Deutschlandkritische Töne aus Warschau
10. November 2015Man darf sich in Berlin auf einen neuen Ton aus Warschau einstellen: Denn dem künftigen Außenminister Warschaus, Witold Waszczykowski, wird eine scharfe Zunge nachgesagt. Waszczykowski ist ein erfahrener Diplomat. Der Absolvent der University of Oregon fungierte als Polens Vertreter bei der Nato und war Unterhändler bei Gesprächen über den amerikanischen Raketenschutzschild in Polen. Nach einer Zeit als Polens Botschafter in Teheran war er von 2005-2008 stellvertretender Außenminister.
Der engen politischen Zusammenarbeit Polens mit Deutschland steht Waszczykowski eher skeptisch gegenüber. Erst kürzlich sagte Waszczykowski in einem Zeitungsinterview, die Haltung des ehemaligen Außenministers Radoslaw Sikorski in dieser Sache stelle eine "Abartigkeit" dar. "Sikorski behauptet, die enge Zusammenarbeit mit Deutschland würde uns näher an den Entscheidungskern der EU bringen. Das erwies sich als Trugschluss. An welchen Entscheidungen sind wir denn beteiligt? An denen zu Lösung des russisch-ukrainischen Konfliktes? An denen zur Energiepolitik und zum Bau der Pipeline Nordstream 2? Über die Lösung der Flüchtligskrise? Wohl nein“, meint Waszczykowski.
In einem anderen Interview sagte er allerdings einschränkend, dass man seine kritische Haltung zu Deutschland "nicht dämonisieren solle". "Wir wollen unsere Interessen vertreten und hoffen auf Kompromisse", stellte er klar. Er betonte auch mehrmals, dass die Wirtschaft Polens und Deutschlands "in einer Symbiose" lebten. "Es geht nicht darum, die Beziehungen zu Deutschland zu verschlechtern. Wir haben mehrmals betont, dass wir an guten Beziehungen zu Deutschland interessiert sind, weil es die Zusammenarbeit ist, die sich für uns wirtschaftlich lohnt. Wir werden versuchen, dass diese Zusammenarbeit stärker partnerschaftlich gestaltet wird", sagte Waszczykowski in einem Fernsehinterview.
Verfechter der Verschwörungstheorien
Die meisten Kontroversen ruft jedoch die Nominierung von Antoni Macierewicz zum Verteidigungsminister hervor. Für die Gegner der Nationalkonservativen ist sie ein sicheres Zeichen, dass eine Rückkehr zur Politik von 2005-2007 unmittelbar bevorsteht. Damals konzentrierte sich die Regierung Jaroslaw Kaczynskis auf die Bekämpfung von echten oder vermeintlichen Staatsfeinden. Macierewicz wurde damals als Beauftragter der Regierung zur Abwicklung des Militärischen Nachrichtendienstes bekannt, eines vermeintlichen Hortes alter kommunistischer Seilschaften. In der Zeit als seine Partei PiS in der Opposition war, war Macierewicz Vorsitzender des "Untersuchungsausschusses zur Klärung des Katastrophe von Smolensk". Das war ein mit den staatlichen Institutionen konkurrierendes PiS-Gremium, das die Ergebnisse der offiziellen Untersuchungen zum Absturz der Maschine des polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski in Frage stellte. Macierewicz schließt bis heute nicht aus, dass der Bruder des PiS-Vorsitzenden und sein Gefolge einem Attentat zum Opfer fielen.
Naturgemäß konzentriert sich Macierewiczs Aufmerksamkeit auf Russland. Deutschland kritisierte er zuletzt in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. "Es war Frau Merkel, die in der Reaktion auf die Migrationswelle diese Menschen nach Deutschland eingeladen hat. Die Folgen ihrer Sorglosigkeit haben sie erschreckt und die Konsequenzen sollen jetzt die anderer Europäer tragen", sagte er zuletzt der Wochenzeitung "Do Rzeczy".
"Gute Entscheidung"
Positive Reaktionen über die Parteigrenzen hinweg weckt allerdings die Nominierung des PiS-Europapolitikers Konrad Szymanski zum Europaminister. Szymanski gilt als führender Experte in der Energiepolitik. "Er ist gut vernetzt in Brüssel. Szymanski ist eine Person, die auf Kompromisse setzt, daher ist das eine gute Entscheidung. Für seinen Amtskollegen in Berlin wird er sicherlich ein willkommener Diskussionspartner sein", meint Agnieszka Lada, Deutschland-Expertin des politischen Think-Thanks ISP in Warschau.
Die Kompromissbereitschaft Szymanskis bedeutet allerdings nicht, dass er nicht auch kritisch sein kann. Zuletzt hat er öffentlich den Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz für seine Drohung gerügt, EU-Ländern finanzielle Mittel zu streichen, wenn sie keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. "Ein angeblicher Verfechter der europäischen Integration schwächt sie zusehends durch solche Einlassungen, weil er am Fundament der guten Zusammenarbeit der EU-Mitglieder rüttelt: Dem gegenseitige Vertrauen", sagte Szymanski dem Online-Portal wPolityce.pl.
Die Warschauer Expertin Agnieszka Lada sieht allerdings in der Aufstellung der Regierung Szydlo ein grundsätzliches Problem. "Es ist nicht klar, inwieweit die einzelnen Minister in ihrer Regierung selbständig agieren und die Außenpolitik gestalten werden und inwieweit sie von Parteichef Jaroslaw Kaczynski gesteuert werden. Diese Politik wird sich sicherlich auf die Verteidigung der polnischen Interessen konzentrieren, so wie sie von der PiS verstanden werden. Man muss also auf Veränderungen gefasst sein", glaubt sie.