FDP 2017: Jubelarie oder Abgesang
5. Januar 2017Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Christian Lindner nicht beklagen. Kurz vor seinem Auftritt beim Dreikönigstreffen am Freitag in Stuttgart ist der seit 2013 amtierende FDP-Vorsitzende ein bei Journalisten gefragter Mann. Das hat vor allem zwei Gründe: weil in diesem Jahr ein neuer Bundestag gewählt wird und weil die Freien Demokraten 2016 bei Landtagswahlen erfolgreich waren. Das nährt die Hoffnung auf eine Rückkehr ins Berliner Reichstagsgebäude, aus dem die Partei vor vier Jahren rausgeflogen ist. Es war eine schmerzliche Premiere für die FDP.
Unter Lindners Führung ist es der Partei gelungen, sich zu erholen. Dafür spricht unter anderem die Rückkehr ins Parlament von Rheinland-Pfalz. Dort ist man sogar gleich wieder Teil der Regierung geworden - in einer Koalition mit Sozialdemokraten und Grünen. Auch das ist eine Premiere für die marktliberale FDP. Und wie zu hören ist, verstehen sich die Freidemokraten dort mit ihrem traditionellen grünen Lieblingsgegner ziemlich gut. Dabei werfen die Liberalen der Ökopartei sonst immer vor, die Bürger bevormunden zu wollen. Wenn es um Fragen der vermeintlich richtigen Ernährung geht oder die vermeintlich richtige Methode der Stromerzeugung.
Die FDP spricht schon wieder selbstbewusst über Steuersenkungen
Anders als der rheinland-pfälzische FDP-Wirtschaftsminister Volker Wissing erweckt Lindner jedoch nicht den Eindruck, sich auf Bundesebene ein Dreier-Bündnis mit den Grünen vorstellen zu können. Der bald 38-Jährige (er hat am Tag nach Dreikönig Geburtstag) betont aber auch stets, dass es auf die Inhalte ankäme. Und da setzt die FDP programmatisch auf alt bekannte Themen: Bildung und Bürgerrechte, starker Mittelstand, starkes Europa.
Sogar Steuersenkungen fordert die Partei inzwischen wieder offensiv. Dabei ist der Niedergang der FDP, der nach der Bundestagswahl 2009 einsetzte, mit diesem Stichwort aufs Engste verknüpft. Denn in der Koalition mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte die damals noch von Guido Westerwelle angeführte FDP ihr größtes Wahlversprechen, die Steuern massiv zu senken, nicht annähernd einlösen.
Der Parteichef hat sich von Guido Westerwelle emanzipiert
Apropos Westerwelle: Das parteipolitische Erbe des inzwischen verstorbenen ehemaligen Außenministers scheint für Lindner keine Belastung mehr zu sein. Die Erneuerung ist ihm - gemessen an der Bilanz bei Landtagswahlen - gelungen. Denn außer in Rheinland-Pfalz kehrte die FDP auch in die Stadtparlamente von Berlin und Bremen zurück. Durch diese Erfolge ließ sich das Scheitern bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einigermaßen verkraften. Zumal der Osten Deutschlands für die bürgerlich geprägte FDP schon immer ein schwieriges Pflaster war.
Vor der Bundestagswahl müssen die Liberalen drei Generalproben meistern. Wobei die Landtagswahl im kleinen Saarland Ende März als die schwierigste gilt. Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde wäre keine Überraschung. Anders sieht es in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen aus, wo im Mai gewählt wird. Lindner muss dabei als FDP-Fraktionschef und Spitzenkandidat in NRW den Spagat wagen, sich die Option Berlin offenzuhalten. Denn dorthin zieht es ihn und die gesamte Partei vor allen Dingen: auf die ganz große politische Bühne.
Der "Meisterschüler" hat seine schwierigste Prüfung noch vor sich
Wenn der Sprung bei der Bundestagswahl im September zu kurz gerät, sähe die Zukunft der FDP noch düsterer aus, als nach der historischen Niederlage 2013. Trotz der ersten Erholung - Umfragewerte knapp über fünf Prozent sind alles andere als beruhigend. Ein zweites Scheitern würde das Karriere-Ende des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner bedeuten. Aus dem "Meisterschüler", wie ihn der "Tagesspiegel" in einem Portrait titulierte, wäre dann ein Sitzenbleiber geworden. Doch an dieses Szenario verschwenden sie in der FDP - jedenfalls öffentlich - keinen Gedanken. Das Motto lautet: "Bereit für 2017". Ein Schicksalsjahr, das mit einer Jubelarie enden soll - es könnte aber auch ein Abgesang werden.