Deutschland hat eine neue Regierung
8. Dezember 2021Bei der Abstimmung im Bundestag erhielt Olaf Scholz 395 von 707 abgegebenen Stimmen der Abgeordneten und damit die erforderliche sogenannte Kanzlermehrheit. Es gab 303 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Notwendig waren für die Wahl 369 Ja-Stimmen. Der SPD-Politiker war der einzige Kandidat. Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verfügen über zusammen 416 Sitze. Der Bundestag umfasst insgesamt 736 Abgeordnete, einige fehlten bei der Abstimmung.
Mit der Wahl des bisherigen Vizekanzlers und Bundesfinanzministers ist endgültig sicher, es wird die erste Ampel-Koalition in Deutschland auf Bundesebene geben. Kurz nach der Abstimmung im Bundestag ernannte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Scholz zum Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel. Mit der Ernennung durch den Bundespräsidenten ist die Regierungsgewalt gemäß der Vorgabe des Grundgesetzes von der bisherigen Kanzlerin auf den Nachfolger übergegangen.
Der SPD-Politiker legte am Mittag im Bundestag seinen Amtseid im Bundestag ab, ohne den Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Scholz sprach die Eidesformel: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."
Steinmeier: Pandemie und Zusammenhalt Aufgabe für neue Regierung
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in Schloss Bellevue offiziell das Kabinett des neuen Bundeskanzlers ernannt und den Ministerinnen und Ministern die Ernennungsurkunden überreicht. Er rief die Regierung auf, die Corona-Pandemie entschlossen zu bekämpfen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Realität der Pandemie sei "bitterernst", sagte Steinmeier in seiner kurzen Ansprache. Er betonte die große Verantwortung der neuen Regierung, nicht nur für Deutschland, sondern auch global: "Die Welt schaut auf unser Land, die Erwartungen an Deutschland sind groß."
Bundestag wählt den Kanzler
Im Reichstagsgebäude hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Abgeordneten am Morgen zum Sitzungsauftakt mitgeteilt, dass der Bundespräsident gemäß Artikel 63 Grundgesetz vorgeschlagen hat, Olaf Scholz zum Bundeskanzler wählen zu lassen. Der Artikel legt auch fest, dass dies ohne Aussprache zu geschehen hat, abgestimmt wird geheim.
Der neunte Kanzler der Republik
Der 63-Jährige ist der vierte SPD-Kanzler nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Die CDU stellte bislang die vier Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger und Helmut Kohl sowie in den vergangenen 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel.
Die Choreografie des Tages war genau geregelt: Nach der Wahl zum Bundeskanzler und Scholz' Erklärung, dass er die Wahl annimmt, stand die Ernennung im Schloss Bellevue bei Bundespräsident Steinmeier an. Dann musste der neue Kanzler zurück in den Bundestag, um dort vereidigt zu werden. Dann ging es ein zweites Mal ins Schloss Bellevue. Bei diesem Besuch ernannte der Bundespräsident - in Anwesenheit von Scholz - die 16 Bundesministerinnen und Bundesminister. Auch diese wurden anschließend im Bundestag vereidigt. Die Regierungsbildung ist somit abgeschlossen und die neue Regierung im Amt.
Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen"
Am Nachmittag hat die bisherige Bundeskanzlerin Merkel das Kanzleramt an ihren Nachfolger übergeben. Auch viele ausgeschiedene Bundesminister verabschiedeten sich von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und übergaben ihre Häuser an ihre Nachfolgerinnen und Nachfolger. Weitere Amtsübergaben, etwa die des bisherigen Bundesfinanzministers Scholz an seinen Nachfolger Christian Lindner, sind für Donnerstag angesetzt. Am Abend hat sich dann das neue Bundeskabinett zu seiner konstituierenden Sitzung versammelt.
Am Dienstag hatten die führenden Vertreter der sogenannten Ampel-Parteien ihren Koalitionsvertrag unterschrieben.
Die Ampel-Koalition, benannt nach den Farben der drei beteiligten Parteien, hat sich viel vorgenommen: Sie spricht vom größten industriellen Umbau in Deutschland seit mehr als hundert Jahren und tiefgreifenden gesellschaftlichen Reformen. Ihr 177 Seiten starker Koalitionsvertrag steht unter dem Leitmotiv "Mehr Fortschritt wagen". Die neue Regierung will ein "Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" sein. Sie verspricht unter anderem große Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. Im Kampf gegen die Klimakrise haben sich SPD, Grüne und FDP zum Ziel gesetzt, dass bis 2030 Deutschland 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht.
Die erste große Herausforderung, vor der die neue Bundesregierung steht, ist die Bewältigung der Corona-Pandemie. Bereits am Freitag steht im Bundestag das erste Gesetzespaket der Regierung zur Abstimmung. Unter anderem soll eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht beschlossen werden.
qu/pg/rb (dpa, afp, rtr, Phoenix live)