Der Stoff für die Energiewende: Kupfer aus Peru
4. Mai 2023Moisés Larota lebt in einer der ärmsten Provinzen Perus, in der einer der größten Rohstoffkonzerne der Welt Kupfer abbaut. Das Schweizer Unternehmen Glencore erzielte laut der Online-Plattform Statista im Jahr 2022 einen Gewinn von rund 17,32 Milliarden US-Dollar. In der Provinz Espinar im peruanischen Andenhochland gilt fast die Hälfte der Bevölkerung als arm, etwa jeder Fünfte als extrem arm. In Peru heißt das, monatlich weniger als 378 Soles zur Verfügung zu haben, umgerechnet etwa 92 Euro.
Larota ist 67 Jahre alt, er hält Kühe und Schafe baut Kartoffeln an. Er erinnert sich noch daran, als in den 1980er Jahren die erste Kupfermine in Espinar den Betrieb aufnahm. "Wir lebten gleich neben der Mine und neben einem Fluss. Wir tranken das Wasser - Menschen und Tiere", sagt er. Sein Sohn badete besonders gerne im Fluss, manchmal stundenlang. Er starb im Alter von 13 Jahren. Die Mine gehört mittlerweile dem Schweizer Konzern Glencore und ist eine der größten des Landes.
Der Kupferbergbau boomt in Peru. Kupfer ist das wichtigste Exportprodukt des Landes und Peru ist der zweitgrößte Produzent der Welt. Kupfer steckt in fast jedem Kabel, es leitet Wärme und Strom. Deshalb ist es ein zentraler Rohstoff für die Energiewende: Es wird gebraucht für den Bau von Solarpanels, Windrädern und Elektroautos. Der Deutschen Rohstoffagentur zufolge wird sich der globale Kupferbedarf bis 2035 verdoppeln.
Energiewende auf Kosten der Armen
"Mit der steigenden Nachfrage nach Kupfer nehmen in Peru die Konflikte zu", sagt Paul Maquet von der Nichtregierungsorganisation CooperAcción, die seit 25 Jahren Gemeinden unterstützt, die von Bergbauprojekten betroffen sind. Ursachen für die Konflikte seien die fehlende Planung durch den Staat und die intransparenten Verhandlungen der Bergbauunternehmen mit den Gemeinden. Die Energiewende im Globalen Norden dürfe, so Maquet, "nicht auf Kosten der Gesundheit, der Umwelt und des sozialen Friedens der Gemeinden in Peru stattfinden."
Besonders viele Konflikte gibt es rund um den Corredor Minero - so heißt die fast 500 Kilometer lange Autobahn, auf der jeden Tag über 300 LKW fahren, um das Kupfer von den Minen zum Hafen in der Provinz Arequipa zu bringen. In mehr als 40 Gemeinden in der Nähe des Corredor Minero leben Angehörige der Quechua - sie blockieren regelmäßig die Autobahn aus Protest. Damit können sie etwa ein Drittel der Kupferproduktion von Peru lahmlegen.
Armut macht krank
Der Bergbau schafft etwa 230.000 Arbeitsplätze in Peru. Fast fünf Millionen Menschen - ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung - leben von der Landwirtschaft. 76 Prozent befinden sich in einem informellen Beschäftigungsverhältnis, haben also keinen Arbeitsvertrag. Die Kluft zwischen Arm und Reich in Peru ist groß und besonders groß ist sie zwischen der Stadtbevölkerung und der indigenen Bevölkerung auf dem Land. Die durchschnittlichen Löhne auf dem Land liegen etwa bei der Hälfte der Löhne in den Städten. Fast 40 Prozent der indigenen Bevölkerung lebt in Armut.
In der Provinz Espinar sind über 80 Prozent der Bevölkerung indigene Quechua, so auch Moisés Larota. Es ist die indigene Landbevölkerung, die am wenigsten vom Bergbau profitiert, aber am stärksten unter der Umweltverschmutzung leidet. "Meine Hände schmerzen. Ich verliere das Augenlicht. Ich habe Probleme an den Nieren, der Prostata, der Leber und dem Herzen", sagt Larota.
Amnesty International analysierte zwischen 2018 und 2020 Blut- und Urinproben von 150 Freiwilligen aus elf Indigenen Gemeinden in Espinar. Das Ergebnis: bei 78 Prozent der Personen überschritten die untersuchten Schwermetalle die Referenzwerte der Weltgesundheitsorganisation. 58 Prozent hatten erhöhte Werte von Arsen, 29 Prozent von Magnesium, 12 Prozent von Kadmium, 4 Prozent von Blei und 3 Prozent von Quecksilber. Auch Moisés Larota nahm an der Studie teil, er hat erhöhte Arsenwerte.
Schwermetalle können sich im Körper anreichern und langfristig zu Organschäden führen, auch wenn täglich nur eine geringe Menge aufgenommen wird. Die Internationale Agentur für Krebsforschung hat Arsen als "krebserregend für Menschen" eingestuft. Dem Umweltbundesamt zufolge wirkt Blei neurotoxisch und beeinflusst damit die intellektuelle Entwicklung von Kindern. Quecksilber schädigt die Nieren.
"Verschmutzung hat natürliche Ursachen"
Glencore weist die Verantwortung für die Schwermetallbelastung in Espinar zurück. In einer Stellungnahme von Oktober 2022 schreibt das Unternehmen: "Espinar befindet sich in einem von Natur aus stark mineralisiertem Gebiet." Die Wasserverschmutzung sei "durch das natürliche Vorhandensein von Mineralien im Boden" verursacht worden. "Als eines der größten diversifizierten Rohstoffunternehmen der Welt unterstützen wir die Erreichung der Pariser Klimaziele, indem wir auf verantwortungsvolle Weise die Rohstoffe bereitstellen, die für den Übergang zu einer kohlenstoffreduzierten Wirtschaft unerlässlich sind", schreibt das Unternehmen auf seiner Website.
Glencore ist dem Carbon Majors Report zufolge einer der 100 Konzerne, die für über die Hälfte der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind. Das Unternehmen ist also einer der größten Verursacher der globalen Erwärmung.
Energiewende braucht Rohstoffwende
Die Biologin Karem Luque von der Nichtregierungsorganisation Derechos Humanos Sin Fronteras (auf deutsch: Menschenrechte ohne Grenzen), begleitet die indigenen Gemeinden in Espinar seit sechs Jahren. Sie sagt, die Schwermetallbelastung betreffe nicht nur Espinar, sondern alle Bergbauregionen in Peru. Was die Menschen dort erleben, sei kein Einzelfall. "Zehn Millionen Peruaner und Peruanerinnen - das ist jeder dritte - ist mit Schwermetallen belastet. Die meisten leben in indigenen Gemeinden in der Nähe von Bergbauprojekten", sagt sie.
Die Verantwortung dafür liege beim peruanischen Staat und bei den Bergbaukonzernen. "Die Unternehmen müssen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Wir haben in Peru bereits festgestellt, dass sie das freiwillig nicht machen", sagt Luque. Europa falle eine besondere Verantwortung zu. "Aus Europa kommen die Investoren und in Europa sind die Konsumenten. Deshalb müssen die europäischen Länder Mechanismen entwickeln, um keine Produkte zu konsumieren, die Menschenleben gekostet haben." Damit meint sie zum Beispiel ein Lieferkettengesetz.
Mehrere Menschenrechts- und Umweltorganisationen in Deutschland fordern neben der Energiewende auch eine Rohstoffwende. Gemeint ist damit, den Verbrauch an metallischen Rohstoffen drastisch zu reduzieren und beim Abbau der weiterhin benötigten Rohstoffe Menschenrechte und Umweltschutz zu beachten.
Der Globale Norden - darunter Europa, die USA und China - trägt die Hauptverantwortung für den Klimawandel. Die Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Deutschland sind mehr als vier Mal so hoch wie in Peru - ähnlich sieht es beim Energieverbrauch aus. Die globale Nachfrage nach metallischen Rohstoffen wird weiter ansteigen, wenn der Energieverbrauch der Industrieländer nicht sinkt.