Der Motor läuft wieder
19. Februar 2014Noch bis zum Jahreswechsel hatte kaum jemand geglaubt, dass der französisch-deutsche Motor so bald wieder anspringen würde. Die Regierungen in Paris und Berlin trennte einfach Welten. Wirtschaftlich setzte Präsident François Hollande auf staatliche Konjunkturprogramme, Abschottung gegen die Globalisierung und maximale Steuern für Reiche - mit fatalen Folgen. Die Spar- und Reformpolitik der deutschen Kanzlerin dagegen will vor allem die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Und durch die guten deutschen Wirtschaftsdaten hat sich Angela Merkel bestätigt gefühlt. Andererseits intervenierte Frankreich im Alleingang militärisch in Afrika in seinem traditionellen Einflussgebiet. Darin unterschied sich der Sozialist Hollande dann auch keineswegs von seinem konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy. Merkel dagegen war offenbar nach den Afghanistan-Erfahrungen zu der Erkenntnis gekommen, es sei besser, Regierungen durch Waffenexporte in die Lage zu versetzen, sich selbst zu schützen, als Bundeswehr-Soldaten in ferne Weltgegenden zu entsenden. Und das waren nur die beiden vielleicht wichtigsten Gegensätze.
Hollande will Schröders Reformen nachholen
Die Blockade blieb auch noch bestehen, als die SPD im vergangenen Herbst in die Berliner Koalition eintrat. Die Atmosphäre verbesserte sich zwar ein wenig - Hollande hoffte auf eine Aufweichung der deutschen Sparpolitik. Doch in der Substanz änderte sich wenig. Deutsche Sozialdemokraten ticken eben anders als französische Sozialisten. Und ironischerweise war es ja der SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der mit seiner Agenda 2010 die wichtigsten Wirtschaftsreformen in Deutschland durchgesetzt hatte, von der Merkel später profitierte, während die große Koalition sie jetzt mehr und mehr verwässert.
Deutsche Gegenleistung
Der entscheidende Schritt zu einer Wiederannäherung kam mit Hollandes wirtschaftspolitischer Kehrtwende Anfang des Jahres. Zumindest rhetorisch schwenkte er dabei weitgehend auf die deutsche Linie ein. Die Erfüllung seiner Versprechen steht allerdings noch aus. Hollande hat aus schierer Not das Steuer herumgerissen: Die französische Volkswirtschaft verliert seit Jahren rapide an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und büßt Weltmarktanteile ein.
Die Berliner Regierung atmete erleichtert auf und hofft nun, dass die Schwäche Frankreichs überwunden werden kann, die auch Deutschland belastet. Hollandes Ankündigung hat die Bundesregierung aber auch ein wenig unter Zugzwang gesetzt, jetzt ihrerseits auf Paris zuzugehen. Der jüngste Schwenk hin zu einer offensiveren deutschen Außen- und Verteidigungspolitik hat auch einiges mit Frankreich zu tun. Und so kann der innenpolitisch schwer angeschlagene Hollande zuhause sagen: Voilà, ich habe auch von Berlin etwas bekommen. Allerdings gilt auch für die deutsche außenpolitische Wende, dass sie bisher nicht vollzogen ist.
Neue Symbole der Gemeinsamkeit
Beide Staaten werden ihre Rollen nicht fundamental ändern. Der wirtschaftspolitische Riese Deutschland wird auf absehbare Zeit der Hauptakteur auf der europäischen Bühne bleiben. Dagegen ist Frankreich die natürliche Führungsmacht, wenn es um Militäreinsätze wie in Westafrika geht. Wichtig ist: Beide Länder arbeiten nicht mehr gegeneinander, sondern versuchen, sich zu ergänzen.
Vielleicht der Tiefpunkt des Gegensatzes war, als Hollande vor wenigen Jahren offen europäische Verbündete gegen Merkels Sparkurs um sich scharte; und noch in diesem Jahr beschwerte er sich über mangelnde Unterstützung für seine Afrika-Interventionen. Von deutsch-französischen Gemeinsamkeiten zu reden war mitunter blanker Hohn.
Das ist zum Glück vorbei. Jetzt ist die geplante Entsendung von Teilen der Deutsch-Französischen Brigade nach Mali ein Symbol der neuen Zusammenarbeit; oder dass Merkel und Hollande gemeinsam Stellung zum Blutvergießen in der Ukraine beziehen; oder wenn die Außenminister beider Länder zusammen in Krisenregionen reisen. Die Zweisamkeit ersetzt natürlich keine gesamteuropäische Politik. Aber der neu gestartete deutsch-französische Motor kann eine Menge in Bewegung setzen.