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Deutsche Netz-Technik hilft Myanmars Armee

Christina zur Nedden | Anrike Visser
25. Februar 2021

Myanmars Militär nutzt moderne Telekommunikationstechnologie aus Deutschland. Daran entzündet sich Kritik angesichts von Putsch und Vertreibungen.

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Myanmar | Proteste nach Militärputsch
Bild: AP/dpa/picture alliance

Ein Mann wirft öffentlich seine Mytel-SIM-Karte weg, ein anderer demontiert ein Mytel-Werbeschild vor seinem Geschäft. Die Menschen, die auf  den Straßen Myanmars gegen den Militärputsch protestieren, rufen auch immer wieder zum Boykott von Unternehmen wie Mytel auf. Der zweitgrößte Telekommunikationsanbieter im Land gehört anteilig dem Militär, dem von den Vereinten Nationen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen wird. Auch deutsche Firmen werden von Aktivisten dafür kritisiert, indirekt mit Mytel zusammenzuarbeiten.

Darunter der deutsche Spezialist für Telekommunikationsinfrastruktur ADVA. In einer Pressemitteilung vom März 2020 teilte der Münchner Mittelständler mit, dass der Anbieter Viettel mit Sitz in Vietnam Technik von ADVA "in ganz Laos und Myanmar eingesetzt hat, um landesweite 4G-Dienste bereitzustellen und sein Synchronisationsnetz für 5G vorzubereiten."

Mytel  | Telekommunikationsunternehmen aus Myanmar
Start des Netzanbieters Mytel 2017 in MyanmarBild: Viet Nam News/ANN/picture alliance

Enge Verflechtung des Militärs mit Myanmars "Mytel"

Viettel ist mit 49 Prozent Eigentumsanteil einer der Hauptinvestoren von Mytel. Star High Co Ltd, eine Tochtergesellschaft der vom Militär betriebenen Myanmar Economic Corporation (MEC), hält 28 Prozent der Anteile an dem Netzwerk. Die restlichen 23 Prozent von Mytel gehören der Myanmar National Telecom Holdings, die eine Gruppe von Unternehmen aus Myanmar repräsentiert.

Die Rolle der Armee bei Mytel beschränkt sich nicht auf die des Anteilseigners. Generalmajor Thaw Lwin, Chef der Telekommunikationsabteilung des Militärs, besetzt einen Direktorensessel bei dem Unternehmen. Auf der Webseite von General Min Aung Hlaing, der sich Anfang Februar an die Macht putschte, wird der Netzanbieter 2017 als Spender von zehn Millionen Myanmar-Kyat (umgerechnet rund 5700 Euro) aufgeführt. Die Spendenaktion wurde für "nationale Verteidigung und Sicherheitsaufgaben" sowie für "Grenzzäune" im Rakhine-Staat organisiert, zwei Wochen nach Militäroperationen, die zur Flucht von 730.000 Rohingya nach Bangladesch führten. Die Antennenmasten in den Kasernen gehören ebenfalls überwiegend zum Mytel-Netz und wurden von einer Tochterfirma von Viettel errichtet. Des weiteren deckte Facebook im Februar 2020 eine 1,2 Millionen US-Dollar teure Desinformationskampagne  auf, die auf Mytel und Viettel zurückgeführt wurde und bei der Nutzerdaten mutmaßlich auch dem Militär weitergegeben wurden. 

Bangladesch Rohingya Flüchtlinge in Kutupalong Flüchtlingslager
Wegen der Vertreibung Hunderttausender Angehöriger der Rohingya-Minderheit 2017 ist Myanmars Militär vor dem Internationalen Gerichtshof in den Haag angeklagtBild: picture-alliance/NurPhoto/T. Chowdhury

Investitionen in den Netzausbau in Südostasien

In einem Bericht der Aktivistengruppe "Justice for Myanmar" werden mehrere ausländische Firmen dafür kritisiert, mit Mytel zusammenzuarbeiten, darunter auch ADVA. "ADVA stellt dem Militär von Myanmar Schweizer Zeitmessungstechnologie zur Verfügung, die in Militärbasen und im Mytel-Netzwerk eingesetzt wird", sagte eine Sprecherin von "Justice for Myanmar" der DW. Ein weiteres Unternehmen, das in dem Bericht genannt wird, ist der deutsche IT-Netzwerk-Dienstleister ngena, der bis 2019 eine Allianz mit der Deutschen Telekom hatte und ebenfalls mit Viettel kooperiert.

ADVA reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf unsere Anfrage, ob das Unternehmen einen möglichen Einsatz seiner Technologie im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen durch das Militär in Myanmar, vor und nach dem Putsch, geprüft habe beziehungsweise vorhabe, dies zu tun. Im Dezember 2020 sagte ein Sprecher dem "Handelsblatt", dass mittelständischen Unternehmen wie ADVA die Kapazitäten fehlten, um in Ländern wie Myanmar eigene Recherchen über Geschäftsverbindungen anzustellen, die über gesetzliche Vorgaben hinausgingen.

Ngena antwortete der DW, dass es zwar eine vertragliche Beziehung mit Viettel gebe, jedoch keine Verträge mit deren Tochtergesellschaften, wie zum Beispiel Mytel, und diese daher auch keine ngena-Dienste nutzen könnten. In einer ngena-Pressemitteilung von 2018, in der die Partnerschaft mit Viettel angekündigt wird, heißt es jedoch: "Die Allianz zwischen Viettel und ngena ermöglicht es Viettel, seinen Unternehmenskunden in Vietnam, Kambodscha, Laos und Myanmar vollständig verwaltete globale SD-WAN-Services anzubieten".

Myanmar Facebook
Facebook hatte 2018 Maßnahmen gegen eine Fake-News-Kampagne auf seiner Plattform in Myanmar ergriffen, an der auch Mytel beteiligt war.Bild: Getty Images/AFP/Y. A. Thu

"Putsch ohne Telekommunikation nicht möglich"

In einem Bericht der Vereinten Nationen von 2019 heißt es, dass die Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen zu in- und ausländischen Firmen es dem Militär in Myanmar erleichtern, massive Menschenrechtsverletzungen zu begehen, ohne dass es Strafverfolgung befürchten müsste. Im Anhang des Berichts werden auf 30 Seiten Firmen aufgelistet, die in Geschäftsbeziehungen mit dem Militär stehen. Mehrere Unternehmen lösten daraufhin die Verbindungen zu Mytel, darunter die belgische Satellitenkommunikationsfirma Newtec.

"Falls deutsche Firmen oder ihre Partner Telekommunikationsausrüstung nach Myanmar liefern, die dem Militär zugutekommt, sollte dies Grund zur Sorge für Deutschland sein", sagt Christopher Sidoti. Er hat als Experte für internationales Menschenrechtsrecht an der "Independent Fact-Finding Mission on Myanmar" der UN mitgewirkt. Jedes Geschäft mit dem Militär sei gefährlich und schädlich, jedoch ermöglichten insbesondere Telekommunikations- und IT-Produkte, dass das Militär reibungslos operieren könne. "Ohne Zugriff auf Telekommunikationsnetzwerke und Ausrüstung wäre der Militärputsch nicht möglich gewesen", betont Sidoti.

Myanmar Militärputsch | Menschen vor Bank in Yangon
Sanktionen ohne Schaden für die Bevölkerung? Menschenschlange vor Bank in Yangon Bild: REUTERS

Heikle Wirtschaftskooperation

Sowohl die Vereinten Nationen als auch die OECD, ein Zusammenschluss westlicher Industrieländer einschließlich Japans, geben Richtlinien für die Einhaltung von Menschenrechten für Unternehmen heraus. Diese sind aber nicht rechtlich bindend. Eine größere Wirkung könnten hingegen Sanktionen haben. Die US-Regierung hat seit Anfang Februar zwölf hohe Offiziere der myanmarischen Armee mit Sanktionen belegt, diese beinhalten auch ein Geschäftsverbot mit den betroffenen Personen. Auch die EU-Außenminister arbeiten derzeit an einer Sanktionsliste mit Militärangehörigen aus Myanmar.

Eine klare Position der EU, dass jegliche Geschäfte mit Militärunternehmen in Myanmar untersagt wären, gibt es nicht. Die EU erwog 2018 zwar, die beiden Militärkonglomerate MEC und MEHL, die auch Anteile von Mytel besitzen, als Ganzes zu sanktionieren. Stattdessen beschlossen die EU, die USA und Kanada, nur einzelne Generäle und ihre Familien mit Sanktionen zu belegen.

Infografik Myanmars größte Exportländer 2019 DE
Die EU ist bedeutsam für Myanmars Außenhandel

Entwicklung unter Umgehung der Militärs?

Im Februar 2020 hatte Deutschland die Entwicklungshilfe für Myanmar gestoppt, weil der Staat die Rohingya nicht schützt. Zu den jüngsten EU-Sanktionen gehört auch, dass sämtliche direkte finanzielle Unterstützung aus der EU-Entwicklungshilfe zurückgehalten wird, die für Reformprogramme der gestürzten Regierung in Myanmar bestimmt war. Experten fürchten nun auch um die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Nach dem Putsch kappten bereits die japanischen Firmen Suzuki und Kirin, ein Brauereikonzern, ihre Geschäftsbeziehungen zu Militärunternehmen in Myanmar.

Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiterhin voranzutreiben sei jedoch enorm wichtig, betont Christopher Sidoti. "Vor 50 Jahren war Myanmar eins der reichsten Länder Asiens, nun gehört es zu den ärmsten", sagt er. Das liege an der Inkompetenz und Korruption der Militärregierungen. "Geschäfte mit dem Militär zu machen ist schlecht für Myanmars Entwicklung und macht langfristig keinen Sinn für ausländische Firmen." Sidoti verweist darauf, dass es "schwierig, aber durchaus möglich" sei, Geschäfte in Myanmar zu machen und dabei das Militär zu umgehen. Es gebe, anders als noch vor 20 Jahren, eine "blühende Privatwirtschaft". Natürlich sei unsicher, ob dies nach dem Putsch von Anfang Februar auch so bleibe.

Nach Veröffentlichung des Beitrags und nach der von der DW gesetzten Frist zur Stellungnahme erreichte die DW ein Schreiben von ADVA. ADVA gibt darin an: "Nach dem Militärputsch haben wir unter Einbeziehung unseres Vertriebspartners NEC Vietnam mit sofortiger Wirkung alle Geschäftstätigkeiten mit Mytel, einem der vier Telekommunikationsbetreiber in Myanmar, eingestellt." 

 

Anrike Visser Autorin