AfD im Bundestag: "Gefahr für die Demokratie"
24. Oktober 2018"Das Stilmittel der AfD ist das Hohngelächter", sagt FDP-Parteichef Christian Lindner. Im Bundestag sitzt seine Fraktion direkt neben der AfD. Seit einem Jahr jetzt. Scharfe Zwischenrufe und eine "bizarre Besserwisserei" charakterisierten diese Nachbarn, sagt Lindner. Der Umgang habe sich auch mit der Zeit nicht verändert: "Mit so jemandem hat man doch kein Interesse, ein Bier zu trinken." Neben Lindner sitzt der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und nickt. Ein ungewöhnlicher Anblick. Viel gegenseitiges Kopfnicken haben die Vertreter der beiden Oppositionsparteien sonst nicht füreinander übrig: Egal ob Wirtschaft oder Sozialpolitik, in den meisten Fragen stehen sich Linke und FDP mit ihren politischen Interessen diametral gegenüber. Ein Thema scheint sie zusammenzubringen: Ein Bier mit der AfD? Geht gar nicht.
"Das Klima hat sich verändert"
Das ist bezeichnend für eine neue politische Realität. Genau ein Jahr ist es her, dass mit der rechtspopulistischen AfD eine Partei in den Bundestag einzog, der es um einen "prinzipiellen Bruch mit zentralen Werten des Grundgesetzes" geht. So formuliert es der Kölner Politologe Christoph Butterwegge. Zusammen mit Gudrun Hentges und Gerd Wiegel analysiert er in seinem neuen Buch "Rechtspopulisten im Parlament. Polemik, Agitation und Propaganda der AfD", wie die AfD auf der politischen Bühne agiert. Nicht nur im Bundestag. Denn am Wochenende dürfte die Partei bei den Wahlen in Hessen auch in den letzten deutschen Landtag einziehen.
Butterwegge beobachtet beim nationalistischen Flügel der AfD um den Thüringer Landeschef Björn Höcke eine "Radikalisierungsspirale". Die AfD müsse stets für sich zeigen, dass die parlamentarische Arbeit nicht zu einer Angleichung an die anderen Parteien führe. Die Hoffnung, dass die parlamentarische Arbeit die Partei diszipliniere oder gar "entzaubere", halte er ein Jahr nach dem Einzug in den Bundestag für eine Illusion.
Drastische Beispiele für eine solche Radikalisierung in der Sprache gibt es zuhauf. Gleich nach der Wahl kündigte AfD-Fraktionschef Gauland unter Jubel an, man werde die Bundesregierung "jagen", und schlug damit einen Ton an, der seitdem mehr oder weniger geblieben ist. "Der Umgangston im Deutschen Bundestag hat sich verändert, das Klima hat sich verändert, weil es eine Fraktion gibt, die ausschließlich auf Provokation setzt", so die Beobachtung von Linken-Fraktionsvorsitzenden Bartsch. "Bisher haben die anderen Parteien noch keinen richtigen Umgang damit gefunden."
"Politik muss eine Stilfrage bleiben"
In der Tat scheinen die Fraktionen um eine Strategie zu ringen, eine klare Linie gibt es nicht. Die einen scheinen auf Konfrontation zu setzen. In Erinnerung geblieben sind feurige Wutreden, die sofort viral gingen. Von Martin Schulz zum Beispiel, der Gauland vorwarf, sich in seinen Reden der tradierten "Mittel des Faschismus" zu bedienen. Zuvor hatte Gauland in seiner Rede die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel scharf kritisiert und Straftaten von Asylbewerbern und Flüchtlingen aufgezählt.
Lindner hält solche wütenden Reden für den falschen Weg: "Demokratische Politiker dürfen sich nicht auf das Niveau der AfD herunterbegeben, Politik muss eine Stilfrage bleiben." Bartsch ist ganz seiner Meinung. Damit spiele man der AfD nur in die Karten. Diese könne ihr Narrativ der "Anti-Establishment"-Partei so nur schärfen.
Umgang mit der AfD: Ein Spagat
Statt sich an den neuen Umgangston anzupassen, sollten sich die etablierten Parteien inhaltlich mit den Widersprüchen der AfD befassen, betont auch Butterwegge. In vielen Bereichen, zum Beispiel bei sozialpolitischen Fragen wie der Rente, widersprächen sich die Redner der AfD-Fraktion oft vollkommen. Diese Widersprüche müssten aufgezeigt werden, um sie dann politisch zu nutzen.
"Es gibt hier Alternativen zu dem, was die da in der Politik machen. Darauf müssen wir aufmerksam machen", stellt Bartsch selbstkritisch fest. Profilschärfung ist das Wort der Stunde. Bei der Landtagswahl in Bayern verloren die großen Volksparteien massiv an Stimmen. Jahre in der großen Koalition scheinen die Unterschiede zwischen den Parteien verwischt zu haben. Auch Lindner fordert als Antwort auf die AfD eine klarere Unterscheidbarkeit der politischen Konzepte der bürgerlichen Parteien.
Christian Lindner und Dietmar Bartsch - so verschieden ihre Gesellschaftsentwürfe sind, so einig scheinen sie sich bei der Buchvorstellung zu diesem Thema. Das zeigt vor allem eins: Der politische Umgang mit der AfD im Bundestag ist ein Spagat. Einerseits wollen die bürgerlichen Parteien inhaltlich unterscheidbar bleiben, andererseits grenzen sie sich gemeinsam von der AfD ab. Die AfD stelle schließlich, so Bartsch, eine "Gefahr für die Demokratie" dar.