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Die Kunst der Erinnerung

Daniela Späth6. Mai 2015

Deutschland steht aufgrund des Holocaust in einem einzigartigen Verhältnis zu Israel. In einer Gesprächsreihe geben Literaten und Künstler Einblick, wie sie in ihren Werken mit der Erinnerung an die Geschichte umgehen.

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Zersprengtes Zusammenfügen Veranstaltung DAAD Berlin
Bild: Daniela Späth

Das Verhältnis vor allem der jüngeren Generation der Israelis und Deutschen ist zwar besser geworden, doch von Normalität ist – auch rund 50 Jahre nach dem Auftakt der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland – noch nicht die Rede.

In der deutsch-israelischen Gesprächsreihe "Zersprengtes zusammenfügen" im Maxim Gorki Theater in Berlin stand die Aufarbeitung von Traumata, Tabus und Einzelschicksalen im Mittelpunkt. Zu Wort kamen Künstler, die sich in ihren Werken mit der Aufarbeitung von Geschichte auseinandersetzen.

Ohne Stimme der Zeugen keine Aufarbeitung

Die Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch wurde in der Ukraine geboren und lebt in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Die Bücher der vielfach ausgezeichneten Autorin wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Für ihren Roman "Secondhand-Zeit: Leben auf den Trümmern des Sozialismus" zeichnete der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels die Autorin mit dem Friedenspreis 2013 aus.

Alexijewitsch hat ihre ganz eigene literarische Gattung geschaffen - den dokumentarischen "Roman in Stimmen". Ihre Bücher, in denen sie häufig die Geschichte der ehemaligen Sowjetunion aufarbeitet, basieren auf zahlreichen Interviews mit Zeugen, die sie in ihre Geschichten verwebt. "Es geht um die Stimmen der Menschen und um Details. Ich versuche, aus solchen Gesprächen den Geist der Zeit einzufangen. Nur so kann ich das Bild der Vergangenheit vervollständigen", erklärt Alexijewitsch.

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Bild: Daniela Späth

In Vergessenheit geratene Geschichten ans Licht bringen

Dani Gal, der zu den renommiertesten zeitgenössischen Künstlern in Israel zählt, verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Der in Jerusalem geborene Videokünstler sammelt akribisch Fakten und führt zahlreiche Gespräche mit Beteiligten vor der eigentlichen Entstehung seiner Werke. Er beschäftigt sich in seinem Arbeiten vor allem mit den "Leerstellen" der Geschichte. So dreht sich sein 2014 auf der Berlinale gezeigter Film "Wie aus der Ferne" ("As from Afar") um die szenisch-fiktive Wiedergabe des Briefwechsels zwischen Albert Speer und Simon Wiesenthal in den 1970er Jahren.

"Ich beginne mit einer Geschichte, die in Vergessenheit geraten ist, ein kleines Ereignis. Dann spreche ich mit Menschen, die damit zu tun hatten", erläutert Dani Gal seine Vorgehensweise. "Aus den gesammelten Materialien setze ich Stück für Stück das Mosaik zusammen. So stoße ich auf eine Wahrheit, auf die ich sonst nie gekommen wäre. Aber natürlich ist das eine subjektive Wahrheit, eine Vorstellung einer Wahrheit, ein subjektives Empfinden", schränkt der Künstler ein.

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Der israelische Videokünstler Dani GalBild: Daniela Späth

Abkehr von bekannten Themen

Während viele Schriftsteller auf die Flüchtlings- bzw. Einwanderungsproblematik in Israel nach dem Zweiten Weltkrieg eingehen, lenkt die Schriftstellerin Ursula Krechel mit ihrem Roman "Landgericht" die Aufmerksamkeit auf eine andere Debatte. Das Werk, für das die Autorin 2012 den Deutschen Buchpreis erhielt, stellt den jüdischen Richter Richard Kornitzer in den Mittelpunkt, der 1947 aus dem Exil in Havanna nach Deutschland zurückkehrt und um seine Würde kämpft. Reales Vorbild für diese Romanfigur ist der Richter Robert Bernd Michaelis.

Mit ihrem Buch spannt die Autorin auch den Bogen zur aktuellen Flüchtlingsdebatte in Deutschland: "Das Versagen der Flüchtlingspolitik ist bis heute ein Thema, das immer wiederkehrt. Wir müssen uns damit auseinandersetzen", fordert das Mitglied des PEN-Zentrum Deutschlands.

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Schriftstellerin Ursula KrechelBild: Daniela Späth

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen

Das gegenseitige Vertrauen zwischen Israel und Deutschland wächst weiter – nicht nur auf künstlerischer Ebene. Am 12. Mai 1965 nahmen Deutschland und Israel erstmals wieder diplomatische Beziehungen auf. Zehn Jahre später reiste Ministerpräsident Jitzchak Rabin als erster israelischer Regierungschef nach Deutschland. 1985 besuchte Richard von Weizäcker als erstes deutsches Staatsoberhaupt Israel, 1987 folge der Gegenbesuch durch Präsident Chaim Herzog.

"Der Auftakt der diplomatischen Beziehungen war ein Wunder. Es ist fast unverständlich, dass das Land der Opfer dem Land der Täter die Hand gereicht hat", betonte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf der Veranstaltung.

Brücken festigen

Rund 50 Jahre später verbindet Deutschland und Israel eine enge Partnerschaft, geprägt von zahlreichen Städtepartnerschaften und einer Vielzahl wirtschaftlicher Kooperationen und kultureller Begegnungen.

"Zersprengtes zusammenfügen" ist die zweite Veranstaltung der Deutsch-Israelischen Lese-und Gesprächsreihe, die das Auswärtige Amt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) organisiert. Sie ist Teil eines umfangreichen Programms im Rahmen der Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel am 12. Mai 2015.