Kirchentag macht Druck beim Klimaschutz
20. Juni 2019Früh am Morgen schnibbeln Dutzende Hände - einige Salat und Tomaten, andere Erdbeeren. Das "Gläserne Restaurant" des Kirchentags in Dortmund wappnet sich für den Tag. "Wir haben an die 60 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aber alle aus Großküchen kommen", sagt Dirk Werhahn aus Ludwigsburg bei Stuttgart. Daheim leitet er ein Kreisbildungswerk. Beim Christentreffen führt er mit anderen das Großrestaurant, gleichfalls ehrenamtlich. Ihr Ziel: Mit frischen und regionalen Produkten Mittagessen für viele, für Tausende.
Vor gut drei Jahrzehnten startete das "Gläserne Restaurant" beim Kirchentag. Damals, erzählt Werhahn, war die Mission, evangelische Akademien und Bildungshäuser für die saisonale und regionale Küche zu gewinnen. "Und nun zeigen wir allen: man kann Bio regional und saisonal kochen, ohne die Preise anzuheben. Wenn man klug plant und das Fleischangebot reduziert." Es ist für Werhahn auch eine Mission.
Mülltrennung und Lastenräder
Klima- und Umweltfragen gehören zu den zentralen Themen des bis Sonntag dauernden Kirchentages. In und vor der Messehalle drei präsentieren sich dutzende Initiativen. Wissenschaftler präsentieren sich, Jugendgruppen und Landwirte. Wenige Großveranstaltungen in Deutschland agieren so umweltbewusst wie der Kirchentag. Anreise mit der Bahn, Mehrweggeschirr und Mülltrennung, Lastentransport auf Fahrrädern. Und selbst wenn jemand in der überfüllten Tram zur Westfalenhalle mal schwärmt, sein neues Auto beschleunige mit 408 PS auf 250 Stundenkilometer, kommt der Nachsatz, es sei ein Volvo mit Hybridmotor.
Der Klimawandel und die schärfer werdende politische Debatte prägen auch den Kirchentag - nicht nur im symbolischen Handeln. Wenn in einer Predigt oder bei einem Redebeitrag nur der Name Greta Thunberg genannt wird, brandet Applaus auf.
"Wir müssen handeln"
Und die Mahnungen, die Forderungen an die politischen Akteure werden deutlicher. Am Donnerstag eröffnete Johan Rockström, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, ein Podium zum Thema "Umwelt, Klima und Gerechtigkeit - heute handeln". Rockström, einer der kundigsten Wissenschaftler für die Belastungsgrenzen des Planeten, warnt: "Die nächsten 50 Jahre entscheiden über die nächsten 10000 Jahre!" Es gehe um die Zukunft der Menschheit, man müsse schnell handeln. Immer wieder bekommt er Beifall. Als er Kanzlerin Angela Merkel nennt und deren Klimakurs, klatscht niemand.
Die Moderatorin der Veranstaltung, DW-Chefredakteurin Ines Pohl, begrüßt den Vorsitzenden der EKD, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, und die Präsidentin des Diakonischen Werks der EKD, Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Klimawandel ist einer der größten Armutstreiber weltweit, der Armutstreiber Nr. 1", sagt sie und kritisiert die deutsche Politik für Kurzsichtigkeit, die an Energie aus Kohle zu lange festhalte, um Arbeitsplätze zu sichern. "Wir brauchen endlich mal eine mutige Regierung." Da klatschen die 4000 Zuhörer in der Halle begeistert, und Bedford-Strohm pflichtet ihr bei - bevor er im Nachsatz mahnt, nicht einfach "die" Politik zu beschuldigen. Aber auch der Bischof wird konkret und fordert eine zügige Einführung einer CO2-Steuer.
Stehende Ovationen für die deutsche Greta
Aber erst der Gastauftritt einer jungen Frau macht aus Applaus Jubel. Luisa Neubauer, so etwas wie die deutsche Greta Thunberg in der "Fridays For Future"-Bewegung, fordert den Kirchentag auf: "Werdet zu unseren Verbündeten! Schließt Euch uns an!" Kirchen sollten ihre Geldanlagen unter ökologischen Aspekten überprüfen, Gemeinden Energie sparen und die Umwelt schonen. Die "alte Politik verfehlt die alten Ziele" beklagt sie. Die 23-Jährige redet wenige Minuten und bekommt stehende Ovationen. Und sie erhält Lob vom medial bekanntesten Mediziner in Deutschland, Eckart von Hirschhausen. Seit 30 Jahren gebe es solche Diskussionen. Endlich kämen sie in die Mitte der Gesellschaft.
Demo am Freitag
Die Jugend will nicht länger warten. So wird es beim Kirchentag auch "Fridays for Future" geben. Die Programmmacher hatten das zwar nicht vorgesehen. Aber beim Auftakt am Mittwoch hingen hier und da Transparente: "Klimagerechtigkeit jetzt - Nicht nur reden auch handeln! Fridays for Future Treffpunkt Hbf DO, 8:30 Uhr". Schon kündigen Graffitis auf dem Pflaster vor dem Bahnhofsgebäude die Demo an.
Kirchentage haben ein viel jüngeres Gesicht als die Kirchen und Gemeinden in Deutschland. Das passt zu "Friday for Future". Luisa Neubauer wird wohl viele Mit-Demonstrierende finden. Sie könnten sie zu Bundesumweltministerin Svenja Schulze ziehen. Und am Samstag zu Kanzlerin Merkel. Die Forderung nach mehr Engagement gegen den Klimawandel gehört schon jetzt zum zentralen Bestandteil dieses Kirchentages.