Mögliche Papst-Kandidaten
12. März 2013Wieder jemand aus dem alten Europa? Oder erstmals Mut zu einem Papst von einem anderen Kontinent? Der Brasilianer Scherer, der Kolumbianer Salazar Gomez, oder der Ghanaer Turkson beispielsweise? Mögliche Kadidaten gibt es zuhauf. In Kirchen- und Beobachterkreisen ist die Kandidatenkür auch Spekulation über den künftigen Kurs des Heiligen Stuhls.
Hauptwunsch: Jung und Klug
Wünsche gibt es: So legt etwa der Kölner Kardinal Joachim Meisner Wert auf einen Nachfolger von "vitaler Gesundheit". Dieser sollte um die 70 Jahre alt, klug und gebildet sein wie Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. Meisners Ideal wäre eine "Mischung aus Wojtyla und Ratzinger". Meisners Berliner Amtsbruder Rainer Maria Woelki positioniert sich im Vorfeld des Konklaves ebenfalls: Es sei "nicht verkehrt", wenn ein neuer Papst zwischen Mitte 60 und Anfang 70 Jahre alt wäre. Er sollte ein Herz für die Menschen haben und sie sprachlich erreichen. Der Erzbischof der deutschen Hauptstadt ist mit 56 Jahren einer der Jüngsten im polyglotten Kardinalskollegium, das sich in Rom zur Wahl des neuen Papstes versammelt hat. Woelki könnte, wie er sagt, auch mit einem Afrikaner oder Lateinamerikaner gut leben. Es sei ihm "total egal", von welchem Kontinent der künftige Papst kommt.
Meisner, Woelki und weitere Kardinäle und Bischöfe setzen auf einen jungen Papst. Nicht von ungefähr: Im April 2005 wählte das Konklave Kardinal Joseph Ratzinger drei Tage nach dessen 78. Geburtstag. Freilich wirkte der Bayer bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms jünger. Doch acht Jahre später begründet er seinen Rücktritt mit seinen schwindenden Kräften aufgrund des vorgerückten Alters.
Italienische Fraktion stark
Neben dem Alter dominiert eine Grundsatzfrage: Wird der Block der 28 Italiener im Konklave, vielleicht im Bündnis mit konservativen Spaniern und einigen Franzosen, wieder einen Italiener durchsetzen - gar einen Kurialen, also einen Kurienkardinal-, oder Erzbischof "aus dem Apparat"? Oder gibt es - ebenso wie 1978 mit dem Polen Wojtyla und 2005 mit dem Deutschen Ratzinger - erneut einen Papst von außen? Wird noch einmal ein Europäer Papst - oder erstmals ein Vertreter aus einer der "jungen Kirchen" in Afrika, Asien, Lateinamerika? Auch aus deren Reihen kommen gut gebildete, ordentlich vernetzte und mehrsprachig parlierende Repräsentanten. Eine solche Wahl wäre sensationell! Immerhin stagniert in Europa - als einzigem Kontinent - die Zahl der Gläubigen.
Im Kreis der Italiener schaut man auf den Patriarchen von Venedig, denn im 20. Jahrhundert kamen allein drei Päpste aus der Lagunenstadt. Der jetzige Erzbischof ist noch nicht 60 Jahre alt und damit wohl zu jung, außerdem nicht einmal Kardinal. Der erst 2011 von Venedig nach Mailand gewechselte Angelo Scola ist mit 71 offensichtlich im besten Alter. Aber der ein oder andere Augur sieht ihn gesundheitlich angeschlagen. In den Blick gerät auch Gianfranco Ravasi, der "Kulturminister" des Papstes. Er hat sich bewährt im Dialog mit Ungläubigen und Atheisten, ist fein in Gestik und Bildung und wird deshalb gelegentlich verglichen mit dem jungen Ratzinger oder Wojtyla. Doch trotz des großen italienischen Blocks im Konklave - die Wahl eines Italieners liegt nicht unbedingt auf der Hand. Die Bischöfe des Landes sind gespalten in diverse Lager.
Nord- und Südamerikanische Namen
Sollte der Blick der Wahlmänner über die Grenzen Europas hinausgehen, scheint die Wahl eines US-Amerikaners eher unwahrscheinlich. Der Sumpf des Missbrauchsskandals war in kaum einem Land tiefer. Bis heute dauern Aufklärung und Aufarbeitung an. Mag es in den Reihen der Bischöfe und Kardinäle auch beeindruckende Aufklärer geben - die nordamerikanische Kirche hat derzeit weder Kraft noch Ausstrahlung.
Dennoch kommt ein vielversprechender Name aus Nordamerika, der des Kanadiers Marc Ouellet. Der 68-jährige Ordensmann ist Präfekt der wichtigen vatikanischen Bischofskongregation, war also über Jahre ein Bischofsmacher. Damit könnte er Stimmen der nördlichen Hemisphäre, vor allem der englischsprachigen Länder auf sich ziehen. Auch Unterstützung aus Lateinamerika wäre ihm sicher.
Vier weitere Namen kommen aus vier Ländern. Jede dieser Entscheidungen wäre eine Sensation: Dazu zählt der Brasilianer Odilo Pedro Scherer (63), Erzbischof von Sao Paulo, der einmal Jahre im Vatikan arbeitete. Seine Heimat ist längst eines der wichtigsten "katholischen" Länder weltweit und hat die Aura der Befreiungstheologie. Der Kolumbianer Ruben Salazar Gomez (70) hat sich in den letzten Jahren einiges an Renommee erarbeitet und in Bogota vieles an kirchlicher Vernetzung des südamerikanischen Kontinents erreicht. Weitere Südamerikaner ließen sich leicht nennen.
Ein Afrikaner auf dem Heiligen Stuhl?
Kurienkardinal Peter Kodwo Appiah Turkson (64), ein Ghanaer, hat als Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden ein gutes Renommee und genießt Sympathien. Er geht auch auf heikle Missionen. Auch wenn das nicht päpstliches Kerngeschäft ist, erfährt er viel Wertschätzung, was auch an seiner persönlichen Ausstrahlung und der diversen Sprachkenntnisse bis hin zum Deutschen liegen mag. Fest dürfte stehen: Turkson ist der einzige nennenswerte Kandidat aus Afrika.
Der Rücktrittsentschluss Benedikts XVI. lässt - anders etwa als der Tod eines Papstes - mehr Zeit zu Spekulationen und zu informeller Lagerbildung. Eine Folge ist Verunsicherung auf allen Seiten. Denn Benedikts Schritt hat die beängstigende Größe von Amt, Aufgabe und Ansprüchen aufgezeigt. So mag es nach Benedikts Amtsverzicht, bei Beginn des Konklaves, keinen wirklichen Favoriten geben. Doch gilt auch dabei wieder das römische Bonmot "Entrare Papa et uscire Cardinale" - Wer als Papst hineingeht, kommt als Kardinal wieder heraus.