Detailarbeit beim Klimagipfel
1. Dezember 2015Der Goldstaub, den die Anwesenheit der Regierungschefs am ersten Tag über die Klimakonferenz ausgebreitet hat, ist verflogen. Nach den Beschwörungen zur Rettung des Planeten sind jetzt die technischen Verhandlungsführer der Teilnehmerländer am Zug. Sie müssen sich Satz für Satz durch den Vertragsentwurf durcharbeiten, den die Experten bei den Vorverhandlungen entworfen haben. Es geht darum, in einem komplexen Gewebe von einzelstaatlichen und durch Ländergruppen bestimmten Interessen erste Kompromisslinien zu bestimmen.
Hilfreiche Strategien
Zwei Innovationen bei der Pariser Klimakonferenz, so meint Christoph Bals von der Entwicklungs- und Klimaschutz-Organisation German Watch, könnten bei den Verhandlungen in den nächsten Tagen die üblichen Mühen der Ebene abmildern. Zum einen sollen die Regierungschefs nicht nur für das Schaufenster geredet haben: "Die Delegierten werden daran gemessen und dürfen nicht hinter einzelne Aussagen ihrer Präsidenten zurückfallen." Damit werde verhindert, dass die technischen Unterhändler ihre eigenen Chefs ausbremsten. Positiv sei auch, dass die französische Präsidentschaft schon vor dem Eröffnungstag die Tagesordnung hatte verabschieden lassen. Das mache es streitlustigen Delegierten unmöglich, die Versammlung mit langen Verfahrensdebatten aufzuhalten. Verhandelt wird dabei in den nächsten Tagen zunächst parallel in vier verschiedenen Gruppen.
An wem kann der Gipfel noch scheitern?
Russland könnte den Klimagipfel noch auflaufen lassen, wenn Präsident Wladimir Putin seine Zustimmung an Zugeständnisse der USA und der EU bei den Ukraine-Sanktionen knüpfen würde. Solche Gerüchte hatten in Paris kursiert, allerdings habe der russische Präsident in seiner Rede keinen Hinweis darauf gegeben, erklärt Bals.
Die Ölländer, angeführt von Saudi-Arabien, könnten sich querlegen, um den angestrebten Ausstieg aus allen fossilen Energien, Kohle, Gas und Öl, noch im Laufe dieses Jahrhunderts zu verhindern. Hier gehe es darum, ihnen wirtschaftliche und technische Perspektiven für eine Zukunft nach dem Öl zu eröffnen. Wie das konkret aussehen soll, steht noch in den Sternen. In Paris geht es zunächst um Formulierungen, mit denen man die Ölländer im Boot behält.
Es gibt auch einzelne Quertreiber: Venezuela und Ecuador etwa spielen sich als Retter der ärmsten Länder auf, wollen aber in erster Linie wohl ihre eigenen Interessen schützen.
Kompliziert ist bei dieser Klimakonferenz die Position von Indien: Es müsse ein Gleichgewicht hergestellt werden, das Indien erlaube, sich politisch zu bewegen, erklärt Germanwatch nach Gesprächen mit der indischen Delegation. Das Schwellenland sei noch längst nicht so weit, eine Klima-Transformation aus eigener Kraft zu bewältigen, und brauche viel Hilfe.
Und schließlich muss die EU noch ihr Mitgliedsland Polen einfangen, dessen neue Regierung wegen ihrer Kohlegruben auf Kollisionskurs zur Klimakonferenz gegangen ist.
Wo sind die inhaltlichen Knackpunkte?
Die Grundfrage ist, ob das Signal für den Ausstieg aus fossiler Energie bis Mitte des Jahrhunderts in Paris gesendet wird. In dem Zusammenhang steht auch der Nachbesserungsmechanismus im Fünf-Jahres-Rhythmus, der die Vertragspartner dazu verpflichtet, ihre Klimaziele öffentlich überprüfen zu lassen. Gleichzeitig sollen die Staaten ihre individuellen Ziele an die Klimaentwicklung anpassen und schrittweise mehr für den Klimaschutz tun.
Ein weiterer wesentlicher Streitpunkt in Paris ist schließlich die Frage nach der Finanzierung: Müssen die westlichen Industrienationen alles zahlen, oder werden aufsteigende Staaten schrittweise in die Finanzierung der technologischen Transformation wegen des Klimawandels einbezogen? Hier waren die Fronten früher zwischen Arm und Reich verhärtet, inzwischen scheint Bewegung möglich.
Wie funktionieren die Verhandlungen?
Man kann sich die Verhandlungspartner wie Spieler auf einem vieldimensionalen Schachbrett vorstellen, die in verschiedenen, auch wechselnden Gruppierungen ihre Züge machen. Ziel ist ein komplexer Interessensausgleich zwischen reichen und armen Staaten, zwischen aufsteigenden Industrieländern und kleinen, vom Klimawandel extrem betroffenen Nationen. Und zwischen großen Emittenten von Klimagasen und etwa den am wenigsten entwickelten Ländern, die kaum zur Erderwärmung beitragen. Am Ende der Pariser Verhandlungen soll dann ein Vertrag stehen, der sozusagen das Großgedruckte enthält, die Grundsätze, auf die die Teilnehmerländer sich einigen. Die Ausführungsbestimmungen, also die Einzelheiten und damit das Kleingedruckte, sollen später in getrennten Einzelverhandlungen bis zum Jahr 2018 ausformuliert werden.