Deutsche Exporte im Schleichgang
3. August 2023Das schrumpfende China-Geschäft hat den deutschen Exporteuren einen versöhnlichen Abschluss der schwierigen ersten Jahreshälfte verdorben. Die Ausfuhren stiegen im Juni zwar den dritten Monat in Folge, allerdings wie schon im Mai nur minimal um 0,1 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Im April hatte es noch zu einem Plus von 1,3 Prozent gereicht. Von Reuters befragte Ökonomen hatten diesmal ein kräftigeres Wachstum von 0,3 Prozent vorausgesagt. Im gesamten ersten Halbjahr wuchsen die Waren-Exporte um 3,5 Prozent auf 791,5 Milliarden Euro. Die Importe gaben im Juni mit 3,4 Prozent überraschend kräftig nach, während sie im Mai noch um 1,4 Prozent gewachsen waren.
"Die Exporte sind - wie die gesamte Wirtschaft - in eine Stagnation gefallen", kommentierte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski die Entwicklung. "Dadurch ist der Außenhandel nicht mehr die widerstandsfähige Wachstumsstütze der deutschen Wirtschaft, die er einmal war - sondern eher eine Bremse." Das sieht der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, genauso: "Seitwärts statt aufwärts lautet weiter die Devise".
"Deutschland ist in absoluten Größen der drittgrößte Exporteur der Welt nach China und den USA. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wiederum spielen die Exporte bei keiner anderen G7-Nation solch eine zentrale Rolle wie im Falle Deutschlands", erinnert Thomas Gitzel von der VP Bank. "Für neue wirtschaftliche Dynamik bedarf es deshalb vor allem einem besseren weltwirtschaftlichen Umfeld." Da sich dies kurzfristig nicht abzeichne, werde die deutsche Wirtschaft vorerst auch nicht mit wirtschaftlicher Dynamik glänzen können. "Mehr noch, die Rezession dürfte im zweiten Halbjahr in die Verlängerung gehen."
"China produziert zunehmend selbst"
Die Ausfuhren in die EU-Staaten legten im Juni um 1,3 Prozent zum Vormonat auf 71,5 Milliarden Euro zu. Abnehmerland Nummer eins blieben die USA: Dorthin wurden Waren im Wert von 12,7 Milliarden Euro verkauft, ein Rückgang von 0,2 Prozent. Die
Exporte nach China nahmen deutlich um 5,9 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro ab. "China ist zunehmend in der Lage, Waren zu produzieren, die es zuvor von Deutschland bezogen hat", sagte ING-Chefökonom Brzeski. Zudem hat sich die Konjunktur in der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt zuletzt merklich abgekühlt.
Die Exporte nach Großbritannien fielen um 0,2 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Die Ausfuhren nach Russland sanken wegen der westlichen Sanktionen infolge des Krieges gegen die Ukraine um 2,3 Prozent auf 0,7 Milliarden Euro.
Das zweite Halbjahr dürfte für den Export-Europameister schwierig bleiben: Die Stimmung in der deutschen Exportindustrie ist aktuell so schlecht wie seit über drei Jahren nicht mehr, wie das Münchner Ifo-Institut im Juli bei seiner monatlichen Unternehmensumfrage herausfand. "Die Nachfrage aus dem Ausland entwickelt sich eher schwach", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Dies ist auch die Folge der restriktiven Geldpolitik in den USA und Europa, welche nach und nach ihre Wirkung entfaltet." Die Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks haben im Kampf gegen die hohe Inflation ihre Zinsen kräftig heraufgesetzt. Das treibt die Finanzierungskosten in die Höhe, etwa für den Kauf von Waren Made in Germany. "Gegenwärtig gibt es auch kaum Hinweise, dass sich dies kurzfristig ändern könnte", ergänzte Wohlrabe mit Blick auf die maue Nachfrage.
iw/hb (rtr, afp)