Dünne Luft für Oppositionelle
20. Februar 2015Nun sitzt auch der wichtigste Vertreter der venezolanischen Opposition, der Bürgermeister von Caracas Antonio Ledezma, in Haft. Beamte des nationalen Geheimdienstes nahmen ihn in seiner Wohnung fest. Nach Aussagen von Ledezmas Ehefrau sollen sie ihn dabei geschlagen haben. Eine venezolanische Nachrichtenseite verbreitete Fotos von zerschlagenem Glas sowie Aufnahmen einer Überwachungskamera, die die Festnahme zeigen sollen, im sozialen Netzwerk Twitter.
Staatschef Nicolás Maduro warf Ledezma in einer Fernsehansprache vor, an einem Putschversuch beteiligt gewesen zu sein. Der Bürgermeister hatte vor wenigen Tagen eine Resolution unterschrieben, in der eine nationale Übereinkunft über eine Übergangsregierung gefordert wird. Auch andere führende Oppositionelle hatten das Dokument unterzeichnet. Ob die Festnahme Ledezmas legal war, ist für Außenstehende schwierig einzuschätzen, sagt Wolfgang Muno, Professor für internationale Politik an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen: "Die Putschvorwürfe seitens Maduro könnten erfunden sein, es ist aber auch nicht auszuschließen, dass es eine Verschwörung gab."
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hingegen sieht den Fall um einiges klarer. Es sei eine "willkürliche" Festnahme. "Ohne konkrete Beweise für eine Straftat darf Ledezma nicht festgenommen werden. Er sollte sofort wieder freigelassen werden", sagte der Direktor von Human Rights Watch in Amerika, José Miguel Vivanco. Die venezolanische Abgeordnete María Corina Machado, die das besagte Dokument ebenfalls unterschrieben hat, spricht gar von einer "Entführung" Ledezmas, die ein "verzweifelter Akt der Diktatur" und gegen die Demokratie sei.
43 Tote bei Protesten im vergangenen Jahr
Menschenrechtsorganisationen weisen immer wieder auf die sich zuspitzende Lage in dem südamerikanischen Land hin. Vergangenes Jahr waren Oppositionelle wochenlang auf die Straße gegangen, um gegen die Führung zu protestieren. Bei den Protesten wurden 43 Menschen getötet. Fast täglich kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen, bei denen Steine und Molotowcocktails flogen und von Seiten der Polizei und des Militärs Wasserwerfer und Gummigeschosse eingsetzt wurden. Als Reaktion darauf verkündete Maduro Ende Januar, dass Soldaten in Zukunft auch im Inland von Schusswaffen Gebrauch machen dürfen, sofern ihr Leben bedroht sei.
"Wir haben festgestellt, dass die Sicherheitskräfte die Rechte vieler Menschen immer wieder missachten. Ihr Vorgehen entspricht nicht den internationalen Standards", sagt María Esperanza Hermida von der venezolanischen Menschenrechtsorganisation PROVEA. Die Organisation dokumentiert die Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte seit Beginn der Proteste. "Wir mussten feststellen, dass repressive Vorgehensweisen immer öfter genutzt werden."
"Venzuelas Justiz ist nicht unabhängig"
Dass der Festnahme Antonio Ledezmas nun ein gerechtes juristisches Verfahren folgt, bezweifeln viele. "Die Justiz wird kontrolliert und ist alles andere als unabhängig, daher wäre so etwas wie ein fairer Prozess eine riesige Überraschung“, sagt Politikwissenschaftler Muno. Als bestes Beispiel dafür, wie man in Venezuela mit Oppositionellen umgeht, dient Leopoldo López. Er sitzt mittlerweile seit einem Jahr in Haft. Ihm wird vorgeworfen, zur Rebellion und Gewalt bei den Protesten im Vorjahr angestachelt zu haben. Er selbst weist alle Vorwürfe von sich. Selbst die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen forderte bereits die umgehende Freilassung López'. Das Angebot der Regierung, López aus der Haft zu entlassen, wenn er aus Venezuela ausreise, lehnte dieser ab.
Venezuela befindet sich aktuell nicht nur in einer politischen, sondern auch in einer wirtschaftlichen Krise. Die Preise für Lebensmittel steigen kontinuierlich, ebenso die Inflationsrate. Da das Land fast ausschließlich vom Ölexport lebt und der Preis für Erdöl derzeit auf einem historischen Tief ist, fehlt das Geld für den Import wichtiger Grundnahrungsmittel sowie zahlreicher anderer Produkte.
Nach der Festnahme Antonio Ledezmas gab es in Caracas zahlreiche Proteste von Regierungskritikern. Die Menschen schlugen auf Kochtöpfe und veranstalteten Hupkonzerte auf den Straßen. Auch vor dem Sitz des venezolanischen Geheimdienstes versammelten sich Menschen, um ihrer Wut Luft zu machen. Über seine Frau verschickt der inhaftierte Bürgermeister Nachrichten an seine Anhänger: "Die Demokratie können wir nur auf der Straße zurückgewinnen."