Das Ende einer Ära
10. Juni 2014Eine Ära geht zu Ende in Israel. An diesem Dienstag (10.06.2014) wird der Nachfolger von Staatspräsident Schimon Peres gewählt. Der 90-jährige Peres tritt nicht mehr an. Die Amtszeit des beliebten Präsidenten, dessen Leben und Wirken eng mit dem Staat Israel verknüpft ist, endet zwar erst offiziell am 27. Juli. Im Mahane Yehuda Markt in Jerusalem werden einige Israelis aber schon jetzt nostalgisch. "Er ist ein Staatsmann, und er schafft es, alle Israelis zu repräsentieren", sagt Chen, eine junge Israelin. "Während seiner politischen Laufbahn hat er einige Sachen gemacht, die mir nicht gefallen, aber als Präsident hat er einen guten Job gemacht." Guy, ein anderer Passant, meint: "Peres hat es geschafft, sowohl Israel in der Welt zu vertreten als auch volksnah zu sein." Andere hoffen darauf, dass der nächste Präsident einfach "so wie Peres" sei.
Peres gilt als das diplomatische Gesicht Israels in der Welt. Immer wieder hat er die Rolle des Chefdiplomaten übernommen, hat geschlichtet und vermittelt. Vor allem immer dann, wenn die rechtsorientierte und siedlerfreundliche Regierung unter Benjamin Netanjahu mit neuen Siedlungsplänen die Weltgemeinschaft verstimmte. Es werde nicht einfach werden, in die Fußstapfen von Peres zu treten, meinen politische Beobachter.
Turbulente Präsidentschaftskandidaturen
Zumal schon das Rennen um das Präsidentenamt von Skandalen und politischen Manövern geprägt war, wie israelische Medien kritisieren. Sechs Kandidaten hatten sich ursprünglich beworben. Am Wochenende, drei Tage vor der Wahl, musste einer der aussichtsreicheren Kandidaten der sozialdemokratischen Arbeitspartei, Benjamin Ben-Elieser, von seiner Kandidatur Abschied nehmen. Die Polizei hatte Ben-Elieser am Freitag wegen der Finanzierung einer Luxuswohnung befragt. Ben-Elieser, ein politisches Schwergewicht in Israel, nannte den Zeitpunkt "eine gezieltes Attentat" auf seine Kandidatur. In den israelischen Medien wurde vor allem gespöttelt: Jedem zukünftigen Kandidaten sollte geraten werden, "doch vor einer Kandidatur nachzuschauen, ob er noch Leichen im Keller versteckt habe", schreibt der Kolumnist Nahum Barnea in der Tageszeitung Yedioth Ahronoth. Die übrigen fünf Kandidaten können sich seine Stimmen nun aufteilen.
Der Staatspräsident wird nicht vom Volk, sondern vom Parlament gewählt. Doch noch sind nicht alle Allianzen in der Knesset bekannt, die bis kurz vor der Wahl geschmiedet werden - und die Stimmabgabe ist geheim.
Politische Manöver
Könnten die Israelis direkt wählen, würden rund 30 Prozent den Likud-Politiker Reuven Rivlin als Nachfolger von Peres sehen. Aber auch bei Rivlins Kandidatur lief nicht alles rund. Denn sein Parteikollege Benjamin Netanjahu verweigerte dem langjährigen Weggefährten aus dem Likud zunächst die Unterstützung. Den beiden Politikern wird ein schwieriges Verhältnis nachgesagt. Israelische Medien warfen dem Premierminister dabei einen Zick-Zack-Kurs vor. Erst wollte er eine Verschiebung der Wahl um ein halbes Jahr erreichen, dann das Präsidentenamt ganz abschaffen, berichteten israelische Medien, und schließlich suchte er vergeblich nach einem Alternativkandidaten. Erst als nicht mehr abzuwenden war, dass die Wahl auf den 10. Juni festgelegt wurde, sprach sich Netanjahu für Rivlin aus. Eine Kehrtwende, die für einige hämische Kommentare in der Presse sorgte.
Rivlin ist der Kandidat der Rechten und stammt aus der der alten Garde des Likud. Anders als Peres spricht er sich gegen einen palästinensischen Staat aus. Der 74-Jährige gilt als Nationalist, lehnt die Zwei-Staaten-Lösung ab und befürwortet den Siedlungsbau. Als Knesset-Vorsitzender hatte er allerdings mehrere Male den Kurs von Netanjahus Koalition blockiert. Zum Bruch mit Netanjahu kam es in dessen zweiter Amtszeit. Der Premierminister hatte Rivlin als Parlamentspräsident abgesetzt - ohne Angaben von Gründen.
Nach Einschätzungen von Experten könnte Rivlin die zweite Wahlrunde erreichen, wenn er nicht gar für eine Überraschung sorgt und schon im ersten Durchgang die erforderliche absolute Mehrheit erhält. In einer Stichwahl könnte er auf die ehemalige Parlamentspräsidentin Dalia Itzik treffen. Durch den Rückzug von Ben-Elieser kann die 61-Jährige von dessen Stimmen profitieren. Die frühere Abgeordnete der Arbeitspartei wechselte 2005 in die Kadima-Partei von Ariel Sharon und wurde die erste weibliche Vorsitzende der Knesset. Ebenfalls aus der Knesset kandidiert Meir Shetrit von der Partei Hatnua.
Auch zwei politische Außenseiter gehen ins Rennen: Daliah Dorner, ehemalige Richterin am Obersten Gericht in Israel, und der 73-jährige Wissenschaftler Dan Shechtman, der 2011 mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet worden war. Er will sich für bessere Bildung und eine Stärkung der Wissenschaft einsetzen. Doch auch wenn der Präsident vor allem repräsentative Tätigkeiten ausübt, könnte der Mangel an politischer Erfahrung der beiden Außenseiter hier von Nachteil sein, glauben Beobachter.