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Die dunkle Seite der Antibabypille

30. Januar 2019

Ihre Teenagerzeit hat Jasmin mit Depressionen, Suizidversuchen und Therapeuten verbracht. Und mit der Antibabypille. Seit sie die Pille endgültig abgesetzt hat, geht es ihr super. Hier erzählt sie ihre Geschichte.

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Schwangerschaftsverhütung Antibabypille
Bild: picture alliance/dpa/T.Ireland

Jasmin ist 20 Jahre alt und hat sich auf einen Facebook-Aufruf gemeldet. Ich habe nach Frauen gesucht, die unter Depressionen und Suizidgedanken leiden oder gelitten haben. Und die dieses psychische Leid mit der Einnahme der Antibabypille in Zusammenhang bringen. 

In der Gruppe "Generation Pille" werde ich fündig. Die Gruppe hat mehr als 6000 Mitglieder. Einige von ihnen melden sich bei mir und möchten erzählen. Von den psychischen Tälern, durch die sie jahrelang gewandert sind. Den Therapien und Antidepressiva, die helfen sollten und oft eben nicht halfen.

Jasmins Geschichte ist stellvertretend für die Geschichten dieser Frauen. Und stellvertretend für das Ergebnis zweier wissenschaftlicher Studien, wonach Depressionen und ein höheres Selbstmordrisiko Nebenwirkungen der Pille sein können.

Infografik Depression weltweit nach Region DEU

"Ich war gerade mal elf Jahre alt, als meine Regelblutung begonnen hat. Ich hatte immer starke Unterleibsschmerzen. Als ich 14 war, nahm mich meine Mutter dann mit zum Frauenarzt, um mir die Pille verschreiben zu lassen.

Durch Mobbing war ich psychisch sicher etwas vorbelastet. Nachdem ich allerdings anfing, die Pille zu nehmen, bekam ich immer stärkere Depressionen. Damals habe ich das noch nicht auf die Pille geschoben.

Doch mir ging es von Tag zu Tag schlechter, ich hatte immer häufiger Suizidgedanken und habe auch Selbstmordversuche unternommen. Schließlich bin ich in der geschlossenen Psychiatrie gelandet. Dort lautete die Diagnose: Anpassungsstörungen. Ich habe drei Wochen in der Klinik verbracht, darauf folgte eine ambulante Psychotherapie.

Nach eineinhalb Jahren Behandlung sagte meine Therapeutin, dass sie nichts mehr für mich tun könne und es mir jetzt besser gehen sollte. Wir beendeten die Therapie. Das ging etwa ein halbes Jahr gut.

Im Sommer 2016 wurde es allerdings wieder schlimmer. Ich hatte ständig Stimmungsschwankungen. Ich habe mich selbst verletzt. Ich hatte kein wirkliches Ich-Gefühl und wusste gar nichts mit mir anzufangen. Eine Freundin von mir, die selber unter Borderline leidet, riet mir dazu, mich mal daraufhin untersuchen zu lassen.

Also bin ich zur Untersuchung in die Tagesklinik in Köln gefahren. Dort stellte sich heraus: Ich hatte acht von neun Borderline-Symptomen. Weil es dort aber keinen freien Therapieplatz mehr gab, wurde ich nach Mannheim weitergeleitet. Dort habe ich Anfang 2017 für zwei Wochen eine weitere stationäre Therapie gemacht.

Keine Pille, keine Symptome

Die zuständige Therapeutin dort fragte mich allerdings, wieso ich überhaupt da sei. Ich hätte gar keine Symptome. Mir fiel das ebenfalls auf. In dieser Zeit kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass mein Zustand eventuell mit der Pille zusammenhängen könnte. Die hatte ich nämlich in den zwei Wochen der stationären Therapie abgesetzt, weil ich in dieser Zeit nicht täglich daran denken wollte, eine Tablette schlucken zu müssen.

Ich hatte meinen Verdacht gegenüber der Therapeutin geäußert. Sie schlug vor, dass ich meine Vermutung überprüfen und die Pille zu Hause noch einmal ausprobieren sollte. Sollte es mir dadurch wieder schlechter gehen, riet sie mir, die Pille ganz abzusetzen.

Ich habe ihren Rat befolgt, bin nach Hause gekommen und habe die Pille wieder genommen. Nicht mal eine Woche später ging es mit meiner Psyche wieder bergab. Die Stimmungsschwankungen kehrten zurück, genauso wie die Depressionen und Suizidgedanken. 

Mehr dazu: Depression: Knapp 5,3 Millionen Fälle jährlich in Deutschland

DW Grafik zu Depression
Bild: DW

Hormone, Hormone, Hormone ...

Mein Frauenarzt riet mir dazu, die Pille abzusetzen und mich nach einer alternativen Verhütungsmethode umzusehen. Seine Vorschläge waren die Drei-Monats-Spritze, das Hormon-Stäbchen oder Hormon-Pflaster.

Ich dachte allerdings: Wenn ich mit der Pille schon solche Probleme habe, dann werden alle anderen hormonellen Verhütungsmittel entweder genauso schlimme oder noch schlimmere Auswirkungen haben. Darum bin ich im August letzten Jahres auf die Kupfer-Spirale umgestiegen. Seitdem ich die Pille im Februar 2018 endgültig abgesetzt habe, geht es mir super.

Mein erster Zyklus nach dem Absetzen war 102 Tage lang. In dieser Zeit hatte ich immer ein bisschen Angst, dass meine Tage in irgendeinem unpassenden Moment kommen könnten. Außerdem hatte ich über knapp neun Monate hinweg ziemlich starken Haarausfall. Aber ich habe einfach abgewartet und dann war es ganz plötzlich wieder vorbei.

Ich finde es wichtig, Ärzten nicht blind zu vertrauen. Die Pille ist nicht das Verhütungsmittel schlechthin. Über mögliche Nebenwirkungen muss ausreichend informiert werden. Wie oft habe ich gehört, dass die Pille keinen großen Einfluss auf den Körper hat. Doch, natürlich hat sie das! Die Pille legt im Grunde den gesamten eigenen Zyklus lahm. Mittlerweile denke ich, dermaßen in den Hormonhaushalt einzugreifen, ist grob fahrlässig."