Der Maidan ist nicht zufrieden
22. Februar 2014"Schande für alle, die diesem Mörder die Hand gegeben haben!", ruft die Menge empört. Trotz aller Erfolge auf dem Papier sind Viele auf dem Unabhängigkeitsplatz Maidan nicht zufrieden, sondern wütend und empört. Die Menschen fordern nichts anderes als den Kopf des Staatschefs. Zehntausende schreien sogar die drei Oppositionsführer nieder, die den Kompromiss von Kiew mit Präsident Viktor Janukowitsch unter Vermittlung der EU ausgehandelt haben. Ein wütender Pfeiforkan trifft Vitali Klitschko und Co. Nationalistische Redner bekamen hingegen Applaus für ihre Ankündigung, am Samstagvormittag das Präsidialamt zu stürmen, falls der Staatschef bis dahin nicht zurücktreten sollte.
Noch immer ist das Volk in Aufruhr. Noch immer ist die Gefahr eines Bürgerkriegs nicht gebannt. Im Westen übernehmen radikale Kräfte immer mehr das Kommando, im pro-russischen Osten drohen regierungstreue Politiker mit Abspaltung, So wirkt die Abreise des Präsidenten aus Kiew wie eine Flucht: Janukowitsch ist am Abend zu einer Regionalkonferenz seiner Partei ins östliche Charkiw gereist.
Ein Land im Umbruch
Zuvor hatten die Konfliktparteien unter Vermittlung auch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vorgezogene Präsidentenwahlen bis zum Dezember statt im März 2015 beschlossen. Zudem vereinbarten sie eine Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition und eine Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie. Schließlich der Paukenschlag: Die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko soll freikommen.
Für die Opposition hatten unter anderen Arseni Jazenjuk, Fraktionschef der oppositionellen Vaterlandspartei, der Ex-Boxer Vitali Klitschko, Anführer der Partei Udar (Schlag) sowie Oleg Tjagnibok, Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda (Freiheit) an den Verhandlungen teilgenommen.
Seitdem peitscht das Parlament fast im Minutentakt Beschlüsse durch. Ohne Gegenstimmen votierten die Abgeordneten dafür, die Macht des Präsidenten deutlich zu beschneiden und das Parlament zu stärken. Janukowitsch muss beide Gesetze noch unterzeichnen, damit sie in Kraft treten.
"Ende einer Schreckensherrschaft"
Die Oberste Rada setzte darüber hinaus den umstrittenen Innenminister Witali Sachartschenko ab. Die Opposition macht den 51-Jährigen für brutale Einsätze der Polizei gegen friedliche Demonstranten verantwortlich. Allein am Donnerstag hatten unbekannte Scharfschützen Dutzende Regierungsgegner erschossen.
"Es ist der Anfang vom Ende einer Schreckensherrschaft", schreibt Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. Bereits 30 Abgeordnete hätten ihren Austritt aus Janukowitschs Partei erklärt, zudem werde die Macht des Präsidenten durch die neue Verfassung beschränkt. "Der Druck auf ihn ist so gewaltig wie nie zuvor", erklärte Klitschko.
Anders als viele Demonstranten auf dem Maidan wertet der frühere Profiboxer das Übergangsabkommen als Erfolg: "Als ich gestern morgen um 6.45 Uhr aus dem Präsidentenpalast kam, hätte ich nicht geglaubt, dass wir ein paar Stunden später das Abkommen wirklich unterschreiben würden." Ganz "entscheidenden Anteil" an dem Ergebnis habe Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen die Vermittlungsgespräche mit Janukowitsch und der Opposition geführt hatte.
rb/wl (afp, dpa, rtr)