Demonstranten ignorieren Warnung aus Peking
17. August 2019Trotz heftigen Regens waren laut Schätzungen rund 50.000 Menschen zu einem friedlichen Protestmarsch gekommen und für Sonntag werden noch mehr Menschen erwartet. Die Organisatoren der Demokratiebewegung wollen Hunderttausende auf die Straßen der chinesischen Sonderverwaltungszone bringen.
Die Kritik richtete sich anfangs gegen die prochinesische Stadtregierung unter Regierungschefin Carrie Lam, inzwischen aber auch gegen Peking direkt. Aus der Menge wurden an diesem Samstag auch Rufe nach Unabhängigkeit laut.
Vor allem junge Leute hatten sich an dem kilometerlangen Marsch beteiligt. Viele waren schwarz gekleidet und trugen Atemschutzmasken - zum Schutz gegen Tränengas, aber auch, um nicht erkannt zu werden. In der Menge marschierten allerdings auch Familien mit Kinderwagen mit. Wieder waren auch Fahnen der USA und Taiwans zu sehen, was für China eine besondere Provokation ist.
Die 40-jährige Musiklehrerin Yu, die sich gemeinsam mit anderen Lehrern erstmals an der Kundgebung beteiligte, sagte, sie wolle die Proteste der jungen Leute unterstützen, auch wenn sie nicht mit allen Aktionen einverstanden sei. "Ich bewundere sie für ihren Mut und ihre Sorge um Hongkong - sie sind definitiv entschlossener als unsere Regierung", so Yu.
Aus Furcht vor Krawallen blieben viele Geschäfte entlang der Route geschlossen. Der Marsch verlief jedoch friedlich. Anschließend zogen mehrere Hundert maskierte Demonstranten vor ein Polizeirevier. Von einer Überführung wurden Mülltonnen auf die Polizei geworfen. Die Situation eskalierte aber nicht. In einem Park versammelten sich auch Tausende Gegendemonstranten. Dort wurde die chinesische Flagge geschwungen und die Nationalhymne gesungen.
Gegen die Aufweichung des Prinzips "ein Land, zwei Systeme"
Die Proteste in der Wirtschaftsmetropole Hongkong halten seit zehn Wochen an. In jüngster Zeit schlugen sie verstärkt in Gewalt um. Die Demonstranten werfen der Hongkonger Regierung eine zu große Nähe zur kommunistischen Führung in Peking vor. Die frühere britische Kronkolonie ist seit 1997 eine chinesische Sonderverwaltungszone, in der die Einwohner größere persönliche Freiheiten genießen als in der Volksrepublik. Die Demonstranten erklärten, sie kämpften gegen die Aufweichung des Prinzips "ein Land, zwei Systeme", das seit der Autonomie 1997 erklärtermaßen gelte.
"Der Stresslevel steigt"
Zuletzt drohte China den Demonstranten unverhohlen mit einem Eingreifen. Die pro-demokratische Bürgerrechtsfront, die die friedlichen Proteste mit Millionen Teilnehmern im Juni organisiert hatte, kündigte weitere Demonstrationen für Sonntag an.
"Wir spüren, dass die Spannungen größer werden und der Stresslevel steigt", sagte der 22-jährige Pun der Nachrichtenagentur Reuters während einer Blockadeaktion am Flughafen Anfang der Woche. Er wisse, dass Gewalt nicht mit Gewalt bekämpft werden könne, "aber manchmal sind Aggressionen notwendig, um die Aufmerksamkeit der Regierung und anderer zu bekommen". Er habe Steine geworfen und sei von Schlagstöcken der Polizei getroffen worden. "Wir alle gewöhnen uns langsam daran."
Die Proteste in Hongkong erreichen nun auch andere Länder - wenn auch von anderer Seite. In der australischen Stadt Sydney demonstrierten einige hundert Chinesen für die Haltung der Hongkonger Regierung und das Vorgehen der Polizei. Sie zogen durch die Stadt, sangen "ein China", schwenkten die chinesische Flagge und forderten ein "Ende der Unruhen und der Gewalt in Hongkong".
fab/uh (dpa, rtr)