Gonzales unter Druck
15. Mai 2007Das Bauernopfer, das nun dargebracht werden musste, heißt Paul McNulty und ist Gonzales' Stellvertreter. Als Grund für seinen Rücktritt führte der Vize-Justizminister die finanzielle Situation in seiner Familie an. Das teilte er am Montagabend (15.5.) seinem Vorgesetzten in einem Brief mit. Gewährsleuten zufolge will McNulty noch im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden wurde, spätestens aber bis zum Herbst.
Nicht Bush-freundlich genug?
Experten halten es für sicher, dass der Rückzug mit der jüngsten Affäre um die Massenentlassung von Bundesanwälten in Zusammenhang steht. Das Ministerium hatte Ende 2006 acht Bundesanwälte entlassen. Zur Begründung hieß es, die Chefankläger in Bundesverfahren hätten ihre Arbeit nicht gut genug versehen.
Die Demokraten und die Anwälte selbst sind aber überzeugt davon, dass sie entlassen wurden, weil sie nicht freundlich genug gegenüber Präsident George W. eingestellt waren und Ermittlungen gegen Demokraten - unter anderem wegen Verdachts des Wahlbetrugs - in den Augen des Weißen Hauses nicht entschlossen genug vorangetrieben hatten. Aus veröffentlichten Dokumenten und Zeugenaussagen geht hervor, dass im Justizministerium Listen mit einer politischen Benotung der Anwälte erstellt worden waren.
Spekulationen über Rücktritt weiterer Regierungsmitglieder
Justizminister Gonzales selbst sieht sich deshalb mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, hält aber trotz massiver Kritik auch aus der eigenen Partei an seinem Posten fest. Dabei kann er auf die Unterstützung von US-Präsident George W. Bush zählen, denn ein Rücktritt von Gonzales könnte die US-Regierung weiter unter Druck setzten. So spekulierte die Wochenzeitung "Newsweek" kürzlich: "Der Rücktritt von Gonzales würde die Demokraten ermutigen, andere Ziele zu verfolgen - wie etwa Karl Rove."
Rove zieht als Berater von Bush im Hintergrund die Fäden und soll auch in die Entlassung der Anwälte involviert gewesen sein. Bereits Ende März hatte Bush die Forderung der Demokraten abgelehnt, Rove solle zu den umstrittenen Vorgängen unter Eid aussagen. Der Präsident drohte sogar, vor Gericht zu ziehen, falls der Kongress darauf bestehen sollte. Den Demokraten, die im Senat und im Abgeordnetenhaus die Mehrheit stellen, warf er vor, mit "Schauprozessen" politisch punkten zu wollen.
Aus dem Amt gedrängt
McNulty hatte im Februar bestätigt, dass mindestens einer der acht betroffenen Staatsanwälte zum Rücktritt gedrängt worden sei, um Platz zu machen für einen Freund von Karl Rove. Damit erregte McNulty laut US-Medienberichten den Zorn von Gonzales. McNulty, der auf Terrorismus-Verfahren spezialisiert war, ist der bisher ranghöchste Politiker, der im Zuge der Bundesanwälte-Affäre sein Amt aufgab. Vor ihm waren bereits der Stabschef von Gonzales, Kyle Sampson, und eine als Verbindungsfrau zum Weißen Haus tätige Beamtin zurückgetreten. (ana)