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Das Ende der Plastiktüte?

Tim Schauenberg
6. September 2019

Das deutsche Bundesumweltministerium will ab 2020 Plastiktüten verbieten. Ausnahmen gibt es allerdings für dünne und dickere Tüten. Einzelhandel und Umweltschützer sind nicht überzeugt. Andere Länder sind viel weiter.

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Düsseldorf | Karstadt Kaufhof verabschiedet sich von Plastiktüten
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Wenn es nach der deutschen Bundesumweltministerin Svenja Schulze geht, werden ab kommendem Jahr keine Plastiktüten mehr über die Ladentheke gehen. "Die Zeit ist reif für ein Plastiktütenverbot", sagte Schulze in Berlin. "Es geht auch ohne die Plastiktüte beim Einkauf. Immer mehr Menschen gewöhnen sich daran, Mehrwegbeutel dabei zu haben."

Schulzes Bundesumweltministerium hat nun einen Gesetzentwurf vorgelegt, der bestimmte Plastiktüten verbieten wird. "Momentan liegen wir bei etwa 20 Plastiktüten pro Kopf und Jahr, die noch übrig bleiben. Mit einem Verbot kommen wir jetzt auf Null." Das sei ein erster Schritt, so die Ministerin weiter.

Deutschland | Bundesumweltministerin Svenja Schulze
Hat Plastiktüten den Kampf angesagt. Ihr Gesetzesentwurf stößt aber auch auf Kritik.Bild: Imago Images/photothek/J. Schmitz

Für den Verstoß gegen das Verbot können Händler mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro belegt werden.

Bereits in den vergangenen Jahren war der Verbrauch von Plastiktragetaschen zurückgegangen, nachdem Kunden für Tüten zur Kasse gebeten wurden - auf insgesamt zwei Milliarden Tüten in 2018. Im Jahr 2000 waren es noch 7 Milliarden.

Nun ist es ganz aus für die Tüten - zumindest für einige. Dickere Mehrwegtaschen sind von dem Verbot ausgenommen, ebenso dünnere Tüten für Obst und Gemüse. Das Ministerium befürchtet, mit einem Verbot der sogenannten dünnen "Hemdchenbeutel" würde die Industrie Obst und Gemüse bereits vorverpacken – dadurch würde noch mehr Plastikmüll entstehen. Deshalb seien die dünnen Tütchen weiterhin erlaubt.

Plastiktüte Supermarkt
Dünne Tütchen für Obst und Gemüse bleiben - in Deutschland wurden davon 2018 rund 3 Milliarden Stück verbrauchtBild: Benjamin Nolte/dpa/picture-alliance

"Das Gesetz greift zu kurz", kritisiert Rolf Buschmann, Experte für Abfall und Ressourcen beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). "Das Verbot fördert die Nutzung von Ersatzprodukten. Man braucht eine Gebühr für alle Einwegtragetaschen, sonst befindet sich das Gesetz im aktionistischen Rahmen und hilft nicht viel", sagte er der DW.

Aus auch für "Bio"-Taschen

Schulz sagte indes, ihr sei es ernst mit dem Ausstieg aus der Wegwerfgesellschaft. Deshalb sollen auch bio-basierte und bio-abbaubare Kunststofftragetaschen aus den Geschäften verschwinden, da diese mit den Worten der Ministerin eine "große Mogelpackung" und "mehr Plastik als Bio" seien.

Der vorgelegte Gesetzentwurf sei "zunächst erstmal ein gutes Signal für die Abfallvermeidung", so Holger Berg vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie.

Infografik Pastiktütenverbrauch in Deutschland DE

2016 verursachte jeder Deutsche rund 38 Kilogramm Plastikabfall, so der Plastikatlas 2019 der Heinrich Böll Stiftung. Ein Spitzenplatz in der EU. Nur Luxemburg (50,5), Irland (46,2) und Estland (42,2) verbrauchten mehr.   

Gerade einmal 13% Prozent des gesamten deutschen Kunststoffmülls landen in Deutschland auch wirklich wieder in der Kunststoffproduktion. 

"Die Plastiktüten, die in Afrika und Asien oft in der Umwelt landen, sind hier nicht das Problem, weil wir besser sammeln und sortieren " betont Berg. "Das Problem ist, dass wir zu viel Müll produzieren und zu wenig davon wiederverwerten."   

"Einelzne Sorten zu verbieten ist kein Gesamtkonzept," kritisiert Rolf Buschmann vom BUND. "Die Menschen greifen nun auf die Obst- und Gemüsetüten zurück, die umsonst sind. Wir sehen einen Anstieg auf 37 Hemdchentüten pro Person Jahr in 2018. Das ist eine mehr als im vergangenen Jahr."

Aus dem Umweltministerium heißt es dazu, dass der Verbrauch der Hemdchenbeutel nach eigenen Zahlen "im Grunde stabil geblieben" sei.

Mit Unverständnis reagiert der Handelsverband Deutschland (HDE) auf den Gesetzesentwurf der Bundesumweltministerin. 2016 hatte sich die Ministerin mit dem Einzelhandel  auf eine freiwillige Vereinbarung geeinigt: Einige Einzelhändler nahmen Plastiktragetaschen dabei ganz aus dem Handel, andere ließen Kunden für Plastiktüten zahlen. Heute spricht man beim Verband von einem Vertrauensbruch.

 "Die Einzelhändler haben Wort gehalten und die Vereinbarung mit dem Bundesumweltministerium zur Reduzierung von Einwegtragetaschen übererfüllt", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.  Der Handel mit seinen drei Millionen Beschäftigten frage sich, ob man sich auf das Wort der Regierung noch verlassen könne.

Infografik Umgang mit Plastiktüten weltweit DE

Globaler Kampf gegen Plastiktüten

Insgesamt wird geschätzt, dass weltweit 1 bis 5 Billionen Plastiktüten weltweit pro Jahr verbraucht werden. Würden sie zusammengebunden, könnten diese 5 Billionen Plastiktüten eine Fläche bedecken, die doppelt so groß ist wie Frankreich.

Deutschland ist nicht das einzige Land, das den Verbrauch von Plastiktüten und Einwegplastik reduziert bzw. ganz verbietet will.

Der indische Bundesstaat Sikkim war 1998 der Vorreiter des Plastikverbots: Neben Tüten verbot Sikkim auch die Lieferung und den Verkauf von Waren und Materialien in Plastikverpackungen.

China, Kenia, Ruanda oder Südafrika haben Plastiktüten bereits verboten. In den USA gibt es Regelungen auf lokaler Ebene – die Städte San Francisco , Washington D.C. und Los Angeles erheben beispielsweise Abgaben auf Tüten.

In Afrika gibt es die meisten Verbote für die Herstellung und Verwendung von Plastiktüten. Von den 26 afrikanischen Ländern, die bis heute nationale Verbote für Plastiktüten eingeführt haben, wurden mehr als die Hälfte zwischen 2014 und 2017 eingeführt. In Asien und Lateinamerika haben jeweils 14 Länder Restriktionen eingeführt. 

Nach dem Verbot von Plastiktüten in Uganda, Südsudan und Tunesien ist Tansania das jüngste afrikanische Land, das Einwegtüten verboten hat. Das neue Gesetz droht denjenigen, die Plastiktüten verkaufen oder herstellen, mit bis zu zwei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe von 357.000 € . Wer Plastiktüten benutzt, muss mit kleineren Bußgeldern rechnen. Das Verbot beschränkt sich in Tansania nicht nur auf den Import und den Verkauf der Tüten, sondern auch auf die Einfuhr. Touristen müssen Tüten bei der Einreise wegwerfen.

Ende vergangenen Jahres hatten sich auch die 28 Länder der EU darauf geeinigt, ab 2021 Einwegplastik zu verbieten. Der kanadische Premierminister Justin Trudeau sagte, er habe sich direkt von der EU inspirieren lassen, als er im Juni diesen Jahres ein ähnliches Verbot von Einweg-Kunststoffen ankündigte. Das geht sogar noch weiter als die EU-Regelungen. Ab 2021 werden dann auch Plastik-Wasserflaschen verboten. Kanada schätzt, dass Kanadier jährlich rund 15 Milliarden Plastiktüten verwenden. Darüber hinaus würden täglich rund 57 Millionen Plastikstrohhalme benutzt, von denen jedoch weniger als 10% recycelt werden.

Die deutsche Regierung muss dem Gesetzesentwurf noch zustimmen - dann erst wird er dem Bundestag vorgelegt. Das Verbot könnte Anfang 2020 in Kraft treten.