Deutsche Stahl AG statt Tata?
25. August 2017Die Alternative hört auf den Namen "Deutsche Stahl AG" - die gibt es zwar noch nicht, aber Politiker und Gewerkschafter machen sich zunehmend für eine deutsche Lösung stark. Die Zeitung "Handelsblatt" zitiert Gewerkschaftsvertreter der IG Metall am Donnerstag mit den Worten, das Stahlgeschäft solle in deutscher Hand und Tata außen vor bleiben.
Kern der Alternativlösung wäre demnach die Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit dem deutsche Stahlkonzern Georgsmarienhütte des Unternehmers Jürgen Großmann. Aber die denkbare Alternative könnte auch die Salzgitter AG umfassen - selbst wenn deren Führung davon rein gar nichts wissen will. "Aufbauend auf diesem Szenario soll nun ein erneuter Anlauf für eine Deutsche Stahl AG genommen werden", zitiert das "Handelsblatt" einen mit den Plänen vertrauten Sprecher, ohne Namen zu nennen.
Anderthalb Jahre
Thyssenkrupp selbst will sich offiziell auch nach anderthalbjährigen Verhandlungen nicht festlegen, bis wann genau der Konzern über eine Fusion der Stahlsparte mit dem Konkurrenten Tata Steel entscheiden wird. Wie man bereits in der Vergangenheit erklärt habe, werde zunächst eine wichtige Pensionsvereinbarung von Tata genau geprüft, sagte ein Thyssenkrupp-Sprecher noch Mitte des Monats. "Für diese Prüfung werden wir uns jetzt die erforderliche Zeit nehmen."
Dabei geht es um hohe Pensionslasten von Tata Steel. Thyssenkrupp hat mehrfach erklärt, dass die umgerechnet knapp 17 Milliarden Euro schweren Pensionslasten von Tata aus dem Weg geräumt werden müssten. Die Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp lehnten angesichts der Pensionsfrage eine Fusion erneut ab.
Der Konzern-Chef von Thyssenkrupp, Heinrich Hiesinger, setzt sich dagegen entschieden für den Zusammenschluss ein, mit dem die Nummer zwei auf dem europäischen Stahlmarkt geschaffen werden soll. Marktführer ist ArcelorMittal aus Frankreich. Ein weiteres Schwergewicht der Branche ist die österreichische Voestalpine.
Der Vorstandsvorsitzende von Voestalpine, Wolfgang Eder, sagte jetzt der Deutschen Presseagentur: "Wir haben eine permanente Aufwärtsentwicklung bei den Kapazitäten, auch in den kritischen Jahren nach der Finanzkrise 2009." Auch deshalb werde Europa, einst Netto-Exporteur beim Stahl, sicher künftig Netto-Importeur bleiben. "Daraus entsteht zusätzlicher Druck auf die europäischen Kapazitäten", so Eder.
Bleibende Überkapazitäten
Nach Angaben von OECD und Weltstahlverband werden die weltweiten Kapazitäten für die Produktion von Stahl 2018 auf 2,43 Milliarden Tonnen steigen. Der Bedarf liege aber nur bei 1,6 Milliarden Tonnen. Vor allem in Asien sei eine spürbare Produktionsausweitung bis 2019 geplant. Vor 15 Jahren konnten weltweit erst rund eine Milliarde Tonnen produziert werden. Nach einer Analyse der Bank UBS erzielten die Stahlkocher zu besten Zeiten wie Ende 2008 rund 215 Euro pro Tonne Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Aktuell rechnen die von der "Financial Times" zitierten UBS-Experten mit rund 100 Euro. Zwischenzeitlich waren die Preise 2016 auf nur noch auf 46 Euro abgestürzt.
Die Verzögerungen bei der geplanten Fusion mit Tata bekommen der Aktie von Thyssenkrupp gar nicht. So waren die Papiere mit einem Minus von 3,18 Prozent zu Wochenbeginn Schlusslicht im deutschen Aktienindex Dax. Ein Händler begründete die Kursschwäche damit, dass einige Anleger auf einen raschen Abschluss der Zusammenlegung der europäischen Stahlaktivitäten von Thyssenkrupp mit denen von Tata Steel Europe gesetzt hätten. Dieser Deal drohe sich aber nun doch länger hinzuziehen, sagte der Händler.
"Alles besser als Tata"
Ob die Konkurrenz um den Stahl-Unternehmer Jürgen Großmann und seine Georgsmarienhütte mit der Idee einer deutschen Stahl AG zum Zuge kommen kann, ist durchaus fraglich. Der Konzern Georgsmarienhütte ist erst im letzten Jahr nach längeren Turbulenzen wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt. Für das laufende Geschäftsjahr rechnen Insider mit einem Gewinn von an die 100 Millionen Euro. Der Wert der Thyssenkrupp-Stahlsparte wird allerdings laut "Handelsblatt" mit rund 6,2 Milliarden Euro beziffert.
Großmann, der Boss von Georgsmarienhütte, dementiert übrigens eigene Pläne für den Aufbau einer Deutschen Stahl AG. Angesichts des anhaltenden Tauziehens stellte das "Handelsblatt" dazu lakonisch fest: "In solchen Fällen wäre alles andere fahrlässig." Ein mit der Frage befasster Politiker verwies zudem auf den möglicherweise bald anstehenden Regierungswechsel im Bundesland Niedersachsen.
Dort haben Georgsmarienhütte wie auch Salzgitter ihren Sitz. Die Landesregierung hatte erklärt, es gebe keine Pläne für eine Fusion deutscher Stahlkonzerne. "Der Weg dahin könnte aber mit einer neuen Regierung frei werden", lässt das "Handelsblatt" einen ungenannten Politiker zu Wort kommen. Und Gewerkschafter zitierte das Blatt mit den Worten: "Alles ist besser als Tata."
ar (dpa, rtr, Handelsblatt)