Annans Amtszeit
8. Oktober 2006Sein Job ist einer der schwierigsten der Welt. Der UNO-Generalsekretär sitzt theoretisch auf dem einflussreichsten Posten innerhalb des Staatenbundes. Praktisch aber sehen seine Befugnisse ganz anders aus. Wenn die Mitgliedsstaaten nicht mitziehen, kann auch der Chef der Vereinten Nationen kaum etwas bewirken. "Im Wort 'Generalsekretär' ist ja schon alles drin - ist er mehr General oder ist er mehr Sekretär?", sagt Günther Unser, Politologe an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Universität Aachen. Für die Generalsrolle fehlten die Machtbefugnisse, erklärt Unser. Sie stehen dem Generalsekretär laut Charta nicht zu. Er ist abhängig von den einflussreichen Vetomächten wie den USA.
Mann der USA
Die USA waren es denn auch, die den Ghanaer Kofi Annan 1996 in das Amt des höchsten UNO-Beamten hievten. Eigentlich hatten die anderen Länder im Sicherheitsrat die Verlängerung von Boutros Boutros Ghalis Amtszeit gewünscht. Die USA blockierten dessen Wiederwahl und setzten schließlich Annan als ihren Wunschkandidaten durch. Vielleicht saß die Angst, genau wie sein Vorgänger nicht wiedergewählt zu werden, bei Annan tief. Er sei als Generalsekretär ein Spätenentwickler gewesen, sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Aus Sicht von Menschenrechtlern habe er in den vergangenen Monaten noch mal deutlich an Autorität und Anerkennung gewonnen. So habe er die Darfur-Frage sehr massiv in der Öffentlichkeit thematisiert. "Dabei hat er auch den Veto-Mächten oft massiv die Leviten gelesen", sagt Delius. Allerdings tue Annan jetzt, zum Ende seiner Amtszeit, was er schon vor zehn Jahren hätte machen sollen. Diese Entwicklung sei keine neue Erfahrung, sagt Delius: "Es ist immer wieder so, dass diese führenden Repräsentanten wie der UN-Generalsekretär in Zeiten, in denen sie sehr abhängig vom Wohlwollen der Vetomächte sind, sehr zurückhaltend sind. Wenn sie dann aber das Ende ihrer Karriere erblicken, bekommen auch moralische Werte plötzlich eine gewisse Bedeutung."
"Illegaler Krieg"
Mit den USA verscherzte es sich Annan, der 2001 gemeinsam mit der UNO den Friedensnobelpreis verliehen bekam, aber schon früher: als er den von ihm als "illegal" bezeichneten Krieg der USA gegen den Irak scharf kritisierte. Trotzdem folgte er anschließend dem Wunsch Colin Powells nach UNO-Unterstützung im Irak. Die Aufgabe: Hilfe bei der Etablierung einer demokratischen Regierung und der Rückgabe der Souveränität an den Irak.
Psychologische Bedeutung
Als mit Annan der erste Afrikaner aus der Subsahara in das Amt des Generalsekretärs gewählt wurde, habe das für Afrika auch eine wichtige psychologische Bedeutung gehabt, sagt der Nigerianer John Emeka Akude, Politologe an der Universität Köln. Als Afrikaner habe man das Gefühl gehabt, endlich dazuzugehören. Schließlich seien die afrikanischen Länder erst nach Ende der Kolonialzeit in den 1960er Jahren Mitglied der UNO geworden. Außerdem nage die politische und wirtschaftliche Unterlegenheit gegenüber anderen Teilen der Erde am Selbstbewusstsein der Afrikaner. "Dass dann ein Afrikaner so eine hohe offizielle Position bekommen hat, hat dem durchschnittlichen Afrikaner ein gutes Gefühl gegeben", sagt Akude.
Kein Grund für Stolz
Hoffnungen auf positive Veränderungen auf dem Kontinent haben sich während Annans Amtszeit aber nicht erfüllt, sagt Ulrich Delius. Vom Westsahara-Konflikt über die DR Kongo bis zu Uganda habe die UNO nichts oder kaum etwas bewirkt: "Es ist wenig passiert, dass Afrika stolz auf die Amtszeit von Kofi Annan zurückblicken ließe." Akude sieht das anders. In seinen Augen ist der UNO-Generalsekretär nicht dazu da, die Probleme der Welt zu lösen. Er müsse die Welt auf Krisen aufmerksam machen und Lösungsvorschläge entwickeln. Diese Aufgabe habe Annan gut erfüllt. Auch Akude verweist auf die Abhängigkeit des Generalsekretärs von den Mitgliedsstaaten. Wenn es aber um Darfur geht, lobt er Annans Politik. So sei er mit dafür verantwortlich, dass die Afrikanische Union Truppen in die Krisenregion geschickt habe.
Angeschlagenes Image
Friederike Bauer, Autorin der ersten Annan-Biografie, bilanziert in einem Satz: "Einiges erledigt Annan glänzend, anderes höchst durchschnittlich und häufig genug schlittert er einfach nur in die nächste Krise hinein." Die für ihn persönlich wohl schlimmste Krise war die Korruptionsaffäre um das irakische Oil-for-Food-Programm, in die sein Sohn Kojo verstrickt war. Auch wenn die Ermittler bei Kofi Annan selbst keine Korruption feststellten, wurde er für die mangelnde Kontrolle des Programms kritisiert.
"Kommunikativer Teammann"
Trotz der Zweifel an seinem Führungsstil: Annan wird als kompetenter Generalsekretär und Reformer in Erinnerung bleiben. "Er war ein guter Kommunikator, milde und zuvorkommend. Ein Teammann - anders als sein Vorgänger Ghali, der sich im 38. Stock des UNO-Gebäudes abkapselte", sagt Unser.