drittel der Impfstoffmenge von Erwachsenen. Bisher ist der Impfstoff erst ab zwölf Jahren zugelassen.
BioNTech-Pfizer hat die Zulassung nicht nur bei der FDA beantragt, sondern auch in der EUbei der Europäischen Medikamenten Agentur (EMA). Weitere Anträge laufen derzeit weltweit. Die EMA hat eine Entscheidung in den kommenden Monaten angekündigt.
Auch andere Impfstoffhersteller wie AstraZeneca, Novavax oder Johnson&Johnson arbeiten an Impfstoffen für Kinder.
Früh impfen oder besser noch warten?
"Ich bin absolut dafür, Kinder unter zwölf Jahren zu impfen", sagtKawsar Talaat im DW-Interview. Die Professorin lehrt in der Abteilung für Internationale Gesundheit der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore/ Maryland, USA. "So viele Menschen wie möglich zu impfen ist der einzige Weg, uns aus dieser Pandemie herauszubringen", versichert sie, das gelte für alle Altersgruppen.
Der Kinderarzt Jakob Armann ist im Gespräch mit der DW etwas zurückhaltender: "Ein Kind mit Vorerkrankungen, zum Beispiel mit Trisomie-21, sollte geimpft werden", sagt der Spezialist für Infektionskrankheiten und Intensivmedizin am Kinderkrankenhaus der Universität Dresden. Bei einem gesunden Kind würde er jedoch warten bis mehr Daten zur Verfügung stünden und sicher sei, dass es nicht zu seltenen Nebenwirkungen kommt.
Reichen die Studiendaten schon aus?
Armann hält insbesondere die Zahl der Probanden in der Zulassungsstudie für zu gering, um schon jetzt eine massenhafte Impfkampagne zu starten.
Vor allem gibt er zu bedenken, dass es unter den geimpften männlichen Jugendlichen nach der zweiten mRNA-Impfung vereinzelt zu Herzmuskelentzündungen gekommen war. Diese Fälle verliefen zwar meist glimpflich und traten sehr selten auf – aber gerade deshalb sei die Zulassungsstudie für die fünf bis elf-Jährigen mit ihren 2.268 Probanden vorerst zu klein.
Kindliche Immunabwehr wird schneller aktiv
Ein weiteres Argument, um vorerst zurückhaltend zu sein: Kinder, die sich mit dem Virus infizieren, erkranken nur sehr selten schwer. Meist geht die Infektion vorüber wie eine leichte Erkältung.
"Unser Immunsystem braucht Rezeptoren, die bestimmte Muster erkennen, um eine Virusinfektion schon von vornherein abzuwehren. Diese Rezeptoren sorgen dafür, dass der Körper Interferon produziert. Das ist die allererste Verteidigungslinie gegen Viren", erklärt Roland Eils im DW-Interview. Er leitet die Abteilung für Digitale Gesundheit am Berlin Institute of Health des Universitätskrankenhauses Charité: "Wir haben herausgefunden, dass Kinder diese Muster viel effektiver erkennen als Erwachsene und dann die Immunabwehr in Gang setzen."
Der Schulunterricht als Superspreader-Event
Trotzdem empfiehlt Eils im Gegensatz zu seinem Dresdner Kollegen Armann keine Zurückhaltung beim Impfen der Jüngsten. Denn auch wenn die Erkrankung bei den meisten Kindern milde verläuft, können sie andere Menschen anstecken.
In Deutschland zeigt sich das gerade deutlich: Während die allgemeine Inzidenzrate je nach Landkreis mit Werten zwischen 20 bis 90 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in allen Altersgruppen relativ langsam steigt, entwickeln sich immer mehr Schulen zu regelrechten Superspreader-Locations.
Dort sitzen viele ungeimpfte Kinder auf engem Raum beeinander. In einzelnen Landkreisen stieg so die Inzidenzrate unter den Kindern und Jugendlichen bereits auf über 500.
Impfen dient nicht nur dem eigenen Schutz
Ein weiteres Argument Kinder zu impfen, sagt Kawsar Talaat, sei es, Herdenimmunität zu erreichen. Das sei letztendlich das gesamtgesellschaftliche Ziel, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. .
Darüber hinaus habe "COVID Auswirkungen auf das Leben der Kinder jenseits der eigentlichen Krankheit: Shutdowns, Quarantäne, Schulschließungen", sagt Talaat. Die psychische und körperliche Entwicklung der Kinder habe nach fast zwei Jahren Corona-Ausnahmezustand fast überall auf der Welt schwer gelitten: "Die beste Möglichkeit, ihr Leben wieder in normale Bahnen zu bringen, ist die Impfung."
Damit könnte auch der Wunsch der zehnjährigen Maja in Erfüllung gehen, endlich wieder ihre Freundinnen zu einer Übernachtungs-Party einzuladen.