"Es geht um die Zukunft der Menschheit"
30. November 2015Den ganzen Morgen lang absolvierte Gastgeber Francois Hollande auf dem Messegelände in Le Bourget die Begrüßungszeremonie: Händeschütteln mit 150 anreisenden Staats- und Regierungschefs, ein kurzes Lächeln für die Kameras - und "der Nächste, bitte". In seiner Einführungsrede machte der französische Präsident aber klar, dass er mit höchstem Ehrgeiz in die Verhandlungen gehen will: "Es steht mehr auf dem Spiel für den Planeten als je zuvor", so Hollande, "es geht um die Zukunft der Menschheit".
Der französische Präsident will einen weltweiten Preis für Kohlendioxid-Emissionen einführen, und hat darüber hinaus drei Hauptziele: Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 bis 2 Grad, jeweils unterschiedliche Verpflichtungserklärungen von jedem Teilnehmerland und eine gemeinsame Verpflichtungserklärung von allen. Hollande will auch, dass die Vereinbarung völkerrechtlich bindend wird. "Die größte Gefahr ist nicht, dass wir (hier) zu hoch zielen und das Ziel verfehlen, sondern dass wir zu niedrig ansetzen, und dabei stehen bleiben": Damit versucht Francois Hollande, jene an die Wand zu stellen, die schon am Anfang nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner setzen.
Reden bis um drei Uhr nachts?
Die Erwartung war, dass jeder in Paris anreisende Regierungschef zur Eröffnung der Klimakonferenz etwas auf den Tisch legen würde. Große wie kleine Länder bekamen dafür nach demokratischer Übung drei Minuten Redezeit. Aber schon nach den ersten beiden zeigte sich, dass man zum Beispiel dem König von Marokko nicht einfach das Mikrofon abdrehen kann. Wenn jeder so lange sprechen würde wie er, so wurde schnell ausgerechnet, säße die Versammlung bis nachts um drei Uhr auf ihren Plätzen. Auch US-Präsident Barack Obama überzog seine Zeit um das Vierfache, und ignorierte wiederholte Warntöne vom Podium. Auch ihm zieht keiner den Regler zu.
Der US-Präsident kam schnell zur Sache: "Hier in Paris werden wir entscheiden, unsere Erde zu retten." Als größte Industrienation der Welt und zweitgrößter Emittent von Treibhausgasen würden die USA ihre Verantwortung dafür anerkennen. Und er sieht in seinem Land bereits Fortschritte: Trotz des wirtschaftlichen Wachstums sei der Kohlendioxid-Ausstoß inzwischen so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren.
Hilfe für Entwicklungsländer
Doch der US-Präsident hat die mit Spannung erwarteten konkreten Finanzzusagen für Entwicklungsländer verschoben. Immerhin sprach er davon, dass der Klimawandel sie in ihrer Existenz bedrohe - und es eine moralische Verpflichtung gebe, diesen Ländern zu helfen. "Es gibt den Moment, wo man zu spät kommt, und beim Klimawandel haben wir ihn fast erreicht", fügte Obama hinzu. "Lasst uns zeigen, dass wir es ernst meinen." Und er schloss seine Rede mit dem Appell: "Lasst uns eine Welt schaffen, die unserer Kinder und Enkel würdig ist." Das war zweifellos die leidenschaftlichste Ansprache, die ein US-Präsident jemals zum Thema Klimawandel gehalten hat.
Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte etwas nüchterner, Deutschland habe das Ziel, seine Klimagase bis 2020 um 40 Prozent zu verringern und bis 2050 um 80 - 95 Prozent. Bis Ende des Jahrhunderts wolle das Land eine weitgehende Dekarbonisierung seiner Wirtschaft erreichen. Sie unterstützt in Paris Gastgeber Francois Hollande und fordert ein verbindliches Abkommen mit ambitionierten Zielen und fairen Ergebnissen. Eine Spitze - auch von ihrer Seite - gegen diejenigen, die von vorne herein mit weniger zufrieden sein wollen.
Dabei erklärt Angela Merkel auch, was sie unter Fairness gegenüber den "ärmsten und verwundbarsten Ländern" versteht: Man müsse ihnen finanziell helfen, und Deutschland werde seinen Beitrag dazu verdoppeln. Auch erkenne man an, dass die Industrieländer hier Vorreiter sein müssten, denn die Emissionen der Vergangenheit gingen auf ihr Konto. Am Ende fand auch die Bundeskanzlerin noch ein paar beschwörende Worte: Dieser Klimagipfel sei eine Frage ökonomischer Vernunft, ökologischer Notwendigkeit und der Generationengerechtigkeit. Man dürfe Milliarden Menschen weltweit dabei nicht enttäuschen.
"Nicht nur Zahlen"
Mit Spannung wurde die Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping erwartet. Schließlich hat sein Land inzwischen die USA als größter Emittent von Klimagasen überholt. Vor dem Gipfel gab es Signale, dass China zum ersten Mal zu Zugeständnissen beim Klimaschutz bereit sein werde. Doch abgesehen von dem Versprechen, dass der Ausstoß von Klimagasen in der chinesischen Wirtschaft bis 2030 - eventuell etwas früher - seinen Höhepunkt erreichen und dann sinken werde, kam von Xi nichts Neues.
Stattdessen bewegte sich der Präsident entlang bekannter Argumentationsmuster: Die (westlichen) Industrieländer sollten mehr Verantwortung für den Klimawandel übernehmen, die Reduzierung von Emissionen in den Entwicklungsländern finanzieren und sie durch Technologietransfer dabei unterstützen. "Jedes Land muss seinen eigenen Weg gehen dürfen", schien eine der Kernforderungen des chinesisches Staatsoberhauptes. Während Xi seine Rede in Paris hielt, wurde in Peking der erste Klima-Alarm des beginnenden Winters ausgerufen. Dort hängt einmal mehr dicker gelber Smog über der Stadt und die Bürger werden aufgefordert, wegen der Gesundheitsgefahr in ihren Wohnungen zu bleiben.
"Auf eine Art hat die Klimabewegung den Kampf um die Deutungshoheit gewonnen", sagt Kamu Naidoo, Direktor der Umweltorganisation Greenpeace, nach den Reden der Regierungschefs. Jeder hier in Paris erkenne inzwischen an, dass man etwas gegen den Klimawandel tun müsste - ein klarer Fortschritt gegenüber früheren Treffen. Das Problem sei die Kluft zwischen dem, was die Länder in Paris auf den Tisch gelegt hätten, und dem, was tatsächlich nötig sei. Aus der Sicht der betroffenen Länder dürfe das Klimaziel von maximal 1,5 Grad Erderwärmung nicht überschritten werden. Rechne man aber die Verpflichtungserklärungen der Teilnehmer von Paris zusammen, komme man auf eine deutlich höhere Erwärmung. "Die Menschen müssen verstehen, dass das nicht nur ein paar Zahlen sind", erklärt der Greenpeace-Vertreter. Für manche Inselnationen entscheiden sie über die Zukunft.