Tor-Party zum Abschied von Joachim Löw
11. November 2021Noch schnell den Fanschal zurechtgezupft, die deutsche Fahne über die Schultern gelegt und das Handy in die richtige Position gebracht. Valentina und Sophie haben sich für das letzte Heimspiel der DFB-Elf in diesem Jahr besonders schick gemacht und posieren kurz vor dem Spiel noch für das digitale Fotoalbum. "Seit Hansi Flick Trainer ist, hat sich einiges verändert", sagt Sophie und erklärt: "Es fühlt sich so an, als gäbe es einen größeren Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft. Es sieht so aus, als hätten sie wieder mehr Spaß beim Fußballspielen." Ihre Freundin Valentina nickt zustimmend und ergänzt: "Wir waren auch schon beim letzten Spiel in Hamburg dabei. Es ist wieder richtig spannend, der Nationalmannschaft zuzuschauen."
Neben dem immer besser werdenden Fußball sind die beiden Freundinnen aber vor allem wegen einem Mann nach Wolfsburg gereist: Weltmeistertrainer Joachim Löw. "Wir haben ihm den WM-Titel zu verdanken und das werden wir nie vergessen" - da sind sich die beiden Fans einig und erzählen stolz, dass sie auch extra ein Plakat mit der Aufschrift "Danke, Jogi" für den 61-Jährigen gebastelt haben. Aus gutem Grund, denn der DFB nutzte das letzte Heimspiel des Jahres um sich bei Trainer Löw zu bedanken und ihn 135 Tage nach seinem letzten Einsatz auf der Trainerbank offiziell zu verabschieden.
Sprechchöre für Joachim Löw
Und dafür waren nicht nur fast 26.000 Fans angereist, sondern auch einige ehemalige Nationalspieler, die 2014 gemeinsam mit Löw in Brasilien den vierten WM-Titel für Deutschland geholt und sich in die Geschichtsbücher des DFB eingetragen hatten. Sie bildeten ein Spalier, als Löw den Platz betrat. Sieben Jahre nach Rio de Janeiro - und bei deutlich kälteren Temperaturen als damals - gab es noch einmal Standing Ovations für den 61-Jährigen. "Jogi Löw, Jogi Löw, Jogi Löw" hallte es durch das Wolfsburger Stadion als der ehemalige Bundestrainer seine Abschiedsurkunde entgegen nahm. "Danke für alles, Deutschland. Es war mir eine große Freude", wurde er auf der Verbandsseite zitiert. Damit war dann auch ganz offiziell die Ära Löw beendet.
Passend zu einer großen Abschiedsparty war auch noch das sportlich eher kleine Liechtenstein zu Gast. Und nachdem sich die Gäste bereits nach wenigen Minuten durch eine Rote Karte zunächst selbst dezimierten, damit einen Strafstoß verursachten und knapp zehn Minuten später auch noch ins eigene Tor trafen, dauerte es nicht lange bis die DFB-Elf ins Rollen kam. Das Team von Bundestrainer Hansi Flick schnürte die Gäste im eigenen Strafraum ein, so dass sogar Schlussmann Manuel Neuer zwischenzeitlich in der Liechtensteiner Hälfte mal nach dem rechten schauen durfte.
Ilkay Gündogan (11. Minute), Eigentorschütze Daniel Kaufmann (20.), Leroy Sané mit einem Doppelpack (22./49.), Marco Reus (23.), zweimal Thomas Müller (76./86.) Ridle Baku (80.) und Liechtensteins Maximilian Göppel mit einem weiteren Eigentor (89.) sorgten für einen ungefährdeten 9:0 (4:0)-Erfolg gegen Liechtenstein, das im Hinspiel noch ein unangenehmer Gegner war. Es war der sechste Sieg in Serie unter Flick, der damit einen Startrekord aufstellte und seinen Vorgänger Löw überflügelte.
Nmecha - der neue Klose?
Flick, dessen Aufgabe in den kommenden Monaten vor allem darin bestehen wird, ein Team zu formen, das bei der kommenden WM in Katar 2022 wieder konkurrenzfähig sein kann, hat in seiner 13-wöchigen Amtszeit schon einiges versucht und bewegt. So war Stürmer Lukas Nmecha beispielsweise bereits der vierte Debütant unter dem neuen Bundestrainer und könnte künftig ein wichtiger Teil der Offensive werden.
Denn seit dem Rücktritt von Miroslav Klose vor sieben Jahren, fehlt der deutschen Mannschaft ein echter Neuner, also ein klassischer Stürmertyp. Nmecha, der in der Bundesliga bislang viermal in dieser Saison getroffen hat, könnte diese Rolle in Zukunft übernehmen. Gegen Liechtenstein kam er nach der Pause und erarbeitete sich Chancen. Seinen Debüttreffer verpasste er aber, weil bei seiner besten Chance der Pfosten im Weg stand.
Abschied bei einem Glas Wein
Hansi Flick probiert vieles aus, hat in den ersten Wochen aber besonders am Teamgeist gearbeitet. "Die Laune auf dem Platz ist viel besser, sie haben sich bei den letzten Spielen nicht mehr angezofft", hat Fan Michael beobachtet. "So muss der Fußball sein, so macht das auch Spaß zuzuschauen."
Bei einem guten Glas Rotwein werden der alte und neue Bundestrainer den Abend des letzten Heimspiels ausklingen lassen. So hatte es Flick bereits vor dem WM-Qualifikationsspiel angekündigt. Es ist der inoffizielle Teil der Stabübergabe und der Beginn einer neuen Zeit, auf die zumindest die Fans ein bisschen zu lange haben warten müssen.