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Deutsche Stiftungen in Russland

Roman Goncharenko25. April 2013

Vor einem Monat bekamen deutsche Stiftungen in Russland Besuch von der Staatsanwaltschaft. Das löste Kritik in Berlin aus. Heute arbeiten die Stiftungen ohne Probleme, sorgen sich aber um ihre russischen Partner.

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Der Schriftzug an der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin (Foto: Maurizio Gambarini dpa/lbn) pixel
Konrad Adenauer Stiftung, Schriftzug in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Lars Peter Schmidt ist überrascht. Zum ersten Mal seit 20 Jahren habe die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) "eine ganze Menge Solidarität" von russischen Medien erfahren: von der privaten Tageszeitung "Kommersant" bis zur staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. "Das fand ich bemerkenswert", sagte Schmidt im DW-Gespräch. In Moskau leitet er das Büro der CDU-nahen Stiftung. Es geht um Ereignisse, die einen Monat zurückliegen.

Routineprüfung oder Störung?

Es ist 10 Uhr am Dienstag, 26. März 2013, als zwei Herren das Regionalbüro der Adenauer-Stiftung am Newski Prospekt in Sankt Petersburg betreten. Wenige Tage zuvor hatte die Staatsanwaltschaft ein Schreiben an die Vertretung geschickt. Darin waren 20 Fragen: von der Buchhaltung bis zum Internetauftritt. Man habe die Fragen beantwortet und die Angelegenheit als erledigt betrachtet, sagt Schmidt. Umso größer ist die Überraschung, als die Beamten persönlich erscheinen und alle Computer mitnehmen. Die Begründung: Überprüfung der Softwarelizenzen.

Der Vorgang löst in Berlin eine Welle der Kritik aus. Das Auswärtige Amt bestellt den russischen Gesandten ein. Einen Tag später werden die Computer zurückgegeben. Es ist jedoch kein Einzelfall. Etwa zur gleichen Zeit wird auch das Moskauer Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) von der Staatsanwaltschaft kontrolliert. Computer werden aber nicht beschlagnahmt. Russische Behörden nennen es eine Routineprüfung ohne besonderen Anlass. Bei ihrem Treffen in Hannover Anfang April mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel von einer "Störung". Sie fordert den Kremlchef zur Zurückhaltung auf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Staatspräsident Wladimir Putin (Foto: Jochen Lübke/dpa)
Angela Merkel fordert Wladimir Putin zur Zurückhaltung aufBild: picture-alliance/dpa

"Wer wo mit wem kooperiert"

Vier Wochen nach den Besuchen der Staatsanwaltschaft ist es ruhig geworden um deutsche Stiftungen in Russland. "Wir werden nicht faktisch behindert", sagt Schmidt von der KAS. Doch die Verwunderung ist immer noch spürbar. Noch nie zuvor waren deutsche politische Stiftungen in Russland so massiv von der Staatsanwaltschaft überprüft worden. "Das war schon eine Kategorie von Eingriff, die schwer zu akzeptieren ist", sagt Schmidt über die Mitnahme von Computern. Auf den Festplatten sei unter anderem Kommunikation mit russischen Partnerorganisationen und mit der KAS-Zentrale gespeichert gewesen.

Schmidt sieht einen Zusammenhang zwischen den Aktionen russischer Behörden gegen KAS und FES und dem neuen Gesetz, das die Arbeit der russischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) regelt. Danach sollen sich russische NGOs als "ausländische Agenten" registrieren lassen, wenn sie Geld aus dem Ausland erhalten und sich politisch engagieren. Doch die Betroffenen fühlen sich stigmatisiert und weigern sich. Deswegen werden hunderte NGOs in Russland von den Behörden überprüft. "Die wollen genau herausfiltern, wer wo mit wem kooperiert", sagt der Büroleiter.

Lars Peter Schmidt, Leiters des Moskauer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Moskau (Foto: privat)
Lars Peter Schmidt, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in MoskauBild: privat

Unterschiedliches Vorgehen

Es gibt insgesamt sechs deutsche politische Stiftungen in Russland. Neben KAS und FES sind es die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahe steht, und die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die mit der liberalen FDP verbunden ist. Auch die CSU-nahe Hans-Seidel-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung von der Linken haben ihre Büros in Moskau. Auf DW-Anfrage teilten alle mit, derzeit keine Probleme in Russland zu haben. "Wir haben nichts gespürt", sagt Markus Ehm von der Seidel-Stiftung.

Allerdings ist das Vorgehen der Stiftungen unterschiedlich. Manche Organisationen wie die Böll-Stiftung unterstützen russische Partner finanziell. Die Naumann-Stiftung und Seidel-Stiftung dagegen zahlen kein Geld an russische NGOs. Ihr Ansatz besteht darin, Politikertreffen, Konferenzen und Seminare zu organisieren.

Angst bei Partnerorganisationen

Und doch wird die Arbeit deutscher Stiftungen in Russland indirekt gestört. "Insgesamt spüren wir, dass die Arbeit für politische Stiftungen nicht einfacher wird", sagt Lars Peter Schmidt von der Adenauer-Stiftung. Er spricht von Ängsten der Partner, dass man sich durch Kooperation mit ausländischen Stiftungen "in irgendeinen Verdacht bringen könnte". Man halte sich deshalb bedeckt, so Schmidt.

Das bestätigt auch Julius von Freytag-Loringhoven. "Wir merken, dass Partner verunsichert sind und zweimal nachfragen, ob es möglich ist, mit einer ausländischen Organisation zu arbeiten", berichtet der Leiter der Naumann-Stiftung in Moskau der DW. Das betreffe vor allem neue Partner, die Angst hätten, "als ausländische Agenten stigmatisiert zu werden", so von Freytag-Loringhoven.

Keine Zurückhaltung bei russischen Partnern spürt dagegen der Leiter der Böll-Stiftung, Jens Siegert. Doch auch er berichtet von einer "indirekten" Störung: Russische NGOs seien im Moment vor allem mit den Prüfungen der Staatsanwaltschaft beschäftigt. "Das ist ein großer Arbeitsaufwand und in dieser Zeit kann keine inhaltliche Arbeit gemacht werden", sagt Siegert.

Hoffnung auf Einsicht im Kreml

Zunächst wird weiter so gearbeitet wie bisher, so die Einstellung der Befragten. "Es gibt innerhalb der Naumann-Stiftung den Wunsch, die Zusammenarbeit mit Russland fortzusetzen", sagt Julius von Freytag-Loringhoven. Er hoffe, dass "die Stimmung nicht schlechter wird". Seine Sorge um die russischen Partner ist nicht unbegründet. Am Donnerstag (25.04.2013) wurden die unabhängigen Wahlbeobachter der prominenten NGO "Golos", die mit der Naumann-Stiftung zusammenarbeitet, zu einer Geldstrafe von umgerechnet 7.500 Euro verurteilt. Die NGO habe sich nicht wie gesetzlich vorgeschrieben als "ausländischer Agent" registrieren lassen, so die Begründung. "Golos" weist die Vorwürfe zurück. Die Organisation erhalte seit Inkrafttreten des "Agentengesetzes" kein Geld mehr aus dem Ausland.

MItarbeiter der russischen NGO "Golos" in ihrem Büro (Foto: ITAR-TASS/ Alexandra Krasnova)
"Golos" wurde wegen angeblicher Verstöße gegen das "Agentengesetz" zu einer Geldstrafe verurteiltBild: picture-alliance/dpa

Lars Peter Schmidt von der Adenauer-Stiftung schließt als Konsequenz der aktuellen Entwicklung nicht aus, dass die finanziellen Mittel für Programme in Russland gekürzt werden könnten. "In einer Atmosphäre, die uns in die Ecke von Spionage stellt, können Sie als politische Stiftung - und wir betrachten uns immer noch als Partner, Russland und Deutschland, - nicht mehr vernünftig arbeiten", sagt Schmidt. Noch sei allerdings nichts beschlossen. Er hoffe "auf ein bisschen mehr Einsicht im Kreml".