Die Angst vor der Altersarmut geht um
24. November 2016Das Thema Alterssicherung kann keinen Sozialpolitiker kalt lassen. Es sorgt für mehr Angst bei den Deutschen als Krieg und Terroranschläge. Drei Viertel der Bevölkerung, so hat es eben wieder das Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelt, meinen, dass ihnen Altersarmut große, oder sogar sehr große Sorgen bereitet.
Wenn jetzt die Spitzenvertreter der Koalitionsparteien und – Fraktionen im Kanzleramt zusammenkommen, um über das neue Alterssicherungs-Gesamtkonzept von Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) zu sprechen, darf man davon ausgehen, dass die Gesprächsteilnehmer unter hohem Druck stehen. Denn bald ist wieder Wahlkampf und beim Rentengipfel müssen die Regierungspartner von Union und SPD klären, wie viel sie noch gemeinsam stemmen wollen und wo sie schon mal anfangen, sich die Wähler gewogen zu machen.
Höhere Beiträge oder weniger Rente
Egal, wie der Rentengipfel ausgeht, Nahles will ihr Konzept am Tag danach vorstellen. Es soll Wege aufzeigen, wie es mit der Rente in den kommenden Jahrzehnten weitergeht. Geht es mit dem aktuellen System weiter, werden entweder die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung weiter ansteigen oder eben die Renten immer weiter eingedampft.
Nach den derzeit aktuellen gesetzlichen Regelungen wird die Rente, so prognostiziert die Sozialministerin, 2040 nur noch 41 Prozent des Durchschnittslohns ausmachen (aktuell: 48 Prozent). Um bis dahin ein Niveau von nur 42 Prozent zu halten, müssten die Beiträge eigentlich von jetzt 18,7 auf 23,4 Prozent steigen. Bei diesen beiden Parametern möchte die Sozialministerin Grenzen ziehen. Es ist von einer "doppelten Haltelinie" die Rede – eine Sprachregelung, die sich sowohl bei Nahles wie auch bei CSU-Chef Horst Seehofer findet.
Diese so genannte Haltelinie wird aber höchstwahrscheinlich den Einsatz von Steuermitteln erfordern, also den Etat belasten. Das stört Politiker aus der CDU. "Das klingt erstmal gut, aber das kostet 40 Milliarden Euro pro Jahr", warnte der Parlamentarische Staatssekretär Jens Spahn im ZDF. Ebenso umstritten ist die Anhebung der Renten in den ostdeutschen Bundesländernauf das Niveau im Westen, und zwar bis zum Jahr 2020.
Auf ein Thema können sich die drei Regierungsparteien wohl noch einigen. Menschen, die aus Gesundheitsgründen aus dem Berufsleben ausscheiden, sollen bessergestellt werden.
Mehr Geld für Mütter und Geringverdiener
Nahles stellt sich außerdem eine Solidar-Rente vor, die langjährigen berufstätigen Geringverdienern einen Ruhestand über dem Sozialhilfeniveau ermöglichen soll. Die Aufstockung würde aller Wahrscheinlichkeit mit Steuermitteln zu bewältigen sein. Das missfällt den Finanzpolitikern der Union. Hier zeichnet sich anhaltender Zwist ab, denn SPD- Parteichef Sigmar Gabriel hat bereits angekündigt, dass er mit dem Thema Mindestrente auch gerne Wahlkampf machen würde.
Auf der anderen Seite fordert die CSU, die Mütterrente auszuweiten. Die Anrechnung von Erziehungszeiten war schon im vergangenenBundestagswahlwahlkampf 2013 ein Herzensthemafür die Christsozialen. Diesmal stehen sie allerdings allein. SPD und Union finden sie zu teuer. Ohne Rückhalt bei der SPD wiederum wirbt Finanzminister Wolfgang Schäuble dafür, die Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung zu koppeln. Bisher ist gesetzlich festgelegt, dass das Renteneintrittsalter bis 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird. Daran wollen die Sozialdemokraten keinesfalls rütteln.
Keine Einigung wird es wohl auch bei Nahles Vorschlag einer Pflichtversicherung für Selbstständige geben. Bei der Union stößt das auf Vorbehalte. Besonders bei vielen Kleinunternehmern, die ihr Geschäft alleine und ohne Mitarbeiter betreiben, besteht die Gefahr, dass sie zu wenig abgesichert sind und im Alter finanziell abstürzen.
Allen Parteien ist es ein erklärtes Anliegen, das Thema Altersarmut anzugehen. Aber das ist knifflig und wahrscheinlich kostspielig. Denn nicht nur das allgemeine Rentenniveau wird in Zukunft sinken, sondern die armen Alten leben auch länger.
Das Drei-Säulen-Modell
Vor allem die Finanzierung gestaltet sich immer schwieriger, denn immer weniger Arbeitnehmer müssen für immer mehr Rentner aufkommen. Heute kommen auf 100 Arbeitnehmer rund 35 Rentner.
Ein Grund dafür ist die 1957 eingeführte Umlagefinanzierung, die nun zunehmend an ihre Grenzen stößt. Als Reaktion wurde der "Nachhaltigkeitsfaktor" eingeführt. Er koppelte die Berechnung des Rentenanstiegs an die Bevölkerungsentwicklung. Seither steigen die Bezüge kaum noch an. Besonders mittleren und kleinen Einkommen drohen Einschnitte im Lebensstandard. Deswegen wurden zwei weitere Formen der Altersversorgung staatlich propagiert und gefördert: die betriebliche und die private Versicherung. Zusammen mit der gesetzlichen Rentenversicherung bildet dies das Drei-Säulen-Modell der Altervorsorge.
Allerdings hat sich vor allem die private Altersvorsorge unterhalb den Erwartungen entwickelt. Steuerlich gefördert sollten die Arbeitnehmer eine zusätzliche private Vermögensbildung betreiben. Aber die Maßnahme zog nicht wirklich. Die Sparer trauten der Sache nicht, auch war das Verfahren ziemlich bürokratisch. Es wurden viel weniger Verträge abgeschlossen als erwartet und dann brachen auch noch die Renditen durch die Entwicklungen an den Finanzmärkten ein. Es kam zu Milliardenverlusten. In ihrer Konzeption spricht sich Sozialministerin Nahles nun für einen weiteren Ausbau der Betriebsrenten durch Zuschüsse und Steuererleichterungen aus.