Deutsch-amerikanische Beziehungen
13. Juli 2014Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Vereinigten Staaten für Deutschland zum Retter in der Not. Deutschland lag wirtschaftlich, kulturell und moralisch am Boden. Es war auf Hilfe angewiesen und bekam sie von den USA. Statt Deutschland zu zerstückeln und in einen reinen Agrarstaat umzuwandeln, wie der 1944 amtierende US-Finanzminister Henry Morgenthau es vorschlug, entschied die Regierung, den besiegten Kriegsgegner - zusammen mit anderen notleidenden Staaten Europas - wirtschaftlich wiederaufzubauen. Deutschland sollte ökonomisch und politisch wieder integriert werden und zur Stabilität in Europa beitragen. Der Marshall-Plan der USA umfasste ein Hilfe von insgesamt mehr als 12 Milliarden US-Dollar. Aus den Besatzern wurden Freunde.
Der große Bruder Amerika
Verstärkt wurde dieses positive Bild durch die Hilfe der USA während der Berlin-Blockade. Die Stadt, die im sowjetischen Besatzungsbereich lag, hatten die Alliierten nach Kriegsende in vier Zonen unterteilt und dem jeweiligen Kommando von Sowjets, Amerikanern, Briten und Franzosen unterstellt. Nachdem die drei Westalliierten im Juni 1948 in ihrem Bereich eine Währungsreform durchgeführt und die nahezu wertlose Reichsmark durch die Deutsche Mark ersetzt hatten, schnitten die Sowjets den Westteil der Stadt von der Versorgung ab. Wenige Tage später begannen Amerikaner und Engländer mit Hilfslieferungen über die bestehenden Luftkorridore. Ein Jahr lang versorgten die sogenannten Rosinenbomber die Berliner Bevölkerung, bis die Sowjets die Blockade im Mai 1949 aufhoben.
Neben dieser praktischen Überlebenshilfe ist den Deutschen auch eine große symbolische Geste in Erinnerung: der Besuch des einstigen US-Präsidenten John F. Kennedy 1963 in Berlin. Zwei Jahre nach dem Bau der Mauer hielt er vor dem Rathaus Schöneberg eine historische Rede und drückte seine Solidarität mit den Bewohnern der Enklave Westberlin in dem berühmten Satz aus: "Ich bin ein Berliner." Auf gesellschaftlicher Ebene spielten die USA schon seit den 1950er Jahren mit Rock 'n' Roll-Musik und Filmidolen wie James Dean eine Vorbildrolle für deutsche Jugendliche. Die Beliebtheit Amerikas war in Deutschland auf ihrem Höhepunkt.
Der hässliche Krieg in Vietnam
In den folgenden Jahren wandelte sich diese Stimmung. Als Berichte vom Kriegseinsatz der USA in Vietnam veröffentlicht wurden - dem ersten Krieg, den das Fernsehen quasi in die Wohnzimmer übertrug -, gab es Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre Protestwellen in ganz Deutschland. Besonders stark war die Empörung, als Bilder den Einsatz von Napalm-Brandbomben und Entlaubungsmitteln zeigten. Der Vietnamkrieg brachte vor allem die Jugend gegen die USA auf, sagt Udo Hebel, Professor für Amerikastudien in Regensburg: "In den Fünfzigern war Amerika als Identifikationsfolie gegen die verstaubte Gesellschaft der Bundesrepublik sehr positiv besetzt. In den sechziger Jahren änderte sich das, da stellten die Deutschen sich gegen das hässliche Gesicht der USA." Gleichzeitig hätten die positiven Vorstellungen von Amerika weitergelebt. "Das ergibt ein stets paradoxes Bild", resümiert der Amerikanist im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Angst vor dem übermächtigen Partner
Auch der NATO-Doppelbeschluss von 1979, der unter anderem die Stationierung einer neuen Generation von US-amerikanischen Raketen und Marschflugkörpern vorsah, verstärkte in Deutschland die antiamerikanische Stimmung. Nach Einschätzung von Udo Hebel fürchteten nach dem Beschluss viele Deutsche, "in die Zeit der späten Vierziger und Fünfziger mit der Lagerbildung des Kalten Krieges zurückzufallen." Das habe alte Stereotypien von den USA als imperialistischer und materialistischer Staat hervorgebracht. Außerdem hätten viele Deutsche eine tiefsitzende Angst, dass die USA übermächtig werden.
Ein historischer Einschnitt, der Deutschland und Amerika wieder zusammenrücken ließ, waren die verheerenden Al-Kaida Anschläge in New York und Washington am 11. September 2001. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder versprach den Vereinigten Staaten "uneingeschränkte Solidarität". Außerdem beteiligte sich Deutschland an der einen Monat später von den USA begonnenen Militäroperation "Enduring Freedom" gegen das Taliban-Regime und Al-Kaida-Lager in Afghanistan. Kurz darauf trübte sich das Verhältnis aber wieder deutlich: Ausgerechnet Kanzler Schröder verweigerte US-Präsident George W. Bush die Gefolgschaft, als er 2003 eine von US-Truppen geführte Allianz im Irak einmarschieren ließ.
Der Streit ist nie dauerhaft
Den aktuellen Streit um die Abhörmaßnahmen der US-Geheimdienste und deren Zusammenarbeit mit deutschen Informanten betrachtet Amerikanist Hebel als sehr gravierend. Die Bundesregierung hat den obersten Vertreter der US-Geheimdienste in Berlin aufgefordert, das Land zu verlassen - das gab es noch nie im Verhältnis Berlin-Washington. Aber selbst wenn die Kanzlerin sich jetzt zu Recht empört zeige, sei das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht dauerhaft beschädigt, glaubt Hebel. Die Beziehungen der beiden Länder hätten sich - von der politischen Großwetterlage abgesehen - nie über lange Zeit wesentlich verschlechtert, sondern seien immer besser geworden. Bestes Beispiel seien die starke wirtschaftliche Vernetzung und der kulturelle Austausch. "Es ist wichtig zu sehen, dass es eben eine Geschichte von Ups und Downs ist, und das heißt, es kann aus der augenblicklichen Delle wieder nach oben gehen."