Der Eine-Welt-Präsident
9. Dezember 2004Die Weiterentwicklung einer partnerschaftlichen Politik mit Afrika und die Bekämpfung der Armut durch Entwicklungshilfe gehören zu den Schwerpunkten der Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler. Deshalb führt die erste Reise ins außereuropäische Ausland den deutschen Bundespräsidenten nach Ost- und Westafrika. Gleich vier Staaten will Köhler besuchen: Sierra Leone, Benin, Äthiopien sowie für einen eintägigen Kurzbesuch die Republik Dschibuti - eine Reise, die Bundespräsident Rau im vergangenen März abbrechen musste. Im Mittelpunkt der Gespräche des Bundespräsidenten werden die Entwicklung der bilateralen Beziehungen und Wirtschaftshilfe stehen. Dabei weisen die vier Staaten ganz unterschiedliche Voraussetzungen auf.
Den Auftakt zur Köhler-Reise bildet Sierra Leone, das immer noch mit den Folgen des mehr als zehnjährigen Bürgerkriegs zu kämpfen hat. Das Land steht auf dem 'Human Development Index' der Vereinten Nationen auf dem letzten Platz, Korruption und Misswirtschaft sind allgegenwärtig, die Armut das größte Risiko für die politische Stabilität im Land. Die staatlichen Strukturen sind kaum konsolidiert. Köhler wird sich hier auch mit Vertretern des Strafgerichtshofs treffen sowie der Versöhnungskommission, die nach südafrikanischem Vorbild aufgebaut wurde.
"Menschenrechte sind universelle Werte"
Im Gegensatz zu Sierra Leone gilt Benin, die nächste Station der Köhler-Reise, als gutes Beispiel für den friedlichen Wechsel von einer Diktatur zu einer Demokratie. Seit dem Ende der Diktatur 1989 ist es Benin gelungen, die staatlichen Strukturen zu stabilisieren und ein verlässlicher Ansprechpartner für deutsche Partnerorganisationen zu sein.
Auch Äthiopien, das im kommenden Jahr gemeinsam mit Deutschland 100 Jahre gegenseitige Beziehungen feiern wird, ist ein Beispiel für eine afrikanische Normalität, auf die Köhler mit seiner Reise den Blick der deutschen Öffentlichkeit lenken möchte. Dennoch hat Köhler bereits angekündigt, auch Verletzungen der Menschenrechte, wie sie zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation amnesty international in Äthiopien kritisiert, offen anzusprechen.
Noch vor seiner Abfahrt betonte Köhler, Menschenrechte seien im Gegensatz zu einer manchmal in Afrika geäußerten Auffassung keine westlichen, sondern universelle Werte. Es sei andererseits fatal und moralisch fragwürdig, wenn sich die Industrieländer auf eine Haltung der Nichteinmischung zurückzögen.
Nicht nur Katastrophen-Kontinent
Mit Blick auf die Risiken, die sich aus Armut, Hunger und mangelnden staatlichen Strukturen ergeben, mahnte der Bundespräsident wiederholt die Einhaltung der so genannten UN-Millenniumsziele an. Mit ihnen verpflichtete sich die Staatengemeinschaft darauf, bis zum Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens als Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Davon allerdings ist auch Deutschland weit entfernt. Mit 0,27 Prozent des Bruttonationaleinkommens liegt Deutschland zur Zeit sogar noch unter dem EU-Durchschnitt.
Afrika sei aber nicht allein der Kontinent von Katastrophen und Hungersnöten, betont Köhler immer wieder. Dass sich der Kontinent selbst helfe und Armut wirkungsvoll bekämpft werden könne, dafür sei der Aufbau fairer Handelsbedingungen eine Grundvoraussetzung. Dazu gehöre aus Sicht des Bundespräsidenten vor allem der Abbau handelsverzerrender Subventionen. Die internationale Gemeinschaft müsse jedoch auch beim Aufbau handlungsfähiger staatlicher Institutionen helfen. Auch die westliche Welt, so betonte Köhler Anfang Dezember in einer Grundsatzrede an der Universität Tübingen, müsse endlich begreifen, "dass wir in einer Welt leben! Nicht in einer ersten, zweiten oder dritten Welt."
Mit seiner Reise will der Bundespräsident auf die vielfältigen positiven Elemente in Afrika aufmerksam machen. Der Kontinent stehe schließlich auch für demokratische Aufbrüche, für Lebensfreude und Stolz, Kultur und Geschichte.