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Deutsche Politiker werben für einen Dialog

Simon Broll, Washington10. Juli 2014

Sie wollten Antworten – und wurden vertröstet. In Washington trafen sich die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses mit US-Politikern, um über die Spionage-Affäre zu beratschlagen. Verlässliche Zusagen gab es nicht.

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Norbert Röttgen in Washington (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Eigentlich war Norbert Röttgen nach Washington gereist, um über die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit in Konfliktgebieten zu reden. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag hatte eine lange Liste an Themen mitgebracht: die Vorgehensweise beider Länder gegenüber Russland, die Reaktion auf den Vormarsch der radikalislamischen Terrorgruppe ISIS im Irak, den Umgang mit den Nuklearbestrebungen des Irans. Alles Krisen, bei denen Deutschland und die Vereinigten Staaten an einem Strang ziehen müssen. Doch die Gespräche wurden überschattet von der neuen Spionage-Affäre.

Seit einer Woche ist bekannt, dass ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) sensible Daten an den US-amerikanischen Geheimdienst CIA verkauft haben soll. Während in Deutschland die Empörung über den Spitzel und das Verhalten der Vereinigten Staaten hochkocht, sind die Reaktionen in den USA verhalten. Stellungnahmen aus Regierungskreisen bleiben weitgehend aus - wie auch am Mittwoch, als ein weiterer Fall publik wird. Ein Soldat im Verteidigungsministerium soll Informationen an die Vereinigten Staaten weitergegeben haben. Schwere Vorwürfe, die die gerade wieder erstarkten deutsch-amerikanischen Beziehungen bedrohen.

Und so wollten Röttgen und seine vier Kollegen Antworten erhalten: Bei Kongressabgeordneten und Senatoren fragten sie nach, welchen Zweck die Geheimdienste mit ihren Abhörmaßnahmen verfolgen würden. Konkrete Antworten blieben aus. "Wir können immer noch nicht erkennen, was eigentlich die Informationen sind, die durch die Spionage-Mittel gewonnen werden", sagte Röttgen anschließend in der Deutschen Botschaft. "Aber wir erkennen einen erheblichen Schaden in der Öffentlichkeit, vor allem bei dem Bild, das sich viele Deutsche von den Amerikanern machen."

Ahnungslosigkeit vieler US-Amerikaner

Überrascht zeigten sich die deutschen Abgeordneten über die Ahnungslosigkeit ihrer US-amerikanischen Kollegen. "Das, was an Schaden angerichtet worden ist, wird weder in den amerikanischen Medien behandelt, noch ist es unter den Politikern bekannt", staunte Röttgen. Deswegen sei die wichtigste Aufgabe seiner Delegation, "ein realistisches Bewusstsein von der Dimension" zu vermitteln, mit der die Spionage-Attacken die deutsch-amerikanische Freundschaft bedrohen würden.

"Wir haben viel Offenheit in den Gesprächen bekommen", sagte Marieluise Beck von den Grünen. "Aber ich fahre dennoch mit dem Gefühl zurück, dass wir einen langen Weg zu gehen haben." Die US-Amerikaner seien nämlich noch weit davon entfernt, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Diese Ansicht vertritt auch Philipp Mißfelder von der CDU: " Wir diskutieren jetzt über den Fall Snowden seit rund einem Jahr und es zeigt offenbar, dass kein grundsätzliches Umdenken in den USA eingesetzt hat, was den Umgang mit Verbündeten angeht."

Kein No-Spy-Abkommen

Edward Snowdens Enthüllungen über die Abhörmaßnahmen der NSA hatten 2013 eine Krise zwischen Deutschland und den USA ausgelöst. Seitdem bemüht sich die Bundesregierung immer wieder, ein No-Spy-Abkommen mit den Partnern in Washington zu schließen. Doch Experten in der US-Hauptstadt sprechen dem Vorhaben geringe Chancen zu. "Für Washington stellt das No-Spy-Abkommen eine Zusage dar, die sie nicht eingehen werden", sagte Karen Donfried vom German Marshall Fund im Gespräch mit der Deutschen Welle. Stattdessen wirbt die ehemalige Beraterin von US-Präsident Obama für offenere Diskussionen: "In Zukunft müssen wir noch mehr darüber reden, wo die Grenze gezogen wird zwischen der nationalen Sicherheit einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits."

Karen Donfried (Foto: German Marshall Fund)
Karen Donfried: "Offenere Diskussionen"Bild: German Marshall Fund, Washington

Auch Jack Janes vom American Institute for Contemporary German Studies sieht die größten Chancen darin, wenn beide Länder ehrlichere Gespräche führen. "Die Vereinigten Staaten haben einen miserablen Job gemacht, wenn es darum geht, zu erklären, was sie mit ihrer Überwachungspolitik anstreben", sagt der Hochschulprofessor und Deutschlandkenner. Die USA seien immer noch von den Terroranschlägen des 11. September traumatisiert. "Die Ansicht hierzulande bleibt, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und man so viele Informationen wie möglich sammeln müssen, um uns zu verteidigen." Das sei noch zu wenig kommuniziert worden.

Auf der anderen Seite müsse aber auch Deutschland sein Bild gegenüber Spionagemethoden ändern. "Ich glaube, dass in Deutschland das Thema Geheimdienst am liebsten verschwiegen wäre. Dabei ist jedes Land am Sammeln von Informationen interessiert, nicht nur die USA und China, sondern auch Deutschland." Gerade deshalb sei es wichtig, eine offene Debatte über die Ziele von Geheimdiensten zu führen – auf beiden Seiten des Atlantiks.

Deutsche Abwehrmechanismen

Janes meint, dass Deutschland die romantische Idee aufgeben müsse, Freunde würden sich nicht ausspionieren. Diese Ansicht entspreche nicht der Wirklichkeit. Ähnliche Aussagen traf auch Norbert Röttgen in Washington: "Wir müssen nüchterner werden und erkennen, dass manche unserer Vertrauenserwartungen auf dem Gebiet der Geheimdienste nicht realistisch sind." Stattdessen solle mehr Geld in den Ausbau von Schutzmechanismen investiert werden.

Von Gegenspionage hält Röttgen allerdings nichts. "Wir müssen uns so verhalten, dass der Schaden nicht vergrößert wird", sagte der CDU-Politiker. Schließlich wolle man sich bald wieder den gemeinsamen außenpolitischen Zielen zuwenden. Wenn die Krise überwunden ist.