Fünf große Probleme für Theresa M.
9. Juni 20171. Sie hat kein eindeutiges Mandat
Die Nachfolgerin des zurückgetretenen David Cameron hatte lange Zeit Neuwahlen ausgeschlossen, obwohl sie kein eigenes Mandat vom Wähler hatte. Dann, vor sieben Wochen – während eines Umfragehochs – änderte sie blitzartig ihre Meinung und rief Neuwahlen aus.
Doch der Plan, die bestehende Parlamentsmehrheit auszubauen, schlug fehl. Die Konservativen gehen deutlich geschwächt aus der Wahl hervor, das Parlament hängt ohne eindeutige Mehrheitsverhältnisse in der Schwebe. May braucht, falls sie keine Minderheitsregierung durchsetzen kann, einen Koalitionspartner.
Sowohl Koalitions- als auch Minderheitsregierungen sind in Großbritannien sehr ungewöhnlich und haben einen schweren Stand. Zuletzt hatte der ehemalige Premierminister David Cameron 2010 mit den Liberaldemokraten in einer Koalition regiert. Die Entscheidung wurde hinterher als Schnellschuss kritisiert, die Koalition gilt im Rückblick als Fehlschlag, vor allem für die Liberaldemokraten; diese lehnen heute eine Neuauflage ab.
2. May verliert den Rückhalt in ihrer eigenen Partei
Das Wahldebakel hat die Konservativen erschüttert. Mehrere Tories haben bereits Mays Rücktritt gefordert. Sie werfen ihr vor, die Neuwahl ohne Grund ausgerufen und den Wahlkampf schlecht vorbereitet zu haben. Nach Meinung der ehemaligen Tory-Ministerin Anna Soulbry sollte May "ihre Position überdenken” und die Verantwortung für den "schrecklichen” Wahlkampf übernehmen.
Auch der ehemalige Finanzminister George Osborne, der bei Mays Amtsantritt seinen Platz im Kabinett räumen musste und jetzt Chefredakteur der Zeitung "Evening Standard” ist, zeigte sich ungnädig: "Sie hat eindeutig ein schlechteres Ergebnis als vor zwei Jahren erziehlt und ist kaum in der Lage, eine Regierung zu bilden”, sagte er dem britischen Sender ITV. "Ich glaube nicht, dass sie sich auf lange Sicht als Parteivorsitzende halten wird.”
3. Eine mögliche Koaltion mit der DUP wird schwierig
Theresa May könnte versuchen, zusammen mit der Democratic Unionist Party (DUP), einer protestantisch-unionistischen Partei in Nordirland, eine Koalition oder eine von der DUP geduldete Minderheitsregierung zu bilden. Mit der DUP als möglichem Königsmacher hatte eigentlich niemand gerechnet. Parteichefin Arlene Foster hatte sich im Wahlkampf offen gegen die harte Brexit-Linie der Tories gestellt: "Wir wollen keine feste Grenze mit der Republik Irland, niemand will das hier”, sagte Foster über die Konsequenzen eines harten Brexit. Und selbst wenn sich May und Foster grundsätzlich auf eine Koalition einigen, sind sie sich etwa in sozialpolitischen Fragen noch sehr uneinig.
Sollten beide Parteichefinnen aber nicht zusammenkommen und findet sich kein anderer Partner, könnte die nächstgrößere Labour-Partei unter Jeremy Corbyn versuchen, eine Koalition zu schmieden, was aber noch schwieriger werden dürfte. Scheitert auch das, könnte es Neuwahlen geben. Doch Neuwahlen will in Großbritannien eigentlich niemand.
4. Corbyn und Labour werden ihr das Leben schwermachen
Labour-Chef Corbyn will natürlich am liebsten Theresa May in der Downing Street ablösen. Aber auch wenn Labour in der Opposition bleibt, wird er alles daransetzen, den Tories im Unterhaus das Regieren zur Hölle zu machen. Auch die Grünen und die Liberaldemokraten dürften sich ebenfalls geschlossen hinter Labour stellen.
5. Mit dem Brexit kann May nur verlieren
Gebetsmühlenartig wiederholte May im Wahlkampf, sie habe "einen Plan für den Brexit”, und nur ihre Partei könne ihn als Regierung umsetzen. Das Wahlergebnis zeigt: Der Brexit ist den Briten möglicherweise gar nicht mehr so wichtig wie die Debatte um das öffentliche Gesundheitssystem und die Terrorbekämpfung. Bereits zur Zeit des Referendums waren die Tories durch extreme Zerrissenheit in der Europa-Frage aufgefallen.
Und auch jetzt wird May im eigenen Land zwischen politischen Extremen aufgerieben: Auf der einen Seite drohte der ehemalige UKIP-Chef und oberste Brexiteer Nigel Farage noch in der Wahlnacht mit seiner Rückkehr, sollte May die Endgültigkeit des Brexit in Frage stellen. Umgekehrt verkündete die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon, die im Falle eines Austritts des Königreichs mit der Unabhängigkeit ihres Landes droht, sich jetzt landesweit in die Politik einzumischen, um "mit anderen gemeinsam einen harten Brexit zu stoppen.” Egal, für was sich May also entscheidet: Vollen Rückhalt hat sie in keinem Fall.