"Politik zu nachsichtig mit Autoherstellern"
9. August 2017Die Luft ist dick in den deutschen Großstädten, und dick ist auch der Hals vieler Verbraucher: Sie haben kein Verständnis dafür, dass die Autohersteller bei den Abgaswerten für Dieselfahrzeuge getrickst und damit wissentlich zur Luftverschmutzung beigetragen haben. 57 Prozent der Bundesbürger geben an, durch die Manipulationen der großen deutschen Hersteller Vertrauen in die Autobranche verloren zu haben. 56 Prozent befürchten, dass die Manipulationen der deutschen Wirtschaft insgesamt langfristig schaden werden. Das geht aus dem aktuellen Deutschlandtrend hervor, den das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen und der Tageszeitung "Die Welt" ermittelt hat.
Die Befragung fand kurz nach dem sogenannten Dieselgipfel vom 2. August statt. Bei diesem Spitzentreffen berieten Vertreter der Bundesregierung, der Länder und der Autohersteller in Berlin darüber, wie drohende Fahrverbote für besonders schmutzige Dieselfahrzeuge abgewendet werden können. Die Hersteller boten Software-Updates und Umtauschprämien für ältere Dieselautos an, um den Ausstoß gefährlicher Stickoxide zu senken. Nach Ansicht vieler Fachleute reicht das aber nicht aus.
Dass die Politik hier nicht mehr Druck gemacht hat, enttäuscht viele Bundesbürger: 67 Prozent sind der Ansicht, dass die verantwortlichen Politiker bei der Bewältigung der Krise zu nachsichtig mit der Automobilindustrie umgehen. Nur gut ein Fünftel der Befragten hält den Umgang mit den Autoherstellern für angemessen.
Die engen Verflechtungen zwischen der Politik und der Autoindustrie sehen viele Bürger kritisch: Die Mehrheit glaubt, dass die Politiker sich bei der Bewältigung des Abgasskandals in erster Linie von den Interessen der Autohersteller leiten lassen und weniger vom Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bürger. Ginge es nach den Befragten, müsste es genau andersherum sein: 66 Prozent wünschen sich, dass die Politiker bei diesem Thema den Umweltschutz und die Gesundheit der Bürger in den Vordergrund stellen.
Die kritische Stimmung, die der Umgang der Politik mit der Autoindustrie hervorgerufen hat, wirkt sich negativ auf die Zufriedenheit mit der Bundesregierung aus: Aktuell sind nur noch 47 Prozent der Deutschen mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden; im Mai waren es noch 55 Prozent. Zudem verlieren sowohl Vertreter der Regierung als auch der Opposition deutlich an Zustimmung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verliert 10 Punkte und fällt mit 59 Prozent Zustimmung auf Platz drei der beliebtesten Politiker zurück - hinter Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz verzeichnet Verluste und erreicht mit nur 33 Prozent Zustimmung seinen niedrigsten Wert im ARD-Deutschlandtrend.
Keine Wechselstimmung
Trotz leichter Einbußen (-5 Punkte) muss Bundeskanzlerin Angela Merkel sich keine Sorgen um ihr Amt machen. Bei der Frage, wen die Deutschen zum Bundeskanzler wählen würden, liegt sie mit 52 Prozent weiterhin klar vor ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz. Kurz nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten schoss Schulz im Februar und März in den Umfragen an Merkel vorbei. Inzwischen sind seine Werte wieder gesunken und haben sich um die 30 Prozent eingependelt.
Gut sechs Wochen vor der Bundestagswahl gibt es also keine Wechselstimmung in Deutschland: Die Union muss nicht fürchten, von den Sozialdemokraten vom Siegerpodest verdrängt zu werden. Ihr Vorsprung zur SPD beträgt komfortable 15 Prozentpunkte. Wäre die Bundestagswahl bereits am nächsten Sonntag, könnte die CDU/CSU - wie bereits im Juli - mit 39 Prozent der Stimmen rechnen. Für die Sozialdemokraten würden sich aktuell nur 24 Prozent der Wählerinnen und Wähler entscheiden. Sie sind nach dem "Schulz-Hoch" im Frühjahr wieder auf ihre alten Umfragewerte zurückgefallen.
Im Rennen um den begehrten dritten Platz liegen die kleinen Parteien weiterhin Kopf an Kopf: Die Grünen, die FDP und die AfD würden aktuell einen Stimmenanteil von jeweils 8 Prozent erreichen. Für die FDP hieße das den Wiedereinzug in den Bundestag, für die AfD den erstmaligen Einzug ins Parlament. Die Linke käme aktuell auf 9 Prozent der Stimmen. Da viele Wähler sich aber erst kurz vor der Wahl am 24. September festlegen, sind diese Werte nur ein Stimmungsbild vor dem Beginn der heißen und damit entscheidenden Phase des Wahlkampfs.