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Der Drohnen-Untersuchungsausschuss

Mathias Bölinger31. Juli 2013

Ein Untersuchungsausschuss soll klären, warum erst nach Jahren und 600 Millionen Euro Kosten fest steht, dass die Drohne Euro Hawk nicht zugelassen werden kann. Es geht um Schuld und Unschuld des Ministers.

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Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) steht 31.07.2013 in Berlin bei der Sitzung des Drohnen-Untersuchungsausschusses des Bundestags (Foto: Michael Kappeler/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn jemand die Rolle von Untersuchungsausschüssen in Deutschland beschreibt, dann wird das Vokabular leicht martialisch. "Schärfstes Schwert der Opposition" werden diese Gremien genannt, weil die Gegner der Regierung sie mit einem Viertel der Stimmen gegen die Mehrheit im Bundestag durchsetzen und Regierungsmitglieder öffentlich vorführen können. Gerne zitiert wird auch der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) mit den Worten, ein Untersuchungsausschuss sei "erstens ein Kampfinstrument, zweitens ein Kampfinstrument, drittens ein Kampfinstrument".

Jetzt wird gerade gekämpft in Deutschland, nämlich um den Wahlsieg im September. Deshalb hat der Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Drohne Euro Hawk trotz parlamentarischer Sommerpause in Hochfrequenz getagt - acht Sitzungen in einem Monat. Das Ziel der Opposition ist es, den Verteidigungsminister möglichst stark zu beschädigen. Die Regierungsparteien müssen diese Attacken abwehren.

Der Minister als Angeklagter

Ein wenig ähnelt ein Untersuchungsausschuss einem Gerichtsprozess. Beweise werden erhoben und Zeugen befragt. Im Drohnen-Ausschuss soll geklärt werden, wie es dazu kommen konnte, dass die Entwicklung der unbemannten Aufklärungsdrohne Euro Hawk Anfang Mai eingestellt wurde. Damals war klar geworden, dass eine Zulassung der Drohne für den regulären Flugbetrieb in absehbarer Zeit nicht realistisch ist - nachdem bereits 600 Millionen Euro investiert worden waren. Einen Angeklagten gibt es offiziell zwar nicht, doch die Frage, um die in Untersuchungsausschüssen meist gerungen wird, ist die Verantwortung des Verteidigungsministers. Der CDU-Politiker Thomas de Maizière gilt als enger Vertrauter der Bundeskanzlerin. Stünde er als Schuldiger an dem Debakel da, würde das die ganze Regierung treffen.

Wie vor Gericht gibt es Zeugen der Anklage, also solche, die die Opposition gerne vernehmen möchte, und Zeugen der Verteidigung, also diejenigen, von denen die Parteifreunde des Ministers glauben, dass sie ihn entlasten könnten. Für das Regierungslager wäre der größte Coup, wenn sie einen Amtsvorgänger aus dem gegnerischen Lager als den eigentlich Schuldigen dastehen lassen könnten.

In diesem Fall hätte das Rudolf Scharping sein können, SPD-Verteidigungsminister von 1998 bis 2002. "Der Euro Hawk wurde von SPD und Grünen auf den Weg gebracht, in die Amtszeit von SPD und Grünen fallen wichtige Entscheidungen", sagte Thomas Grübel, CDU-Vertreter im Ausschuss. Scharping wurde gleich zu Beginn der Untersuchung geladen. Hätten die Regierungsfraktionen ihm nachweisen können, dass das Projekt einen "Geburtsfehler" hat, hätte das den Minister stark entlastet.

Blick von oben auf den Untersuchungsausschuss (Bild: dpa)
Der Ausschuss tagt in den Sitzungssälen des BundestagsBild: picture-alliance/dpa

Doch so einfach machte Scharping es ihnen nicht. "Man kann nicht mehrere Jahre im Amt sein und dann einen Geburtsfehler entdecken", sagte der ehemalige Verteidigungsminister über seinen Nachfolger. Auch der Verteidigungslinie de Maizières, er sei von seinen Mitarbeitern nicht ausreichend informiert worden, widersprach Scharping: "Man muss nachfragen!" Ihm jedenfalls sei das immer gelungen - sei es auf Dienstreisen oder "beim abendlichen Rotwein".

Auch Wolfgang Schneiderhahn, langjähriger Generalinspekteur der Truppe, wollte de Maizières Aussage, Verteidigungsminister würden "traditionell" von ihren Mitarbeitern schlecht informiert, nicht gelten lassen. "Wenn mir etwas unter den Nägeln brannte, dann habe ich mir Vortragszeit beim Minister besorgt", sagte er. Die Opposition erhöhte also schnell den Druck auf den Minister. "De Maizière ist der Problembär dieser Regierung. Es ist die Frage, wie er noch weiter seine Amtsgeschäfte vollziehen will", sagte der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour nach der zweiten Sitzung.

"Holschuld" des Ministers

Wichtigste Zeugin für die Opposition war Angelika Bauch. Sie ist Prüferin beim Bundesrechnungshof und hat als Finanzkontrolleurin die Vorgänge im Ministerium untersucht. Das Verteidigungsministerium habe der Industrie "blauäugig" vertraut, Probleme seien nicht erkannt, Risiken systematisch unterschätzt worden. "Das Controlling hat nicht funktioniert", sagte die Rechnungsprüferin. Und der Minister? De Maizière sei seiner "Holschuld" nicht nachgekommen, sich regelmäßig zu informieren.

Entlastet haben den Minister Mitarbeiter seines Geschäftsbereichs. Staatssekretär Stéphane Beemelmans räumte ein, den Minister nicht rechtzeitig über die Probleme mit der Drohne aufgeklärt zu haben. "Die Verantwortung übernehme ausschließlich ich", sagte er. Und für Harald Stein steht fest, dass der Minister zum richtigen Zeitpunkt aus dem Projekt ausgestiegen ist. Stein ist Präsident des Amts, das die Ausrüstung für die Bundeswehr beschafft. Es sei es wichtig gewesen, die Testphase des Euro Hawk zu Ende zu führen, sagte Stein. Für den Euro Hawk, der baugleich mit einer Drohne der US-Armee ist, wurde nämlich eine eigene Aufklärungseinheit entwickelt. Dieses System, das Bilder aus der Luft machen soll, hat mehr als die Hälfte des Budgets verbraucht. Es funktioniere, bestätigte Stein, und könne bei Bedarf auch in anderen Flugzeugen eingesetzt werden. "Wären wir ein Jahr früher ausgestiegen, hätten wir gar nichts gehabt."

Am Ende tritt der Minister selbst vor dem Ausschuss auf. Es ist der wichtigste Termin in dem Verfahren - der Showdown. Ob er am Ende als Schuldiger dastehen wird oder nicht, hängt zu einem großen Teil von diesem Auftritt ab. Damit enden aber auch die Parallelen zu einem Gerichtsprozess. Der Ausschuss schreibt am Ende einen Abschlussbericht. Konsequenzen kann er nicht beschließen. Das kann nur der Minister selbst oder seine Chefin, die Bundeskanzlerin. Angela Merkel hat bisher immer deutlich gemacht, dass sie an de Maizière festhält. "Größeren Rückhalt kann er sich gar nicht wünschen", ließ sie zuletzt über ihren Sprecher mitteilen.