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Corona und Deutschland: Öffnungs-Sehnsucht und nächste Welle

23. Februar 2021

Die Deutschen sehnen sich nach Lockerungen in der Pandemie. Doch die Infektions-Zahlen sind weiter hoch. Die Kanzlerin schlägt einen Stufenplan vor. Ein Land zwischen Baum und Borke.

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Angela Merkel I Kabinettssitzung in Berlin
Bild: Michael Sohn/AP/picture alliance

Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß natürlich, dass die Menschen in Deutschland keine Lust mehr auf die Corona-Beschränkungen haben, auf geschlossene Restaurants und Geschäfte, auf die Beschränkung ihrer Kontakte. "Es gibt eine berechtigte Sehnsucht nach einer Öffnungs-Strategie", soll Merkel am Montag bei einer Sitzung von CDU-Parteigremien gesagt haben.

In Stufen raus aus den Beschränkungen?

Der Kanzlerin schwebt deshalb ein Stufenplan für Lockerungen vor: Nachdem in vielen Bundesländern an diesem Montag Kitas und Schulen wieder öffneten, sollen demnächst auch Berufsschulen ihre Tore wieder öffnen. Und, von vielen Menschen sehnlichst erwartet: Die Kontakt-Beschränkungen könnten dann gelockert werden. Derzeit sind Treffen außerhalb der Familie nur mit einer weiteren Person gestattet. In weiteren Schritten könnten dann Kultureinrichtungen und Restaurants wieder öffnen, auch Sport in Gruppen im Freien könnte dann wieder erlaubt sein. Alles im Abstand von einigen Wochen ab Anfang März. Könnte.

Auf der Rheinufer-Promenade in Düsseldorf am Sonntag, dem 20.2.2021: Trotz Corona-Lockdowns gehen viele Menschen bei Sonnenschein spazieren.
Ein Freudenfest für das Corona-Virus? Am Rhein in Düsseldorf am vergangenen SonntagBild: Jonas Güttler/dpa/picture alliance

Denn kaum war Merkels Stufenplan publik, gab es wieder jede Menge schlechte Nachrichten in Sachen Virus. Viele Politiker reagierten geschockt und aufgebracht auf die Bilder vom Wochenende, als bei frühlingshaften Temperaturen und viel Sonne die Deutschen in Massen ins Freie aufbrachen. Ob an der Hamburger Alster, in den Parks in Berlin oder in München, überall das gleiche Bild: An improvisierten Ständen konnten sich die Menschen mit Getränken versorgen, von Abstand oftmals keine Spur, längst nicht alle trugen Masken. Ein Freudenfest für das Corona-Virus, kommentierten manche Beobachter. Experten sagen zwar schon seit vielen Monaten, eine Ansteckung im Freien sei sehr viel unwahrscheinlicher als in geschlossenen Räumen. Die Menschenmassen zeigen so oder so: viele Menschen hierzulande scheinen einfach genug zu haben von den Beschränkungen.

Kanzerlamtschef bleibt skeptisch

Am Abend schüttete dann auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) Wasser in den Wein: Die aktuellen Zahlen böten überhaupt keinen Anlass zu Optimismus. Und der Fraktionschef der CDU im Bundestag, Ralph Brinkhaus, sagte am Abend in der ARD: "Eins wäre sehr, sehr schlecht: Wenn wir jetzt lockern und dann in drei oder vier Wochen wieder den Schritt zurück machen müssen." Die Politik: Getrieben von der Sehnsucht der Menschen und der Sorge vor einer nächsten Welle.

Deutschland Virologe Christian Drosten, Professor an der Berliner Charité, am 13.2 2020 in Berlin..
Virologe Christian Drosten: "Wir müssen jetzt schnell in der Breite impfen"Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Denn die, sagen viele Experten, ist längst da: Trotz des Lockdowns, trotz geschlossener Restaurants, Kinos und Theater stagnieren die Infektions-Zahlen auch Anfang der Woche und sinken nicht mehr. Schuld ist ganz offenbar die so genannte britische Mutation des Virus, die wesentlich ansteckender ist und auch in Deutschland schon rund ein Viertel der neuen Infektionen ausmacht. Ohnehin geht auch Merkels Stufenplan - wie ähnliche Überlegungen in einzelnen Bundesländern auch - davon aus, dass erst dann vorsichtig gelockert wird, wenn sich innerhalb von sieben Tagen nicht mehr als 35 Menschen unter 100.000 neu mit dem Virus anstecken. Derzeit liegt dieser Wert im ganzen Land bei 60,5.

Linke: "Endlich kommt die Regierung mit einem Plan."

Entspannung ist also gar nicht in Sicht. Trotzdem will Kanzleramtschef Helge Braun mit Ländervertretern ab Dienstag aus den diversen Stufenplänen ein einheitliches Papier zusammenschreiben, dass Merkel dann mit den Ministerpräsidenten am 3. März, also Mitte nächster Woche, beraten soll. Immerhin, so findet der Bundestagsabgeordnete der Linken, Jan Korte, kommt die Regierung so mal weg von der ewigen Abfolge, entweder alles zu schließen oder alles zu öffnen. Korte sagte am Dienstag: "Es ist zu begrüßen, wenn jemand in der Bundesregierung einmal rechtzeitig etwas plant in der Corona-Krise und nicht bloß reagiert. Ich erwarte aber, dass weder die Bundesregierung noch die Länder hier alleine handeln, sondern dass es ein mit dem Bundestag und den Länderparlamenten diskutiertes und abgestimmtes gemeinsames Vorgehen gibt."

Ältere Menschen werden im Impf-Zentrum auf dem Berliner Messegelände geimpft
Das Impfen verläuft in Deutschland schleppend, hier auf dem Messegelände in BerlinBild: Sean Gallup/Getty Images Europe/dpa/picture alliance

Öffnungssehnsucht hier, Experten-Sorge dort: Erste Virologen sollen sich auch in Deutschland intern dafür ausgesprochen haben, so viele Menschen wie möglich mit allen verfügbaren Impfstoffen mit einer ersten Dosis zu versorgen. So, wie es die Regierung in Großbritannien getan hat, die jetzt ankündigte, bis zum Juni alle Corona-Beschränkungen aufzuheben. Deutschland hält sich dagegen bislang an den Plan, zunächst besonders gefährdete Gruppen wie alte Menschen in Heimen, ihr Pflegepersonal und Ärzte komplett zu versorgen, also mit beiden Impfdosen.

Mittlerweile 3,4 Millionen Menschen in Deutschland geimpft.

Und fast schon flehentlich appelliert der bekannte Virologe Christan Drosten, Professor an der Charité in Berlin, auch den in Verruf geratenen Impfstoff des britisch-schwedischen Hersteller AstraZeneca nicht abzulehnen. Ihm stehen viele Menschen nach Berichten über heftige Nebenwirkungen skeptisch gegenüber. In seinem viel beachteten Podcast beim "Norddeutschen Rundfunk" (NDR) sagte Drosten jetzt: "Wir müssen alles dransetzen, jetzt so schnell wie möglich in der Breite zu impfen. Die Impfstoffe, die wir haben, die sind extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf."

Aber gerade wegen des schlechten Images des AstraZeneca-Impfstoffes stockt die Impfkampagne in Deutschland immer noch. Am Dienstag meldete das zuständige Robert-Koch-Institut, dass 3,4 Millionen Menschen mittlerweile geimpft sind, in Großbritannien sind es 15 Millionen, wenn auch vorrangig mit der ersten Dosis.