Brasilianische Expansion
26. November 2006Am 21. April 2006, dem 506. Jahrestag der Entdeckung Brasiliens durch die Portugiesen, ließ Petrobrás seinen Firmensitz in grünem und gelbem Licht erstrahlen, den Nationalfarben. Das Unternehmen feierte die "neue Unabhängigkeit Brasiliens", die Autarkie in der Energieversorgung. Brasilien konnte seine Produktionskapazität auf 1,91 Millionen Barrel täglich erhöhen. Das deckt den geschätzten Bedarf von ganz Brasilien, der zwischen 1,85 und 1,9 Millionen Barrel liegt.
Das 1953 von Getúlio Vargas gegründete Unternehmen ist das am höchsten bewertete Unternehmen in Lateinamerika, im weltweiten Vergleich steht es an achter Stelle. 60 Prozent der Aktien von Petrobrás sind in privater Hand, aber die Regierung hält immer noch 56 Prozent der Stammaktien.
"Als Petrobrás gegründet wurde, war die Abhängigkeit von Außen so gut wie absolut. Wir selbst produzierten 2700 Barrel pro Tag, die Nachfrage lag bei 172.000 Barrel. Heute befinden wir uns in der besten wirtschaftlichen Lage seit 20 Jahren. Petrobrás hat maßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen", sagte der inzwischen wiedergewählte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in Rio am Tag des "neuen Unabhängigkeitsfestes".
Konflikt mit Bolivien
Als Evo Morales am 1. Mai 2006 die Nationalisierung des Erdgases in Bolivien ankündigte, wurde die Euphorie zunächst nur wenig getrübt. "Die Lieferung von 24 bis 30 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag ist bis 2019 vertraglich abgesichert. Für uns ändert sich nichts", sagte damals Ildo Sauer, Energie- und Gasdirektor bei Petrobrás. Dennoch sollten harte Verhandlungen folgen. Morales hatte den ausländischen Energieunternehmen eine Frist von 180 Tagen gesetzt, um die Förder-Verträge neu auszuhandeln.
Für Brasilien und Petrobrás steht einiges auf dem Spiel. In den vergangenen zehn Jahren investierte Petrobrás 1,5 Milliarden US-Dollar in Bolivien. Brasilien importiert 26 Millionen Kubikmeter Erdgas am Tag und deckt damit die Hälfte seines Bedarfs. Ende Oktober haben Petrobrás und die anderen in Bolivien tätigen Energieunternehmen die neuen Verträge der Regierung unterschrieben. Bis zu 82 Prozent Abgaben müssen sie nun an Bolivien zahlen. Dennoch bleibt das Geschäft für sie rentabel.
Für den Direktor für internationale Angelegenheiten von Petrobrás, Nestor Cerveró, bleibt Bolivien die "beste Option" für die Lieferung von Erdgas. "Und es ist für uns am billigsten. Die Bolivianer haben auch nie damit gedroht die Lieferung einzustellen. Im Gegenteil, sie wollen sie erhöhen", sagt Cerveró zu DW-WORLD.DE.
Lateinamerika bleibt wichtigster Markt
Petrobrás spielt in mehreren Ländern Südamerikas eine bestimmende Rolle. In Paraguay beispielsweise ist es Marktführer im Vertrieb von Kraftstoff. In Kolumbien, wo Petrobrás seit 1972 operiert, hat das Unternehmen riesige Erdölreserven entdeckt, die größten der vergangenen 20 Jahre. Außerdem ist es an der Erdölförderung in der Tiefsee beteiligt, kontrolliert vier Prozent des Vertriebs von Kraftstoffen.
Seit Dezember 2004 vertreibt Petrobrás in Uruguay in Zusammenarbeit mit dem Staatsunternehmen ANCAP Erdgas. Im Juni kauften die Brasilianer Gaseba, das 40.000 Menschen in Montevideo mit Erdgas versorgt.
In Venezuela, wo der Anteil der Energieunternehmen an Erdölprojekten 49 Prozent nicht überschreiten darf, ist Petrobrás in der Erdölproduktion tätig. Zusammen mit der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA hat es kürzlich 4,5 Millionen Barrel von extraschwerem Rohöl im Orinoco-Becken zertifiziert. Über die Ausbeutung dieser Vorkommen wird nun verhandelt, geplant ist auch der gemeinsame Bau einer Raffinerie in Brasilien.
In Ecuador ist das umstrittene Öl-Projekt Bolco 31, das zum Teil im Nationalpark Yasuni im Amazonasbecken liegt, derzeit lahm gelegt. 2004 hatte Petrobrás eine Lizenz erhalten und begonnen, eine Zufahrtsstraße zu bauen. Doch auf Druck von Umweltschützern wurde die Lizenz wieder entzogen. Die Regierung von Ecuador prüft nun eine neue Verträglichkeitsstudie.
Misstrauen in die Nachbarn
Manager Cerveró versichert, Petrobrás sei auf "Situationen institutioneller Instabilität" vorbereitet. Seit 2005 erstellt das Unternehmen mit einer speziellen Software Risikoanalysen. "Energieproduktion ist ein risikoreiches Geschäft. Das politische Risiko hat man aber nicht nur in Südamerika", betont Cerveró.
Nach Ansicht von Analysten hat Petrobrás aus dem Konflikt mit Bolivien gelernt, nicht allzu sehr seinen Nachbarn zu vertrauen. Einige Expansionspläne des Unternehmens in Lateinamerika sind erst einmal auf Eis gelegt. Die Geschäftspläne für die Jahre 2007 bis 2011 zeigen, dass Petrobrás den Kurs seiner internationalen Expansion ändert. Von den 12,1 Milliarden US-Dollar, die Petrobrás in den kommenden vier Jahren im Ausland investieren will, fließen allein 2,7 Milliarden Dollar in Projekte im Golf von Mexiko.
Expansion nach Afrika und Europa
Größere Investitionen sind auch im Nigerdelta in Nigeria geplant. In Sudamérica wird der Konzern insgesamt 2,8 Milliarden Dollar ausgeben, den größten Teil in Argentinien, wo Petrobrás seine wichtigsten Produktionsstätten außerhalb Brasiliens betreibt.
Petrobrás betreibt Geschäfte in insgesamt 23 Länder auf vier Kontinenten. Aber das Unternehmen will mehr. Bis 2011 sollen etwa eine Million Barrel der insgesamt 2,8 Millionen Barrel pro Tag außerhalb Brasiliens raffiniert und vermarktet werden. Heute sind das etwa 270.000 Barrel pro Tag.
Der erste Schritt in diese Richtung wurde im September 2006 getan. Petrobrás kaufte für 360 Millionen Dollar 50 Prozent der Pasadera Raffinerie in Texas. Laut Cerveró überlegt das Unternehmen, sich auch an Raffinerien in Japan, Indien, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien zu beteiligen.
Anfang 2006 schloss Petrobrás ein Abkommen mit Gazprom, den größten Erdgasproduzenten der Welt. Das russische Unternehmen könnte ein Türöffner für den europäischen Markt sein. "Wir sind an allen großen Märkten interessiert", sagt Cerveró.