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Die ewige Frage: Was darf Satire?

Benjamin Knight / Greta Hamann11. Januar 2015

Wie weit dürfen Karikaturen gehen und bis wohin reicht die Pressefreiheit? Angesichts der Attentate auf die französische Satire-Zeitung Charlie Hebdo ist auch wieder die Diskussion um die Darstellungsform Satire groß.

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Mann liest Charlie Hebdo-Ausgabe mit Mohammed-Karrikatur auf dem Cover - (Foto: Thomas Coex AFP)
Bild: AFP/GettyImages/T. Coex

"Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt" - das schrieb der deutsche Satiriker und Journalist Kurt Tucholsky vor fast über 100 Jahren. In seinem Text "Was darf Satire?" behandelte er schon 1919 eine Frage, die die Menschen bis heute bewegt und durch den Angriff auf Charlie Hebdo besondere Aktualität erhält.

Satire soll witzig sein, aber Satire muss auch übertreiben - das ist ihr Wesen. Würde sie nicht provozieren, wäre sie keine Satire mehr. Tucholsky, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts wegen eines kirchenkritischen Gedichts vor Gericht verantworten musste, hatte eine klare Antwort auf die Frage: "Was darf Satire?" Alles.

Immer wieder berufen sich deutsche Satiriker, Karikaturisten und Journalisten auf diese Formel. Gebetsmühlenartig wird sie wiederholt. Trotzdem ist die Aussage stets in der Diskussion. Denn Grenzen bestehen durchaus.

"Wenn es um Blasphemie, wenn es um Schmähung geht oder wenn es schlicht darum geht, jemanden herabzusetzen nur um des Herabsetzens wegen, dann ist eine Grenze erreicht", sagte Gisela Vetter-Liebenow, Leiterin des Deutschen Museums für Karikatur und Zeichenkunst dem Westdeutschen Rundfunk.

Deutscher Pressekodex: "Religionen nicht schmähen"

Wichtig sei, so der Sprecher des deutschen Presserates Oliver Schlappat, dass hinter der Satire - und im Speziellen der Karikatur, also der bidlichen Form der Satire - immer eine Aussage stehe: "Solange hinter der Satire eine politische oder gesellschaftliche Kernbotschaft steht und solange niemand nur verhöhnt wird oder eine Religion lächerlich gemacht wird, bewegt sich Satire im Bereich dessen, was wir für akzeptabel halten."

Der Deutsche Presserat veröffentlicht in Deutschland den sogenannten Pressekodex. In diesem werden Richtlinien und Handlungsempfehlungen an Journalisten und Medienunternehmen gegeben. Diese sind jedoch nicht verpflichtend. Die meisten deutschen Medien halten sich an den Kodex, so auch ein Großteil der frei arbeitenden Journalisten. Zielt Satire ausschließlich darauf ab, eine Religion zu beleidigen, dann verstößt sie auch gegen den deutschen Pressekodex. Speziell auf die Karikaturen von "Charlie Hebdo" angesprochen, sieht Presseratssprecher Schlappat keinen Verstoß gegen den Kodex: "Die Karikaturen, die ich bisher gesehen habe, sind absolut vertretbar was die Presse-ethischen Aspekte anbelangt."

Satire in Deutschland besonders geschützt

Bisher haben fast alle deutschen Gerichte sich in Fällen, in denen es um Satire ging, eher gegen die Einschränkung der Veröffentlichung entschieden - also für die Pressefreiheit. "Es ist absolut akzeptabel, auf starke Mittel zurückzugreifen, um etwas deutlich zu machen. Auch die Nutzung scharfer Formulierungen, die man sich gut merken kann oder abwertende Kritik oder übertriebene Polemik ist zulässig", sagt Steffen Bunnenberg, Rechtsanwalt der Berliner Anwaltskanzlei "Bunnenberg und Betram", spezialisiert auf Medienrecht: "Auch wenn der Kläger sich persönlich beleidigt fühlt, ist das kein zwingender Grund, eine Veröffentlichung zu verbieten."

Kurt Tucholsky (Foto: picture alliance)
Der Satiriker und Journalist Kurt Tucholsky im Jahr 1931Bild: picture-alliance/akg-images

Trotzdem befinden sich Gesetze, die die Pressefreiheit garantieren, in einem konstanten Ringen mit dem Persönlichkeitsrecht einzelner Personen. "Man muss immer den Einzelfall betrachten", erläutert Bunnenberg. "Jedes Gericht schaut sich eine Karikatur beispielsweise genau an - wie ist sie gezeichnet, warum wurde sie gezeichnet - gibt es ein spezielles öffentliches Interesse an ihr?" Dann entscheiden die Richter nach ihrem Ermessen. Dabei gebe es Gerichte, die eher "Opfer-freundlich" sind, sagt Anwalt Bunnenberg, und andere, die eher im Sinne der Pressefreiheit entscheiden.

"Solidarität ist sehr wichtig"

Die Veröffentlichung von Karikaturen aus der Feder der ermordeten "Charlie Hebdo"-Zeichner untersteht dabei aktuell noch einem besonderen Recht. Selbst wenn sie die persönlichen, religiösen Gefühle Einzelner beleidigen würden, wären Klagen gegen die Veröffentlichung derzeit wohl erfolglos. Denn die Zeichnungen gehören vor dem Hintergrund der Attentate nun zum öffentlichen Interesse. "Alle Karikaturen, die im Zusammenhang mit der Attacke stehen, haben eine thematische Relevanz“, sagt Rechtsanwalt Bunnenberg: "Ich würde es nicht komplett ausschließen, aber es ist doch sehr, sehr unwahrscheinlich, dass ein Gericht die Karikaturen, die bisher veröffentlicht worden sind, verbieten würde", so Bunnenberg weiter.

Satiremagazin "Charlie Hebdo"
Satiremagazin "Charlie Hebdo"

Ein wichtiger Aspekt sei stets die Menge der Veröffentlichungen, ergänzt er: "Je mehr Zeitungen die Karikaturen veröffentlichen, desto stärker werden sie - Solidarität ist hier stets sehr wichtig."

Wer sich ausführlich über die Geschichte der Frage, was Satire darf, informieren möchte, kann dies bald auch in Hannover tun. Das Deutsche Museum für Karikatur & Zeichenkunst plant eine Ausstellung, die die Debatte abbilden soll. Die umstrittenen Mohammed-Karikaturen sollen dort auch gezeigt werden, kündigte die Leiterin Gisela Vetter-Liebenow an: Auch wenn sich das Museum damit zum potentiellen Ziel von Attentätern machen könnte. "Man sollte sich nicht von der Angst leiten lassen. Dann haben die Terroristen gewonnen." Karikaturen, ergänzt sie, unterstehen der Kunstfreiheit, sie dürfe also alles: "Dafür haben die Menschen die letzten Jahrhunderte gekämpft. Und das sollten wir weiter tun."