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Corona: Wo kommen jetzt die Erntehelfer her?

18. März 2020

Deutsche Bauernhöfe sind auf Erntehelfer angewiesen, die meist aus Osteuropa kommen. Wegen des Coronavirus werden in diesem Jahr wohl viele Saisonarbeiter fehlen. Ist die Ernte in Gefahr?

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Deutschland Spargelstechen in Köln
Saisonarbeiter stechen Spargel unter einer Schutzfolie auf einem Feld bei KölnBild: Imago/R. Unkel

Wenn Menschen Konservendosen und Klopapier hamstern und Restaurants zunehmend schließen, ist jedes Reden über die Lebensmittelversorgung immer auch Krisenkommunikation.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, will vor allem beruhigen, wenn er sagt: "Wir Bauern werden auch in Zeiten des Coronavirus weiter die Bevölkerung mit sicheren und hochwertigen Lebensmitteln versorgen können." Grundnahrungsmittel wie Getreide, Kartoffeln, Obst und Gemüse werde es "weiterhin in ausreichender Menge geben", so Rukwied.

Gleichzeitig weisen die deutschen Bauern aber auf einen drohenden Engpass hin. Jedes Jahr beschäftigen sie rund 300.000 Saisonarbeiter, die bei der Ernte helfen. Die meisten dieser Helfer kommen aus Osteuropa, ein Großteil aus Rumänien. Wegen des Coronavirus werden in diesem Jahr wahrscheinlich viele von ihnen zu Hause bleiben müssen.

Spargelstecher gesucht

Beim Spargel ist das Problem bereits akut, sagt Andreas Köhr, Sprecher des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd. In der Region Rheinhessen südwestlich von Frankfurt am Main beginne die Spargelernte in ein paar Tagen, einige frühe Betriebe hätten bereits mit dem Spargelstechen begonnen. Traditionell geht die Spargelsaison bis zum Johannistag am 24. Juni.

"Bei uns gibt es Betriebe, die haben 100-120 Saisonarbeiter angefordert, gekommen ist aber nur eine einstellige Zahl von Personen", so Köhr zur DW.

Manche Saisonarbeiter kommen nicht nach Deutschland, weil sie Angst haben, sich hier mit dem Virus anzustecken. In Deutschland gibt es derzeit rund 10.000 Infizierte, in Rumänien erst 250 (Stand 18.03., 15 Uhr). "Manche fürchten auch, dass sie nach ihrer Rückkehr in Quarantäne müssen oder Einreisebeschränkungen unterliegen", so Köhr.

Wer trotzdem zur Spargelernte anreisen möchte, hat wegen der vielen Grenzschließungen oft Probleme, ins Land zu kommen. "Rumänen wird an der Grenze zu Ungarn wohl oft die Einreise verweigert", sagt Verbandssprecher Köhr.

Geschlossene Grenzen

Die Bundesregierung hat wegen des Coronavirus bisher Grenzen in westliche, südliche und nördliche Nachbarstaaten geschlossen, nicht aber nach Osten. Zahlreiche landwirtschaftliche Interessenverbände haben die Bundesregierung nun aufgefordert, "die Anreise der ausländischen Saisonarbeitskräfte sicherzustellen", wie es beim Deutschen Bauernverband heißt.

Dazu gehört, Länder wie Ungarn zu überzeugen, die Durchreise zu erlauben. Derzeit diskutierte Lösungsvorschläge reichen von Sondergenehmigungen über begleitete Busreisen bis hin zur Idee, die Erntehelfer einzufliegen.

Doch selbst wenn hier Lösungen gefunden werden gehen die Bauernverbände davon aus, dass der Bedarf von knapp 300.000 Saisonarbeitern in diesem Jahr nicht gedeckt werden kann.

BdTD Deutschland Spargelernte
Die Spargelernte ist nur der Anfang. Pro Jahr arbeiten auf deutschen Feldern rund 300.000 SaisonarbeiterBild: Getty Images/AFP/I. Fassbender

Vorschriften lockern

Deshalb fordern die Bauern und andere Verbände von der Politik nun flexiblere Regelungen, "um dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können".

Längere Arbeitszeiten finden sich in dem Forderungskatalog ebenso wie die Verlängerung der Höchstdauer der Beschäftigung. Mit anderen Worten: Weniger Menschen sollen länger arbeiten dürfen, um die Ernte einzubringen.

Außerdem soll es Arbeitslosen, Asylbewerbern und Rentnern leichter gemacht werden, sich etwas hinzu zu verdienen. Ebenfalls gewünscht ist "eine Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, um Zusammenarbeit zwischen Betrieben zu erleichtern", so der Bauernverband.

"Es gibt auch schon Spargelbetriebe, die Kontakt aufgenommen haben zur Gastronomie oder zu Reinigungsfirmen, um dort Arbeitskräfte für die eigenen Betriebe zu gewinnen", sagt Andreas Köhr vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd.

BdT Deutschland Erdbeerenernte
Auch bei der Erdbeerernte, hier in der Nähe von Regensburg, geht ohne Saisonarbeiter nichtsBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Landwirtschaft als Alternative?

Für einige wäre die Arbeit als Erntehelfer vielleicht eine willkommene Verdienstmöglichkeit, denn in vielen Branchen, insbesondere der Gastronomie, bricht wegen des Coronavirus das Geschäft ein.

Allerdings gibt es einen Grund, warum die Arbeit als Erntehelfer vor allem von osteuropäischen Saisonarbeitern erledigt wird: Sie ist körperlich anstrengend und wird nur gering bezahlt, normalerweise mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde.

Allerdings werden nicht nur Spargelstecher benötigt, sagt Köhr, sondern auch Menschen, die die Spargel dann sortieren und zu den Verkaufsstellen bringen.

Wie viele Erntehelfer in diesem Jahr fehlen werden, ist derzeit nicht seriös abzuschätzen, betont der Deutsche Bauernverband. Das hänge ganz davon ab, wie sich die Pandemie entwickelt.

Die Arbeit auf dem Bauernhof werde nicht weniger, nur weil der Rest der Welt seine Aktivität herunterfährt. Und auch Bauern können sich mit dem Coronavirus infizieren. "Landwirtschaftliche Betriebe sollten klären, wie sie ihre Tiere bzw. Pflanzen weiter versorgen, wenn Betriebsleiter, Familienarbeitskräfte oder Mitarbeiter ausfallen", rät der Bauernverband. 

Außerdem weist er auf die Webseite saisonarbeit-in-deutschland.de hin. Interessierte und Hilfswillige können hier sehen, wo Erntehelfer gebraucht werden, Bauern können Jobs ausschreiben.

 

 

Der Bericht wurde am 20.03.2020 aktualisiert.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.