Corona kann den Börsenboom nicht stoppen
1. April 2021An der Börse ist es still geworden. In den großen "Torten", den kreisrunden Computer-Arbeitsplätzen der Händler, sitzt nur vereinzelt jemand. Die anderen Händler wurden ins Homeoffice geschickt. Gäste für Interviews auf das Parkett zu bringen, ist verboten.
Vereinzelt klackern die Anzeigetafeln, wie von Geisterhand verschieben sich kleine schwarze und weiße Plättchen an der Wand und zeigen Aktienkurse an. Längst könnte man das mit digitalen Displays machen, aber hier an der Börse sind die Händler froh, dass die alten Klackerplättchen noch da sind. So hört man wenigstens ein bisschen Aktivität, gerufen und geschrien wird an der Börse schon lange nicht mehr.
Wie lange geht das noch gut?
Die DAX-Tafel an der Stirnseite des Handelssaals zeigt zuverlässig die Veränderung des deutschen Aktienindex an, getrieben von Computern, die weit weg von diesem Gebäude stehen und bedient werden. Der DAX-Graph ist zurzeit meistens eine zuckelige Seitwärtslinie, denn der Index notiert bei über 15.000 Punkten auf nie dagewesenem Niveau. Hier tasten sich die Anleger vorsichtig weiter, stupsen den DAX allenfalls leicht weiter nach oben, während sie sich fragen: "Kann das mit den Rekorden weiter gehen? Ist das alles gut begründet?" Dabei waren die Kurse zu Beginn der Pandemie beispiellos abgestürzt.
Knapp zehn Prozent hat der DAX im ersten Quartal dazu gewonnen, die deutsche Wirtschaft dürfte im selben Zeitraum erneut geschrumpft sein. Corona-Lockdowns und ein immer wieder aufgeschobener Neustart vor allem des Einzelhandels oder der Gastronomie haben die Anleger am Aktienmarkt nicht abgeschreckt. Maske auf und durch, so scheint an der Börse das Motto zu lauten.
Die Hoffnung ruht auf milliardenschweren, bzw. billionenschweren Staatshilfen, die in der Welt locker gemacht werden. In der EU sollen 750 Millarden Euro in den Wiederaufbaufonds Next Generation EU fließen, und US-Präsident Joe Biden will viel Geld in die Infrastruktur investieren. Noch ist kein einziger Cent davon ausgegeben, aber die Hoffnung an der Börse hat das beflügelt.
Das Goldlöckchen-Szenario
Übrigens auch die Spekulation auf höhere Preise, auf einen Anstieg der Inflation. Das kann man an den Zinsen ablesen, die an den Anleihemärkten gestiegen ist. Amerikanische Staatsanleihen (10-jährige Treasury Bonds) haben mittlerweile wieder eine Rendite von fast zwei Prozent. Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass die Notenbank die Bremse anzieht. Der Chef der Federal Reserve Chef hat mehrmals in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass die Notenbanker bereit seien, einen Anstieg der Verbraucherpreise von bis zu 2,4 Prozent zu tolerieren. Auf absehbare Zeit also lässt die Fed den Leitzins niedrig, bei 0 bis 0,25 Prozent, und sie wird weiterhin Anleihen an den Märkten einkaufen, jeden Monat für rund 120 Millarden Dollar. Das ist die Gelddruckmaschine, die die Märkte am Laufen hält.
Steigende Preise sind gut für Unternehmen, die gleichzeitig nicht damit rechnen müssen, dass Kredite teurer werden. Auch in der Eurozone setzt die EZB auf eine weiterhin großzügige Geldpolitik. Sie füttert damit das sogenannte Goldlöckchen-Szenario, ein Umfeld niedriger Zinsen, moderater Inflation und moderatem Wachstum. Das Mädchen mit den Goldlöckchen hat an der Börse zwar noch niemand gesehen, es würde wegen der Corona-Maßnahmen auch gar nicht reingelassen. Es reicht schon, dass das Goldlöckchen durch die Köpfe geistert.