Die Geier kreisen über Buenos Aires
1. August 2014Am Morgen danach sieht alles aus wie an jedem Tag im Winter: Der Rio de la Plata schiebt dicke Nebelschwaden in die Stadt. Züge und Busse sind voll mit Pendlern, alle Banken sind geöffnet, die Geldautomaten spucken problemlos Peso-Scheine aus. Und die Medien geben dem gerade verstorbenen Präsidenten des nationalen Fußballverbandes, Julio Humberto Grondona, mindestens genauso viel Platz wie den geplatzten Verhandlungen mit den Hedgefonds.
Keine Katastrophe, aber harte Konsequenzen
Für ein Land, das gerade für zahlungsunfähig erklärt worden ist, eine erstaunlich gelassene Stimmung. Schon während der wochenlangen Gespräche in New York war von Panik nichts zu spüren. Auch wenn es kurz vor Schluss noch einen Hoffnungsschimmer gab: Die wenigsten Argentinier waren wirklich überrascht, als Wirtschaftsminister Axel Kicillof in seiner ruppig-pubertären Art das Scheitern der Verhandlungen verkündete.
Kicillof hatte auch erklärt, dass das Leben in Argentinien ganz normal weitergehe. So einfach ist es allerdings nicht: Der erneute Default wird das Land zwar nicht über Nacht in Armut stürzen, wie es 2001 passiert war. Doch die ohnehin gebeutelte argentinische Wirtschaft wird noch mehr unter Druck geraten: Unternehmer, Konsumenten und Investoren werden sich eine Zeit lang zurückhalten.
Ersparnisse in Sicherheit bringen
Die internationalen Finanzmärkte, denen sich Argentinien in den vergangenen Monaten in kleinen Schritten angenähert hatte, sind plötzlich wieder meilenweit entfernt. Und das hat massive Folgen, prophezeit Luis Palma Cané von der Wirtschaftsberatung "Fimades": "Die Provinzen werden Probleme bekommen, ihre Haushaltsdefizite über Kredite zu finanzieren. Das wird die Regierung dazu zwingen, mehr Geld in Umlauf zu bringen. Außerdem werden große nationale Firmen wie der Ölkonzern YPF sich kein Geld für Investitionen besorgen können".
Auch Privatleute wissen nicht so genau, wie es jetzt weitergeht. Ob sie ihren Job behalten, was mit ihren Krediten passiert, ob die Inflation weiter steigen wird. Und was aus ihren Ersparnissen wird.
"Das hängt alles davon ab, wo du dein Geld hast", sagt ein Mann auf der Straße. "Wenn es auf der Bank liegt, wäre ich ziemlich beunruhigt. Wenn es in Immobilien oder so angelegt ist, würde ich es erstmal da lassen und abwarten. Das geht ja auch wieder vorbei." Banken aus dem Nachbarland Uruguay hatten in den letzten Tagen auffällig viele Zahlungseingänge aus Argentinien gemeldet.
Banken als Retter?
Banken gehören seit der Staatspleite von 2001 nicht gerade zu den Institutionen, denen die Argentinier vertrauen. Doch ausgerechnet die Geldhäuser könnten jetzt zum Retter werden: Schon kurz vor der Ende der Frist am Mittwoch (30.07.2014) waren mehrere Privatbanken bereit, die Schuldscheine der Hedgefonds kurzzeitig aufzukaufen.
Die Initiative war in letzter Sekunde gescheitert - angeblich wegen der harten Haltung der Regierung. "Uns war nie klar, ob uns die Regierung wirklich unterstützt", sagt ein Banker, der seinen Namen nicht nennen will. "Wirtschaftsminister Kicillof hat nicht verstanden, dass uns jeder seiner Ausbrüche 100 Millionen Dollar kostet".
Doch diese Lösung könne immer noch funktionieren, meint Carlos Caicedo, Lateinamerika-Experte beim Risikoanalysten IHS: "Wenn der Deal zustandekommt, könnte die Blockierung der Zahlungen an andere Gläubiger mit Zustimmung des New Yorker Bezirksgerichtes aufgehoben werden. Damit wäre die technische Zahlungsunfähigkeit Argentiniens vom Tisch".
Kompromisse? Nein, danke!
Die argentinische Regierung hat sich zu dem Vorschlag noch nicht geäußert. Allerdings gab Wirtschaftsminister Kicillof nach seiner Rückkehr in Buenos Aires bekannt, dass die argentinische Regierung zu weiteren Gesprächen mit den Hedgefonds bereit sei. Zuvor hatte Kabinettschef Jorge Capitanich die Hedgefonds und die USA für der Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht und erklärt, die Regierung überlege, vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu ziehen und die Angelegenheit den Vereinten Nationen vorzutragen.
Im Übrigen sei es "Schwindel", von einem Zahlungsausfall zu sprechen. Das ist die übliche und seit Monaten bekannte Rhetorik der Regierung. Auch hier war der Tag danach also ein Tag wie jeder andere.