Der Riesen-Airbus dockt an
29. Oktober 2005Es war ein großes Spektakel. "In unmittelbarer Nähe zum Rollfeld erleben Sie mit Tausenden von Begeisterten ein Stück Fluggeschichte", lockte ein Flyer der Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport. Der Anlass: Am Samstag (29.10.2005) landete der neue Airbus A380 auf dem Flughafen und damit erstmals in Deutschland. Dabei sollte unter anderem getestet werden, ob die speziell für den zweistöckigen Riesen-Flieger konstruierten Fahrgastbrücken problemlos andocken können.
Genau ein halbes Jahr ist es nun her, dass das 290 Tonnen schwere Flugzeug für bis zu 853 Passagiere abhob. Seit dem Jungfernflug am 27. April habe die A380 110 Testflüge mit 380 Flugstunden absolviert, sagt Tore Prang, Sprecher von Airbus. "Die Testergebnisse sind hervorragend. Die Performance ist viel besser als erwartet." Dies gelte auch für den Verbrauch von 2,9 Litern Kerosin auf hundert Kilometer pro Fluggast. Der geringe Verbrauch - nach Airbus-Angaben 12 Prozent niedriger als bei bisherigen Großflugzeugen - ist ein wichtiges Verkaufsargument, da der Spritverbrauch inzwischen 16 bis 20 Prozent der Ausgaben einer Fluggesellschaft ausmacht.
Verzögerungen bei der Lieferung
Bislang haben 16 Kunden 159 Exemplare der 292 Millionen Euro teuren Maschine bestellt. Größter Abnehmer ist mit 41 Vorbestellungen die Fluggesellschaft Emirates. Für Ärger bei einigen Kunden sorgt jedoch, dass das europäische Konsortium nicht zum geplanten Termin liefern kann. So wollte Singapore Airlines das erste der zehn bestellten Flugzeuge schon im März entgegennehmen, doch Airbus musste die Lieferung verschieben. "Die A380 wird dreißig Jahre fliegen - da macht es doch nicht viel aus, ob der Betrieb in der ersten oder zweiten Jahreshälfte beginnt", findet der Airbus-Sprecher Prang. Wie hoch die Kompensation ist, die Airbus an die wartenden Gesellschaften zahlen muss, wissen nur die Vertragspartner.
Nun soll die Auslieferung im Dezember 2006 beginnen, falls es keine weiteren Verzögerungen gibt. Als ein Problem gilt die Evakuierung. Denn im Notfall, so die internationalen Vorschriften, müssen 873 Personen das Flugzeug bei Dunkelheit binnen 90 Sekunden über Rutschen verlassen können. "Ich bin zuversichtlich, dass es dabei keine Probleme geben wird", sagt Tore Prang. Allerdings verschob Airbus einen entsprechenden Nachweis mehrfach; der Test soll nun erst im Februar 2006 stattfinden.
"Ermutigender Beginn"
Dass es bei Großprojekten Verzögerungen gebe, sei nicht unüblich, sagt Ulrich Horstmann, Luftfahrt-Analyst der Bayerischen Landesbank. Dem Riesen-Flugzeug prophezeit er eine glänzende Zukunft. Die 159 Bestellungen seien ein sehr ermutigender Beginn, da viele Fluglinien erst dann neue entwickelte Jets orderten, wenn diese sich schon eine Zeit lang auf dem Markt bewährt hätten. "Airbus kann Monopolrenditen abschöpfen, weil es in der Klasse sonst keine Flugzeuge gibt und Boeing darauf nicht antworten kann." Zwar entwickle der amerikanische Konkurrent mit der 747 Advanced eine vergrößerte Version des seit 1969 existierenden Jumbo-Jets, die mit 450 Sitzen rund 50 Passagiere mehr als bisher transportieren soll. "Aber die 747 wird als ein altes Flugzeug wahrgenommen", glaubt Horstmann.
Statt auf ein neues Großflugzeug konzentriert der amerikanische Konzern seine Entwicklungsanstrengungen auf die 787, ein Langstreckenflugzeug mit nur 250 Sitzen. Denn, so die Annahme, in Zukunft würden flexible Direktflüge eine stärkere Rolle spielen als bisher, während der Markt für Großflugzeuge zu klein sei um eine Neuentwicklung - die im Fall des A380 13 Milliarden Euro gekostet hat - profitabel zu machen.
"Vieles richtig gemacht"
Ein Argument, gegen das sich der Airbus-Sprecher Prang wehrt: "Alle Flughäfen mit Wachstumsproblemen begrüßen, dass die A380 kommt." Den Londoner Airport Heathrow etwa könnten im Jahr 2016 dank des neuen Jets 10 Millionen zusätzliche Fluggäste erreichen, ohne dass deswegen mehr Starts und Landungen nötig würden. In den kommenden zwanzig Jahren werde sich das weltweite Passagieraufkommen verdreifachen. Dies werde sich auf alle Segmente auswirken. "Boeing hat nur eine Strategie, wir haben beide", sagt Prang und verweist auf das Langstreckenflugzeug A340 für rund 300 Passagiere. Mit der A350 entwickelt Airbus derzeit ein Flugzeug in der Klasse der 787, das 2010 marktreif sein soll.
"Airbus hat vieles richtig gemacht", sagt der der Luftfahrt-Experte Horstmann. "Noch vor zehn Jahren waren sie der kleine Angreifer, den man bei Boeing nicht richtig ernst nahm. Inzwischen haben sie in allen Segmenten der Zivilluftfahrt ein überzeugendes Angebot." Bei Flugzeugen mit mehr als hundert Plätzen hatten Boeing und der von Boeing übernommene Hersteller McDonnell-Douglas Mitte der 1990er Jahre noch einen Marktanteil von 70 Prozent; inzwischen hat Airbus mit einem Anteil von über 50 Prozent die Nase vorn. Dieses Verhältnis werde sich nicht stark verändern, glaubt Horstmann: "Ein Doupol ist näher an einem Monopol, als man denkt. Die werden im Einzelfall mal die Preise senken, um die Kapazitäten auszulasten, aber sich keinen aggressiven Wettbewerb liefern."