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Deutsche (Irr)Wege?

Petra Tabeling 17. September 2002

Die militärische Drohung der USA hat Irak zum Einlenken bewegt. Möglich wurde dies auch, weil die USA immer mehr Verbündete gewannen. Nur Deutschland legte sich quer und gerät damit außenpolitisch ins Abseits.

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Was ist geworden aus dieser Freundschaft?Bild: AP

Der Irak will eigenen Angaben zufolge bald wieder Waffenkontrolleure ins Land lassen. Dies ist nach den Worten des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan vor allem der Rede von US-Präsident George W. Bush vor der UN-Vollversammlung am Donnerstag zu verdanken. Bush habe mit seiner Ansprache "die internationale Gemeinschaft elektrisiert", sagte Annan in der Nacht zum Dienstag, nachdem er die Entscheidung Iraks bekannt gegeben hatte.

Bush hatte in seiner Rede die Weltgemeinschaft aufgefordert, die eigenen Beschlüsse zum Irak durchzusetzen, falls nötig mit Gewalt. Andernfalls verkomme die UNO zum Papier-Tiger. Für diese harte Haltung gewannen der amerikanische Präsident und seine diplomatische Armada in den vergangenen Tagen mehr und mehr Verbündete.

Genug ist Genug

Silvio Berlusconi bei George W. Bush
Präsident Bush und Italiens Ministerpräsident Silvio BerlusconiBild: AP

Genug sei genug, betonte der Präsident zuletzt am Wochenende auf seinem Landsitz Camp David. Er präsentierte sich dort Schulter an Schulter mit dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, den er im Falle eines Militärschlages an seiner Seite wähnt. Neben Italien darf Bush nach Einschätzung von politischen Beobachtern wie Dr. Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung auch auf andere Staaten der Europäischen Union zählen. Zwar unterstütze kein Mitgliedsland der EU die jüngste Aussage Dick Cheneys, auf die UNO notfalls keine Rücksicht nehmen zu wollen und Saddam Hussein mit militärischen Mitteln abzulösen, sagte Dembinski im Gespräch mit DW-WORLD. Es gäbe aber einen europäischen Konsens über eine mögliche militärische Durchsetzung der UN-Waffeninspektionen.

Nicht geteilt wird dieser Konsens von der deutschen Bundesregierung. Sie steht mit einem doppelten Nein in der Irak-Frage allein, meinte Dembinski. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) vertreten ein kategorisches Nein zu einem gewaltsamen Regimewechsel in Bagdad, und zwar auch dann, wenn es dafür ein UN-Mandat geben sollte. Ebenso verneinen sie militärische Mittel für die Durchsetzung der Waffeninspektionen. Das erklärte Außenminister Joschka Fischer erst vergangenes Wochenende offiziell vor der UNO: "Wir wollen keinen Automatismus hin zur Anwendung militärischer Zwangsmaßnahmen".

England ist "not amused"

Blair in Washington
Bush mit Englands Premierminister Tony BlairBild: AP

Für diese Haltung erntete der SPD-Kanzler bereits Kritik aus den Reihen der sozialdemokratischen Gleichgesinnten in England. Die "extreme Position" Schröders habe einen Punkt erreicht, der eine Umkehr nach einer Wiederwahl schwer vorstellbar mache, heißt es aus dem Außenministerium des Königreichs. Und die englische Presse urteilt: Deutschland laufe Gefahr, nach dem "riskanten Wahlkampfspiel" ("The Sun") internationalen Einfluss zu verlieren und die USA in Zeiten der Not als Freund zu verlieren.

Auch der Nachbar Frankreich nimmt eine andere Haltung als die deutsche Bundesregierung ein. Paris ist ebenso wie die USA für eine Autorisierung der Staatengemeinschaft, notfalls Waffengewalt anzuwenden, falls Irak die Weltgemeinschaft weiter an der Nase herumführen sollte. Nach jüngsten Umfragen ist zwar die Mehrheit der Franzosen gegen einen Militärschlag, aber mit abnehmender Tendenz. Sollte Hussein seiner jüngste Ankündigung, Inspekteure ins Land zu lassen, keine eindeutigen Taten folgen lassen, könnte den Franzosen bald die Geduld mit dem Regime im Irak ausgehen.

Auch die Bündnispartner außerhalb der EU signalisieren eine mögliche Unterstützung, wenngleich sich auch keine Nation in ihren Entscheidungen festlegt: China und Russland würden eine Intervention tendenziell unterstützen. Die australische Regierung unterstützte bisher die US-Haltung. Auf Drängen der Opposition rief Premierminister John Howard für die kommende Woche eine Parlamentsdebatte zu Irak ein, in der geklärt werden soll, ob sich Australien an einem möglichen Militäreinsatz beteiligen wird.

Schwächung der Europäischen Union

Wenn Schröder die Wahl erneut gewinnt, und die USA gegen Irak vorgehe, bedeute das auch konsequenterweise die Durchführung der jetzigen Position: "Deutschland muss dann die ABC-Panzer in Kuwait abziehen, die Überflugsrechte sowie den Gebrauch der US-Einrichtungen in Deutschland verweigern", folgert Dembinski. Und das könne die momentan angespannten Beziehungen zu den USA noch mehr belasten.

Deutschlands Alleingang in der Irak-Frage könnte nicht zuletzt auch die Position der Bundesrepublik innerhalb der Europäischen Union schwächen, schätzt Dembinski. Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg gehe Deutschland eigene nationale Wege und suche keine Abstimmung in einer zentralen außenpolitischen Frage. Das Konzept einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik werde damit noch brüchiger und die EU erscheint dadurch führungs- und konzeptionslos.