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Musik

6. Bonner Aids-Gala war fröhlich-nachdenklich

Rick Fulker
21. Mai 2017

Neben einem kurzen Schlagabtausch zwischen FDP-Chef Lindner und Moderator Oliver Welke waren vor allem sie das Highlight des Abends: die Solistinnen und Solisten von Weltrang. Sie alle holten das Beste aus sich heraus.

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AIDS Gala Oliver Welke und Christian Lindner
Bild: DW

Oliver Welke trifft Christian Lindner

Gleich zu Beginn fesselte die italienische Mezzosopranistin Annalisa Stroppa das Publikum mit ihrem halsbrecherischen Koloraturgesang. Sie sang so präzise und doch so schnell, dass man das fast nicht mehr mitbekam und zitterte, ob sie das wohl schaffen würde. Sie schaffte es.

Der warme Vokalklang der amerikanischen Sopranistin Janai Brugger schien dagegen aus der Tiefe ihrer Seele zu kommen.

Ein Bariton mit diabolischer Kraft war bei zwei Einsätzen aus Arrigo Boitos Oper "Mefistofele" zu hören: Alexander Tsymbalyuk, in Odessa geboren, strahlte ebenso stark aus wie sein georgischer Bariton-Kollege George Gagnidze, der Arien aus Verdis "Rigoletto" und Umberto Giordanos "Andrea Chénier" zum Besten gab. Die Französin Virginie Verrez und die Australierin Siobhan Stagg - die eine feinfühlig und raffiniert, die andere inbrünstig - führten vor, welche extrem unterschiedlichen Möglichkeiten in der Gesangskunst doch stecken.

Annalisa Stroppa auf der Bühne der 6. Bonner Operngala der Deutschen AIDS-Stiftung (Foto: Patric Fouad)
Faszinierend: Der Koloraturgesang von Annalisa StroppaBild: Patric Fouad

Vorschau auf die Zukunft der Opernkunst

Der Abend des 20. Mai in der Bonner Oper bot beinahe ein Gesamtangebot der Stars der internationalen Opernszene, ohne dass man nach Venedig, London, Berlin oder New York reisen musste. Und das nach drei kurzfristigen Absagen und zwei Umbesetzungen: Die Programmgestalter bei der Deutschen AIDS-Stiftung müssen im Vorfeld um den Erfolg des Abends gebangt haben. Doch der Amerikaner Joshua Guerrero und die Kroatin Marigona Qerkezi übernahmen die für andere Solisten gedachten Partien souverän und überzeugend - beinahe so, als hätten sie nur eine Schalttaste zu einem Massenspeicher bedienen müssen, um bekannte Arien von Verdi oder Donizetti abzurufen.

George Gagnidze und Alexander Tsymbalyuk auf der 6. Bonner Operngala der Deutschen AIDS-Stiftung (Foto: Patric Fouad)
Auch die beiden Baritone George Gagnidze und Alexander Tsymbalyuk begeisterten das Publikum Bild: Patric Fouad

Am meisten begeisterte jedoch Attala Ayan aus Brasilien, der unumstrittene Star des Abends: Bei seiner Interpretation der Arie "Che gelida manina" aus Giacomo Puccinis Oper "La Bohème" kamen feinnuancierte Timbres zur Geltung. Er ging an die Grenzen von dem, was an Strahlkraft möglich ist - ohne seine Reserven zu erschöpfen. Von diesem Tenor, der erst Anfang 30 ist, wird noch zu hören sein.

 

Humorvoller Umgang mit dem eigenen Unwissen

Wie der Moderator des Abends sagte, der aus der Satiresendung "heute-Show" bekannte Oliver Welke, hätten die Initiatoren der Bonner Operngala Helmut Andreas und Arndt Hartwig wohl "einen guten Riecher" gehabt als sie vor einem Jahr den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner zum Schirmherr des Abends berufen hätten: Nach der für die Partei erfolgreichen Wahl in Nordrhein-Westfalen am vergangenen Wochenende sei er jetzt "der Mann der Stunde". Es folgte ein geistreicher Austausch zwischen dem Politsatiriker Welke und dem Politiker Lindner, dessen Partei in den vergangenen Jahren "so viel Stoff" für Satire geliefert habe.

Porträtbild von Oliver Welke (Foto: Willi Weber)
Moderierte den Abend sehr unterhaltsam: Oliver Welke Bild: Willi Weber

Aus der Tatsache, dass Welke als Moderator eines Opernabends nicht unbedingt in seinem Element gewesen ist, machte er keinen Hehl: Er wies auf seine schnelle Google-Recherche hin und führte amüsant vor, wo dabei die Grenzen liegen. Prompt fühlte man sich ans Vorjahr erinnert, als die Moderatorin Bettina Böttinger - auch eine bekannte deutsche Fernseh-Persönlichkeit - ebenfalls mit ihren dürftigen Klassikkenntnissen kokettierte. Bei einem Publikum, das größtenteils nicht in die Oper geht, dürfte das passen. Vielleicht gelingt es den Veranstaltern jedoch, bei einer zukünftigen Gala einen Moderator zu finden, der die Klassik nicht als Insider-Bereich darstellt und dazu ermutigt, für diese Musikrichtung offen zu sein.

Noch viel zu tun

Dass es bei aller guten Stimmung um ein ernsthaftes Thema ging, daran erinnerte Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für HIV-Forschung am Universitätsklinikum Essen. "Wenn man sich vor Augen führt, dass allein in der letzten Woche so viele Mensch an AIDS verstorben sind, die an Ebola je erkrankt waren, dann kann man nicht mehr auf die Politik warten." Streecks Stelle zur Koordination der Impfstoff-Forscher in Deutschland wird von der Deutschen AIDS-Stiftung mitfinanziert.

Deren Vorstandsvorsitzende Elisabeth Pott nannte einen Bericht von UNAIDS, demzufolge es um das Jahr 2030 mit der Krankheit vorbei sein könne, "ein großes Missverständnis. Das heißt nur: Von den Menschen, die sich dann noch infizieren, werden nur noch diejenigen an AIDS erkranken, die nicht frühzeitig behandelt werden können. Und im Moment werden knapp die Hälfte der Menschen weltweit, die infiziert sind, behandelt - und nicht mehr."

Das Beethovenorchester hinter einer Projektion der roten Aids-Schleife bei der 6. Bonner Operngala der Deutschen AIDS-Stiftung (Foto: Thilo Beu)
Das Beethovenorchester spielte hinter einer Projektion der roten Aids-SchleifeBild: Thilo Beu

Die Bedeutung der AIDS-Behandlung und -Prävention wird einem umso bewusster, denkt man nur an die derzeit 60 Millionen Flüchtlinge weltweit oder an die herrschenden Zustände in den Ländern, die sie verlassen. "Man sollte also nicht dem Missverständnis aufsitzen: Dafür brauche man sich nicht mehr zu engagieren", fügte Pott hinzu.

Auch Peter Limbourg, Intendant der Deutschen Welle, die Medienpartner war, sprach die weltweite Dimension der Krankheit Aids an, die immer wieder aus den Schlagzeilen verschwindet. Ein Korrektiv dazu, so Limbourg, sei die Arbeit des Senders: "Die Krankheit betrifft beispielsweise in Afrika Millionen von Menschen. Das sind unsere Zielgruppen, und da finden wir, dass wir das Thema transportieren müssen."

Dass das Thema Aids durchaus mit Stoff für die Lachmuskeln und Opern-Ohrwürmern zusammenpassen kann, war nach der dreieinhalbstündigen Benefizveranstaltung klar. Die Bilanz: Nach 205.000 Euro Reinerlös im Vorjahr schätzte Helmut Andreas Hartwig den Ertrag dieser 6. Bonner Operngala auf 225.000 Euro.

Ein Audiomitschnitt der Gala wird ab dem 2. Juni für zwei Wochen auf der Kulturseite der DW abrufbar sein. Videoausschnitte der Gala werden am 24. Mai in der Sendung "Euromaxx" und am 25. Mai bei "Sarah's Music" zu sehen sein.