Hohe Wachstumserwartungen
30. Oktober 2017Das Schreckgespenst des Protektionismus macht sich seit dem Amtseintritt von Donald Trump im Leben von Unternehmern und Investoren breit. Genauso wie die Vorstellung eines militärischen Schlagabtausches zwischen den USA und Nordkorea. Doch beide Sorgen scheinen dem Konjunkturhoch in Deutschland keinen Abbruch zu tun. Auch die Brexit-Hängepartie geht im Moment recht spurlos am Ausblick für das laufende Jahr vorbei. Alles deute sowohl für dieses als auch für das nächste Jahr auf ein stabiles Wirtschaftswachstum hin, berichteten Volkswirte deutscher Großbanken in einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa.
Erst am vergangenen Freitag stieg der Ifo-Index der Geschäftserwartungen für den Oktober auf den höchsten Wert seit Februar 2011. "Wichtigster Treiber dieser Entwicklung ist der Aufschwung in der Eurozone", so der Ifo-Präsident Clemens Fuest. Tatsächlich hat auch der IWF seine Wachstumsprognose für dieses Jahr in Frankreich, Italien und Spanien erhöht. Auch die EU-Kommission teilte am Montag mit, dass die Stimmung in der Euro-Zone so gut sei, wie schon seit 2000 nicht mehr. Und auch über die Euro-Zone hinaus sieht es gut aus. So hat die WTO laut dem "Handelsblatt" in diesem Jahr die geringsten Zunahmen an neuen Handelsschranken seit 2008 verzeichnet.
Keine einfache Erklärung
Niemand könne sich die enorme Zunahme des Welthandels so richtig erklären, sagte Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Einzelhandel, dem Handelsblatt. Eine Ursache könnte sein, dass die schlimmsten Befürchtungen, etwa Importsteuern der USA, bislang nicht eingetreten sind, lautet sein Erklärungsansatz.
Angesichts dieser Umstände sind die deutschen Chefökonomen vieler Bankhäuser entsprechend optimistisch und korrigieren auch ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr. "Wir könnten uns aber gut vorstellen, dass das kommende Jahr besser wird als erwartet. Wir überlegen daher, unsere Wachstumsprognose von derzeit 1,8 Prozent noch einmal anzuheben", sagte etwa DZ-Bank-Volkswirt Michael Holstein.
Nicht ganz ohne Gefahren
Andere schließen das ebenfalls nicht aus, wollen aber erst noch die Entwicklung im vierten Quartal abwarten, wie etwa Deutsche-Bank-Volkswirt Marc Schattenberg. Aber auch er sieht die weitere Entwicklung zuversichtlich: "Es deutet einiges darauf hin, dass es besser laufen könnte." BayernLB-Volkswirt Stefan Kipar will sich ebenfalls vorerst nicht festlegen. Aber das von den meisten Geldhäusern prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent für 2018 hält er schon für ziemlich optimistisch.
Unterschiedlich schätzen die Ökonomen die wirtschaftlichen Risiken ein. Während die meisten Volkswirte die Hängepartie bei den Brexit-Verhandlungen derzeit noch relativ gelassen sehen, gibt Kipar zu bedenken: "Wenn sich die Verhandlungen länger hinziehen, könnte das zu einer sinkenden Nachfrage in Großbritannien führen", - und damit auch die deutsche Wirtschaft schwächen.
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Zuversichtlicher sind die Experten bei der weiteren Arbeitsmarktentwicklung. Für 2017 rechnen sie im Jahresschnitt mit etwa 2,54 Millionen Erwerbslosen - das wären rund 150.000 weniger als 2016. Uneinig sind sie hingegen bei ihrer Prognose für 2018. Während die Allianz einen Rückgang um 100.000 nicht ausschließt, gehen andere Institute von einer Stagnation aus, die BayernLB sogar von einer Zunahme der Arbeitslosenzahl zwischen 50.000 bis 100.000. Einen Grund sieht deren Experte Kipar in der von ihm für 2018 erwarteten stärker steigenden Zahl von arbeitslosen Flüchtlingen.
Aktuell macht der "Goldene Oktober" auf dem Arbeitsmarkt seinem Namen alle Ehre. Nach Berechnungen der Volkswirte sank die Zahl der Arbeitslosen in dem Herbstmonat um rund 65 000 auf 2,374 Millionen; dies wären rund 165 000 weniger als vor einem Jahr. "Dank der Erholung in Europa fällt die Herbstbelebung am deutschen Arbeitsmarkt in diesem Jahr besonders kräftig aus", betonte KfW-Volkswirt Jörg Zeuner. Auch gemessen an den Erwerbstätigenzahlen läuft es in seinen Augen auf dem Arbeitsmarkt derzeit rund: Für 2017 rechnet er mit 670.000 Erwerbstätigen mehr als im Vorjahr.
nm/hb (dpa, rtr)