Darf die EZB Staatsanleihen kaufen?
13. Januar 2015"ECB is ready to do, whatever it takes, to preserve the euro." Dieser inzwischen legendäre Satz des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi am 26. Juli 2012 wirkte mehr als die ganze Rettungspolitik der Eurozone in den zwei Jahren davor. Die EZB sei also bereit, zu tun, was immer nötig sein wird, um den Euro zu schützen, schwor der EZB-Chef. Vor allem die drei Wörter "whatever it takes" beeindruckten Investoren wie Spekulanten dermaßen, dass alle Zweifel am Euro ausgeräumt wurden und alle Angriffe auf die Gemeinschaftswährung schlagartig aufhörten. Kein Wunder - schließlich deutete Draghi an, dass die Notenbank notfalls alle Staatsanleihen der Euroländer aufkaufen würde, sofern sie auf dem Markt keine Abnehmer fänden.
Der Haken dabei war, dass diese Aussage nicht mit dem EZB-Rat abgesprochen wurde. Vor allem Bundesbank-Chef Jens Weidmann hätte den Satz so nicht unterschrieben. Er sieht in einem Anleihekauf die Grenze der verbotenen Staatsfinanzierung überschritten. So stimmte Weidmann Anfang September 2012 auch konsequent gegen das OMT(Outright Monetary Transactions)-Programm, das die Modalitäten für den Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer regelt.
Mandat überschritten?
Einige deutsche Politiker und Ökonomen zogen gegen das EZB-Vorhaben vor das Bundesverfassungsgericht. Darunter der CSU-Politiker Peter Gauweiler: "Die Europäische Zentralbank war nicht berechtigt, anzubieten, dass sie auf den Märkten Staatsanleihen anderer Staaten, die sonst niemand mehr kauft, in jedem Fall erwerben würde", sagte er am 11. Juni 2013 gegenüber einer österreichischen Zeitung am Rande einer Anhörung des obersten deutschen Gerichts. Sie hätte damit die Anteilseigner der Europäischen Zentralbank, also zu fast einem Drittel die deutschen Steuerzahler, in Haftung genommen, ohne dafür ein Mandat zu haben, so Gauweiler weiter. Die Kläger sehen das Haushaltsrecht des Bundestages durch das OMT-Programm gefährdet, da es den deutschen Steuerzahlern hohe Risiken aufbürdet.
Das Urteil der Verfassungsrichter wurde mit Spannung erwartet. Zwar wäre es nicht bindend für die EZB, doch könnte das Gericht die Bundesbank zwingen, aus dem EZB-Programm auszusteigen. Das könnte das Ende des Euro bedeuten. Diese Last wurde den Richtern doch zu schwer, auch wenn sie keinen Hehl aus ihrem Zweifel an der Rechtmäßigkeit des EZB-Plans machten. Im Februar 2014 überwiesen sie den Fall an den Europäischen Gerichtshof, zum ersten Mal in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, ohne das Recht auf ein Urteil aus der Hand zu geben.
Kommt EuGH zu einem anderen Schluss?
Seitdem prüft das Luxemburger Gericht, ob der Beschluss der Europäischen Zentralbank über den unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen mit dem EU-Recht vereinbar ist. Am 14. Januar wird der Generalanwalt beim EuGH sein Votum dazu vorlegen, dem das Gericht in der Regel folgt. Sagt das Gericht "Nein" zu dem Programm, drohen Turbulenzen an den Finanzmärkten, die die EZB-Maßnahme längst eingepreist haben. Schließlich schürt Mario Draghi persönlich diese Erwartung seit Monaten.
Die meisten Experten gehen jedoch davon aus, dass die Luxemburger Richter das umstrittene OMT-Programm durchwinken werden. "In der Vergangenheit hatte der EuGH die Tendenz, den Einfluss der EU-Entscheidungsträger auszudehnen", schreibt UniCredit-Volkswirt Andreas Rees. Ein Urteil wird sehr wahrscheinlich noch im Laufe des Jahres gefällt.
Draghi macht Justiz zur Farce
Rücksicht auf das Gericht nehmen wird Mario Draghi allerdings nicht. Die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone läuft schleppend. Zuletzt ist die Inflationsrate auch noch unter Null gefallen. Das Deflationsgespenst geht um. Deshalb rechnen viele Ökonomen damit, dass der EZB-Rat bereits auf seiner nächsten Zinssitzung am 22. Januar den großangelegten Kauf von Staatsanleihen verkünden wird - notfalls gegen den Willen der Bundesbank. Durch die große Menge des frisch gedruckten Geldes könnte die Wirtschaft endlich anspringen und damit auch die Inflation, so die Hoffnung der Europäischen Zentralbank.
Die EZB prüft Insidern zufolge mehrere Strategien für ein Anleihekaufprogramm. Eine davon könnte so aussehen, dass nur ein Teil der damit verknüpften Risiken vergemeinschaftet würde. Weitere Aufkäufe könnten dann den nationalen Notenbanken überlassen werden. So würden auch Bedenken der Bundesbank gegen ein solches Programm berücksichtigt. Dann könnte die deutsche Notenbank ihren Widerstand aufgeben, und auch das Bundesverfassungsgericht könnte dann ein mildes Urteil fällen, falls es, vor eine vollendete Tatsache gestellt, überhaupt noch urteilen wird.