Deutschlandtrend: SPD rutscht weiter ab
7. September 2017Noch gut zweieinhalb Wochen, dann wird der Bundestag neu gewählt. Der Wahlkampf läuft auf vollen Touren, die Parteien befinden sich im Endspurt auf den 24. September. Auf den letzten Metern geht es um jede Stimme, umso mehr dürfte der jüngste ARD-Deutschlandtrend des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap die SPD enttäuschen. Im Vergleich zum Vormonat geben die Sozialdemokraten noch einmal zwei Prozentpunkte ab und würden, wenn jetzt gewählt würde, auf nur 21 Prozent kommen. Die Unionsparteien CDU und CSU kämen gemeinsam auf unverändert 37 Prozent.
Wäre die repräsentative Umfrage das Ergebnis der Bundestagswahl, dann würde es neben einer Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD für weitere Zweier-Bündnisse keine Mehrheit geben. Auf die Frage, welche Partei die künftige Bundesregierung führen soll, nennt derzeit jeder Zweite (52 Prozent) CDU/CSU. Nur 30 Prozent plädieren für einen politischen Wechsel mit einem Kabinett unter Führung der SPD. Gut zwei Wochen vor der Wahl ist von einer Wechselstimmung im Land wenig zu spüren.
Aber: Es kann sich noch einiges ändern
Die Meinungsforscher sind in der Bewertung ihrer Ergebnisse vorsichtig. Sie betonen, dass sich bislang nur etwas mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten in ihrer Wahlentscheidung tatsächlich festgelegt haben. Knapp zwei von zehn (17 Prozent) Wahlberechtigten äußern zwar eine Parteipräferenz, sagen aber dazu, dass sich die Entscheidung noch ändern kann und knapp drei von zehn (29 Prozent) neigen zur Nichtwahl oder lassen (noch) keine Neigung zu einer Partei erkennen.
Viele Wähler legen sich kurzfristig vor einer Wahl fest. Die gezielte Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern hat im Wahlkampf daher eine besondere Bedeutung. Kein Wunder also, dass die Kandidaten derzeit in ganz Deutschland in unzähligen Veranstaltungen für sich und ihr Parteiprogramm werben. Jenseits der Parteipräferenzen hat Infratest dimap aber auch abgefragt, wie die Wähler Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Herausforderer Martin Schulz im direkten Vergleich beurteilen. Merkel hat überall die Nase vorn, nur beim Thema Bürgernähe kann Schulz punkten.
Könnten die Wahlberechtigen in Deutschland in einer Direktwahl über die Besetzung des Kanzleramtes abstimmen, würden sich knapp drei Wochen vor dem Urnengang 54 Prozent für die Amtsinhaberin von der CDU entscheiden und nur 26 Prozent für den Kanzlerkandidaten der SPD. Während Angela Merkel fünf Punkte zulegen kann, verharrt Martin Schulz bei seinem Wert, den er in der Woche vor dem TV-Duell erreichte, sodass Merkels Vorsprung deutlich angewachsen ist. Nur jeder siebte Befragte (14 Prozent) kann oder will sich spontan für keinen der beiden entscheiden.
Sigmar Gabriel überholt Merkel
Auch in der Liste der zwölf beliebtesten deutschen Politiker schneidet Angela Merkel gut ab. 63 Prozent der Befragten sind mit ihrer Arbeit zufrieden, das ist ein Plus von vier Prozentpunkten im Vergleich zu Anfang August. Martin Schulz kann um sechs Prozentpunkte zulegen, kommt im Ergebnis aber nur auf 39 Prozent. Schulz belegt damit Platz sechs, Merkel Platz zwei. Auf Platz eins landet erstmals Bundesaußenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel. 66 Prozent der Befragten sind mit der Arbeit des früheren SPD-Chefs zufrieden, der zugunsten von Martin Schulz auf die Kanzlerkandidatur für seine Partei verzichtet hatte.
War das ein Fehler? Hätte Gabriel als Spitzenkandidat gegen Angela Merkel antreten sollen? Das ist nicht gesagt. Wer Bundesaußenminister ist, landet in der Liste der beliebtesten Politiker in der Regel sehr weit oben. Auch Sigmar Gabriels Werte sind erst gestiegen, nachdem er im Januar vom Wirtschaftsministerium an die Spitze des Auswärtigen Amtes wechselte. Noch Anfang des Jahres war der bei den Wählern vergleichsweise unbeliebt.
Geht es den Deutschen zu gut?
Doch so aussichtsreich es kurz nach Kür von Martin Schulz zum SPD-Herausforderer ausgesehen hatte, so ernüchternd ist die Lage jetzt. Schulz' Wahlkampf scheint nicht zu zünden. Ob das damit zu tun hat, dass sein zentrales politisches Thema, die "soziale Gerechtigkeit", im wirtschaftlich boomenden und wohlhabenden Deutschland zu wenig Resonanz findet? Der weitaus größte Teil der Bundesbürger schätzt die persönliche wirtschaftliche Situation weiterhin als sehr positiv ein. Knapp acht von zehn (78 Prozent) bewerten ihre eigene finanzielle Lage als sehr gut oder gut. Dabei gibt es allerdings je nach Parteipräferenz durchaus Unterschiede.
Die Anhänger der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland schätzen nicht nur ihre wirtschaftliche Lage vergleichsweise weniger gut ein, sie sind es auch, die sich die meisten Sorgen über die derzeit unsichere weltpolitische Lage machen. 76 Prozent der AfD-Anhänger schätzen die Lage als "sehr bedrohlich" oder "bedrohlich" ein. Weitaus weniger Sorgen machen sich Anhänger von CDU/CSU (57 Prozent) und FDP (53 Prozent). Über alle Parteigrenzen hinweg beurteilen zehn Prozent der Deutschen die Lage als sehr bedrohlich, jeder zweite schätzt sie als bedrohlich ein.
Quo vadis Türkei?
Mit gemischten Gefühlen blicken die Deutschen auch auf die Türkei. In ihrem TV-Rededuell am vergangenen Sonntag hatten sich sowohl SPD-Chef Schulz als auch Kanzlerin Merkel für einen Abbruch der Verhandlungen mit der Türkei über eine Mitgliedschaft in der EU ausgesprochen. Das entspricht mehr denn je der Meinung einer großen Mehrheit der Bundesbürger. Während zwischen 2006 und 2014 konstant etwa 60 Prozent der Deutschen eine Aufnahme der Türkei in die EU abgelehnt hatten, sind es jetzt 84 Prozent.
Die Erwartungen der Bevölkerung an den Umgang der Bundesregierung mit der Türkei fallen sehr eindeutig aus: Neun von zehn Bürgern (88 Prozent) erheben die Forderung, das Berliner Kabinett solle der türkischen Regierung entschiedener entgegentreten. Drei Viertel (77 Prozent) plädieren dafür, dass sich die Bundesregierung für wirtschaftliche Sanktionen gegen das Land einsetzt. Auf der anderen Seite hält es aber auch eine klare Mehrheit von 80 Prozent für richtig, den Gesprächsfaden mit der Türkei nicht völlig abreißen zu lassen - eine Ansicht, die in allen politischen Lagern mehrheitlich vertreten wird.
Zum Schluss: Der Diesel
Mit Blick auf die Innenpolitik nahmen die Forscher von Infratest dimap den letzten "Diesel-Gipfel" im Kanzleramt zum Anlass, die Meinung der Deutschen zu Fahrverboten abzufragen. Im Ergebnis halten 42 Prozent der Bevölkerung Fahrverbote für ältere Diesel-Modelle für richtig, die Mehrzahl von 53 Prozent lehnt sie ab. Die Forderung, ab dem Jahr 2030 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, stößt auf breiten Widerspruch: 65 Prozent lehnen diese Forderung ab, 30 Prozent unterstützen sie.
Gegenwind gibt es auch für den Umgang der Politik mit der deutschen Autoindustrie. Vier von fünf Bürgern halten ihn für viel zu nachsichtig (79 Prozent). Stattdessen fänden sie es richtig (83 Prozent) wenn die Hersteller höhere Entschädigungen zahlen würden.