"Die größte Herausforderung für Europa"
1. September 2015Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Morgen zusammen mit ihrem spanischen Amtskollegen Mariano Rajoy vor die Presse tritt, hat der Ansturm von Flüchtlingen eine neue Dimension erreicht: Tausende sollen es sein, die seit dem Montagabend in Österreich und Süddeutschland eingetroffen sind - in Zügen aus Ungarn. Über den Ticker laufen Meldungen: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann kritisiert die ungarische Regierung dafür, dass sie Flüchtlinge ohne Registrierung einfach weiterreisen lasse. Das widerspricht der sogenannten Dublin-Verordnung - demnach ist derjenige EU-Staat für das Verfahren eines Asylbewerbers zuständig, in dem dieser erstmals europäischen Boden betritt.
Recht und Wirklichkeit
Poche Deutschland denn ausreichend auf die Einhaltung dieser EU-Verordnung, will ein Journalist wissen. Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland bleiben, erwidert Merkel. Eigentlich müsse das in jedem europäischen Land ähnlich sein. "Wir stellen nur durch das praktische Erleben jeden Tag fest, dass die geltende Rechtslage ganz offensichtlich nicht praktiziert wird."
Kritik am EU-Partner Ungarn ist von ihr nicht zu hören. Es helfe nicht, sich "gegenseitig zu bezichtigen", sagt die Kanzlerin. Vielmehr müsse an einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik gearbeitet werden. Das Ziel sei es, zügig "Registrierungszentren" etwa in Griechenland und Italien für die Asylbewerber einzurichten und diese dann in der EU fair zu verteilen. Außerdem müssten sichere Herkunftsländer definiert und Wirtschaftsflüchtlinge zurückgeschickt werden. Rajoy plädiert für Rückübernahmeabkommen mit jenen Ländern, aus denen Migranten aus wirtschaftlichen Gründen in die EU kämen.
Kriterien für die Quote
Von der "fairen Verteilung" mittels Quoten halten viele EU-Länder nichts. Wohl aber Spanien, wie Rajoy betont. Er unterstütze die Vorschläge Deutschlands in der EU, sagt er. Sein Land sei bereit, 2.739 Flüchtlinge aufzunehmen. Berücksichtigt werden müssten bei der Zuteilung aber auch Faktoren wie die Arbeitslosenquote, die in Spanien hoch ist, oder das Investment in den Schutz der EU-Außengrenze. "Was wir erleben, ist die größte Herausforderung für Europa in den nächsten Jahren", erklärt der spanische Ministerpräsident. Ohne eine gemeinsame europäische Flüchtlings- und Asylpolitik werde dieses Problem nicht zu lösen sein.