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Die Anti-Folter-Konvention gehört zum guten Ton

Henriette Wrege26. Juni 2005

1987 trat die UN-Anti-Folter-Konvention in Kraft. 136 der 191 Mitglieder haben sie bislang ratifiziert. 136 Länder ohne Folter? Falsch. Konventionen unterschreiben ist eine Sache, die Abschaffung von Folter eine andere.

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Misshandlung von Gefangenen in IrakBild: AP/Courtesy of The New Yorker

Artikel 1 der UN-Konvention gegen Folter sagt, dass jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche, seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr ein Geständnis zu erlangen, sie zu bestrafen oder einzuschüchtern, Folter ist. Die Liste der Staaten, die sich verpflichtet haben, keine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zuzulassen, liest sich aber nicht gerade wie ein "Who is Who" von Ländern, in denen Demokratie und Humanität herrschen: Der Kongo und China haben die Anti-Folter-Konvention unterschrieben, genauso wie Ägypten und Libyen oder ehemalige GUS-Staaten wie Weißrussland.

In mehr als 70 Staaten der Welt wird gefoltert
Dieser Mann gab an, während seiner Inhaftierung 1987 in Ägypten mit Schlägen und Elektroschocks mißhandelt worden zu seinBild: dpa

Es gehöre heute zum guten Ton, der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen beizutreten, sagt die Politologin Andrea Liese von der Freien Universität Berlin: Viele Staaten ratifizierten die Konvention, da sie keine Konsequenzen zu befürchten haben. "Dächten sie, dass die Konvention für sie gelten soll, würden sie sie unter diesen Bedingungen nicht ratifizieren."

Viererlei Vertragsstaaten

Die Mitgliedstaaten der Konvention teilt sie in vier Kategorien ein: Sie unterscheidet liberale, konsolidierte Demokratien, in denen Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und bürgerliche Rechte in hohem Maß garantiert sind, von defekten Demokratien, in denen formale Kriterien einer Demokratie zwar erfüllt sind, aber einzelne Bestimmungen wie Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährt werden. Daneben haben auch autoritäre Regime die Konvention unterschrieben, in denen bürgerliche Freiheiten eingeschränkt sind, und Diktaturen ganz ohne politische Rechte und bürgerliche Freiheiten. Sie haben den Akt formal vollzogen und finden immer wieder Möglichkeiten, die Arbeit von Menschrechtsgruppen zu behindern.

"Dokumente werden konfisziert, Berichte werden konfisziert, die Büros von Menschenrechtsgruppen werden durchsucht oder ganz geschlossen", schildert Andrea Liese, "Es wird in sehr vielen Fällen berichtet, dass Anwälte, die sich für Folteropfer einsetzen, eingeschüchtert werden, dass Ärzte, die Atteste ausstellen, über Folterungen eingeschüchtert werden und dass es teilweise entsprechend schwer ist, überhaupt Folter nachzuweisen." In einigen Ländern sollen sogar Folteropfer die Folter aus Angst vor Folgerepressalien gar nicht erst zur Anzeige bringen.

Signalwirkung zum Menschenrechtsschutz

US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba
Taliban-Häftling in Guantanamo BayBild: AP

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat erst kürzlich wieder die Unwirksamkeit der UN-Konvention kritisiert. Vor allem griff die Generalsekretärin Irene Khan die USA an: Das Strafgefangenenlager Guantanamo Bay sei ein neuzeitlicher Gulag und die USA würden durch brutale neue Verhörtechniken das absolute Folter-Verbot schwächen. Trotzdem erfüllt die Anti-Folter-Konvention eine wichtige Aufgabe, meint Andrea Liese, insbesondere der UN-Ausschuss gegen Folter sei ein wichtiges Instrument. Die UN-Konvention habe eine große Signalwirkung: Sie legitimiere die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen vor Ort und habe bislang im Wesentlichen zum Entschluss der Mitgliedsstaaten geführt, nationale Menschenrechtskommissionen einzurichten.

Laut Liese gibt es eine Institutionalisierung des Menschrechtsschutzes in vielen Ländern der Welt und auch Änderungen in der Strafprozessordnung oder in einzelnen rechtlichen Bestimmungen. "Ich kann jetzt allerdings für keinen Vertragsstaat der UN-Konvention darüber berichten, dass dort auf Grund der Mitgliedschaft Folterungen zurückgegangen sind", bedauert sie – die Wirkung in der politischen Praxis sei eher gering.

Druck auf Regierungen durch Publizität

Neben Gesetzestexten werde auch die Rhetorik aufpoliert: Sätze wie "man nehme die Menschenrechte sehr ernst", kämen Regierungen wie der US-Administration oder der türkischen Regierung leicht über die Lippen. Foltermethoden würden weiterentwickelt - weg von sichtbaren Verletzungen, hin zu Maßnahmen wie Schlafentzug oder stundenlanges Verharren in der Hocke mit gefesselten Armen und Beinen. Nach wie vor existiert das Spannungsfeld zwischen den Aussagen nationaler Menschenrechtsgruppen, es werde in Gefängnissen gefoltert und den Erwiderungen der Regierungen, das sei alles Propaganda.

Anti Folter Demonstration in Santiago Chile
Demonstration in Chile gegen Folter am 26. Juni 2003Bild: AP

Laut Andrea Liese kann das UN-Menschenrechtssystem durch rechtsverbindliche Ausschussempfehlungen verbessert werden, wie es im europäischen Menschenrechtssystem der Fall ist. Dort kann der Europäische Gerichtshof zu rechtsverbindlichen Urteilen kommen. Eine Weltregierung und ein Weltgericht hält sie aber für völlig unrealistisch. "Das Einzige, was hier helfen kann, ist Publizität", meint die Politologin. Die Entscheidungen in den Verfahren und die Empfehlungen des Ausschusses seien häufig nicht oder kaum bekannt. Eine andere Möglichkeit sei die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen, um so den Druck auf die Regierungen zu erhöhen, einen Reformprozess anzufangen.

Vielleicht verkleinert sich dann die Kluft zwischen hochfliegender Menschenrechtsrhetorik und Realität. Die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, verlangte unlängst mehr Geld und Personal zur Überprüfung der Menschenrechtslage in der Welt: In einer Welt, die durch tägliche Angriffe auf die Würde und Freiheit heimgesucht werde, sei dies ein Aufruf an das Gewissen.