Mit Worten gegen den Demokratieabbau
19. Mai 2017Deutschland ist Gastland der 8. Warschauer Buchmesse, der bedeutendsten Bücherschau Polens. Doch seit 2015, seit im östlichen Nachbarland die rechtskonservative PiS regiert, sind die deutsch-polnischen Beziehungen angespannt. Die Buchbranche ist politisiert - sie sieht ihre Aufgabe darin, Brücken zu bauen, gleichzeitig aber auch eine Lanze für die Meinungsfreiheit zu brechen.
Steinmeier setzt auf enge deutsch-polnische Zusammenarbeit
In diesem Sinne äußerte sich auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in Warschau, dem ersten seit seinem Amtsantritt vor zwei Monaten. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Polens Präsident Andrzej Duda am Freitag (19.05.2107) betonten beide Staatsoberhäupter Gemeinsamkeiten. Steinmeier warb für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die Werte der Aufklärung als Teil der europäischen Identität. "Polen gehört zum Kern Europas, und Polen wird gebraucht, wenn wir diese europäische Krise, in der wir uns zweifelsohne befinden, überwinden wollen", sagte Steinmeier.
Auch Duda wies auf die Bedeutung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit für Europa hin und sprach davon, dass man "gemeinsam handeln" müsse. Am Nachmittag eröffnete der Bundespräsident den deutschen Messestand. In seiner Rede warnte er vor "politischer Einflussnahme" in Kunst und Literatur. Ausdrücklich erwähnte Steinmeier den vor rund sieben Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski. Dieser habe sich in einem Zeitungsinterview zu Thomas Manns Roman "Zauberberg" eindeutig zu den Werten von Freiheit und Aufklärung und gegen totalitäre Ideologien bekannt. Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw ist Chef der nationalkonservativen Regierungspartei.
"Worte bewegen"
"Worte bewegen. Siła słów", unter diesem Motto präsentieren sich 66 deutsche Verlage noch bis Sonntag in der polnischen Hauptstadt. Es ist eine Rekordbeteiligung, von Aufbau über Suhrkamp bis Rowohlt - die deutsche Buchbranche setzt darauf, dass das Klima zwischen Berlin und Warschau bald wieder besser wird. "In einer Zeit, in der Europa zunehmend unter Druck steht, wollen wir diesen Gastlandauftritt nutzen, um über gemeinsame Werte und kulturelle Identität zu diskutieren", beschrieb der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, das Ziel des deutschen Gastauftritts. Literatur solle als Freiraum für den offenen Dialog und den Austausch von Gedanken, Emotionen und Informationen präsentiert werden.
Die Presse- und Meinungsfreiheit - um diesen gefährdeten Freiraum ging es gleich in einer ersten Podiumsdiskussion am Donnerstag - und zwar unter demselben kämpferischen Slogan "Für das Wort und die Freiheit", mit dem der Börsenverein, die Buchbranche und Journalisten auch in Hinblick auf die Türkei für die Meinungsfreiheit einstehen. Der deutsch-polnische Autor und Journalist Artur Becker ist ein Kenner beider Welten. Er kritisierte, dass westliche Medien ihr Polen-Bild oftmals nur an den staatlichen Medien orientierten. Es gebe jedoch neben dem staatlichen Rundfunk noch immer viele liberale Zeitungen.
"Das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen ist immer noch belastet - das kann ja auch gar nicht anders sein angesichts der schwierigen gemeinsamen Geschichte", so Alexander Skipis. Doch nachdem die PiS 2015 die Macht übernommen habe, habe sich das Klima eindeutig verschlechtert. "In der rechten Presse wird öfter gegen deutsche Verlage und Autoren gehetzt. Immer wieder werden deutsche Persönlichkeiten als Nazis dargestellt. Das ist nicht akzeptabel." Umso wichtiger sei es, in schwierigen Zeiten den Dialog der Kulturen beizubehalten. Am deutschen Messestand wird dieser Dialog von Vertretern der Buchbranche, Journalisten und elf Autorinnen und Autoren weitergeführt.
Lebhafter Austausch
Mit polnischen Literaten und Journalisten unterhalten sich dort unter anderem Wolfgang Bauer, Ulrike Draesner, Jakob Hein, Andre Kubiczek, Charlotte Link, Alice Pantermüller sowie die Illustratorin Daniela Kohl. Als Ehrengast tritt die in Polen sehr beliebte Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller auf. In keine andere Sprache wurden so viele ihrer Bücher übersetzt wie ins Polnische. Ihre Erfahrungen in einer kommunistischen Diktatur hat die rumäniendeutsche Schriftstellerin literarisch verdichtet, unter anderem im Roman "Atemschaukel".
Insgesamt werden im Warschauer Nationalstadion rund 800 Verlage und etwa 1000 Autoren aus aller Welt erwartet. Am deutschen Gemeinschaftsstand können Literaturbegeisterte in rund 800 Büchern blättern - gezeigt werden unter anderem die Kollektionen "Für das Wort und die Freiheit - Bücher zur Meinungsfreiheit", "Die schönsten deutschen Bücher 2016" oder "Meines Vaters Land - Nachkriegsbiografien".