DFB-Team fehlen nach Kolumbien-Spiel die Argumente
21. Juni 2023Und dann wurde es laut in der Gelsenkirchener Arena. Pfiffe und "Flick raus"-Rufe hallten nach dem letzten Länderspiel der verkorksten WM-Saison durch das Schalker Stadion. Die DFB-Elf hatte gerade 0:2 (0:0) gegen Kolumbien verloren und einmal mehr keine gute Leistung gezeigt. Bundestrainer Hansi Flick verfolgte den nächsten bitteren Länderspiel-Flop am Ende wie versteinert auf seinem wankenden Trainerstuhl. "Wir haben alle absolutes Vertrauen in ihn", erklärte Torwart Marc-André ter Stegen in der Mixedzone nach dem Spiel und verwies auf die nun beginnende Sommerpause, die "alle einmal zum Abschalten nutzen sollten". Auch Benjamin Henrichs unterstrich, dass Flick noch der richtige Trainer sei. "Es ist einfach nicht gut gelaufen, aber in erster Linie müssen wir Spieler uns hinterfragen", so der Nationalspieler.
Auch Direktor Rudi Völler, der das Spiel ebenfalls im Stadion verfolgte, nahm die Spieler knapp ein Jahr vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland in die Pflicht. "Das Gesamtpaket der drei Spiele war zu wenig, das muss man einfach sagen. Es waren einige dabei, die werden wir im September nicht mehr sehen. Der ein oder andere ist an seine Grenzen gekommen. Wenn wir eine gute EM spielen wollen, müssen wir mehr brennen."
Das DFB-Team hatte zuvor gegen die Ukraine ein Unentschieden gerettet und in Polen verloren. In den vergangenen elf Spielen hat die Nationalmannschaft lediglich dreimal gewinnen können. Deutschland ist im Mittelmaß angekommen und liefert momentan auch wenig bis keine Argumente dagegen. Das musste auch Stürmer Niclas Füllkrug in der Mixed-Zone eingestehen. "Dem ist gerade schwer zu widersprechen", sagte er. "Es ist schwer zu erklären gerade."
Hansi Flick: "Ich bin sehr enttäuscht"
Knapp ein Jahr vor der Heim-EM geht Bundestrainer Flick mit einer schweren Hypothek in die anstehenden Aufgaben. Das abermals neuformierte DFB-Team unterlag giftigen Kolumbianern verdient. Der Druck auf Flick steigt und steigt, er sieht einem unruhigen Sommer entgegen - trotz Jobgarantie, die ihm Völler gegeben hatte.
"Ich bin sehr enttäuscht", sagte Flick, "wir wollten was ausprobieren, das ging in die Hose. Die Argumente sind nicht auf unserer Seite." Ihm fehlte die Bereitschaft und der "Speed", er versprach: Ab September, gegen Japan und Frankreich, "werden wir uns einspielen, dann werden die Ergebnisse kommen".
Leon Goretzka: "Es ist dramatisch"
Doch seinen Spielern scheint der Glaube abhanden zu kommen. "Ich weiß nicht, ob bedenklich reicht. Es ist dramatisch, das muss man ganz klar sagen", sagte Leon Goretzka geknickt. "Es fehlt an allen Ecken und Enden."
"Wenn man es über einen längeren Zeitraum nicht schafft, dieses Potenzial auf dem Platz abzurufen, dann müssen wir irgendwann die Frage stellen, ob wir auch die Qualität haben, um hundertprozentig auf allerhöchstem Niveau zu spielen", sagte Kapitän Ilkay Gündogan, der nach dem Erfolg mit Manchester City in der Champions League erstmals wieder im Team war. Robin Gosens betonte: "Die Sorgen werden immer größer."
Für die Spieler geht es nach einer langen Saison nun in den Sommerurlaub. Für Hansi Flick und sein Team vom DFB geht die Arbeit jetzt erst richtig los, denn viel Zeit bleibt nicht mehr, ein konkurrenzfähiges Team auf die Beine zu stellen. "Wir haben die Qualität, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein", so Ter Stegen, der sicher ist, dass die DFB-Elf nach dem Sommer wieder "mental und physisch voll da sein wird."
So wie es aussieht wird auch Flick dann an der Seitenlinie stehen, denn einen Rücktritt schloss der 58-Jährige am Abend in Gelsenkirchen aus. "Meine Idee vom Fußball ist für diese Mannschaft die richtige", sagte er. Auf die Frage, ob er persönliche Konsequenzen ausschließe, antwortete der Bundestrainer: "So eine Situation habe ich in der Form noch nicht erlebt. Ich kann mit den besten Spielern Deutschlands trainieren, mir macht die Arbeit Spaß. Wir versuchen, es im September besser zu machen."